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Antisemitismus-Resolution im BundestagKritik an Antisemitismus-Resolution

Kurz vor Abstimmung streiten Bundestagsabgeordnete über die sogenannte Antisemitismus-Resolution. Widerstand kommt auch von Teilen der Grünen.

Kri­ti­ke­r:in­nen bemängeln die Ankündigung im Text, „repressive Möglichkeiten konsequent auszuschöpfen“ Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Berlin taz | Kurz bevor der Bundestag am Donnerstag die umstrittene sogenannte Antisemitismus-Resolution verabschieden will, kracht es. Die Unionsfraktion forderte in einem Brief an Bundestagspräsidentin Bärbel Bas, ihre Vizepräsidentin Aydan Özoğuz möge am Tag der Abstimmung nicht das Plenum leiten. Vergangene Woche hatten Unionsabgeordnete bereits ihren Rücktritt gefordert.

Die SPD-Politikerin hatte Mitte Oktober einen Zionismus-kritischen Post der Organisation „Jewish Voice for Peace“ in ihrer Instagram-Story geteilt. Özoğuz hatte sich dafür entschuldigt. Sie habe auf das zivile Leid beider Seiten aufmerksam machen wollen. Auf taz-Anfrage heißt es zudem aus ihrem Büro, der Sitzungsplan habe von Anfang an Bärbel Bas als Sitzungsleiterin vorgesehen.

Die sogenannte Antisemitismus-Resolution hat das Ziel, jüdische Menschen in Deutschland besser zu schützen. Seit dem 7. Oktober 2023 ist die Zahl der antisemitischen Übergriffe in Deutschland stark gestiegen. So fordert die Resolution etwa, dass keine staatlichen Gelder an Organisationen gehen dürfen, die Antisemitismus verbreiten.

Umstrittene Definition

Was dabei antisemitisch ist, dafür soll die sogenannte IHRA-Definition maßgeblich sein. Diese wird von einigen Regierungen verwendet, ist aber umstritten, weil sie Antisemitismus weit fasst. Kri­ti­ke­r:in­nen fürchten, dass sie so ausgelegt werden kann, dass darunter legitime Kritik an Israels Regierung fallen könne. Außerdem wird in dem Text ein Zusammenhang zwischen Zuwanderung und Antisemitismus hergestellt und neben diesem auch Antiisraelismus als Problem dargestellt.

Konstantin Kuhle, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der FDP, sieht laut einer Mitteilung in der Resolution „ein klares Zeichen, den Antisemitismus in unserem Land wirksam und nachhaltig zu bekämpfen.“ Kri­ti­ke­r:in­nen hingegen bemängeln die Ankündigung im Text, „repressive Möglichkeiten konsequent auszuschöpfen“.

Auch von den Grünen, der SPD und Opposition gibt es laute Kritik an der Resolution. Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Canan Bayram teilte mit, dass sie gegen den Antrag stimmen werde. Er ignoriere „die Debatte, in der Jurist*innen, jüdische Intellektuelle, israelische Menschenrechtsorganisationen, Kulturschaffende & Wis­sen­schaft­le­r*in­nen aufgezeigt haben, welche Probleme“ durch die Verabschiedung der Resolution entstehen würden. Sie widerspreche wissenschaftlichen Standards. Das bestärkten am Mittwoch Wis­sen­schaft­le­r:in­nen in der Bundespressekonferenz.

Vor wenigen Tagen gab es bereits ablehnende Stimmen aus Reihen der SPD-Fraktion. Sowohl Isabel Cadematori als auch Nina Scheer forderten eine Überarbeitung der Resolution. Cadematori wendete sich mit einem Schreiben an die Fraktionsspitze. „Da der Antragstext bis letzten Freitag geheim verhandelt worden ist und bis Sonntag der gesamten Fraktion nicht vorgelegt wurde, konnte eine notwendige kritische Debatte nicht stattfinden“, heißt es darin.

Laut Scheer enthält die Resolution Aussagen, die sie „sowohl in rechtlicher als auch politischer Hinsicht für falsch und nicht tragbar“ hält. Auch die ehemalige SPD-Justizministerin Herta Däubler-Gmelin kritisierte die Resolution. In einem Brief an die Fraktionsspitze warb sie dafür, gegen die Resolution zu stimmen.

Kritik kommt auch aus der Opposition. Nicole Gohlke, Bundestagsabgeordnete der Linkspartei, teilte auf Anfrage der taz mit, dass sie gegen die Resolution stimmen würde. Statt Antisemitismus zu bekämpfen, würde sie dazu beitragen, die Freiheit von Wissenschaft und Kunst „massiv einzuschränken, Vorurteile gegen Menschen mit Einwanderungsgeschichte weiter zu schüren sowie Kritik an Israels Regierung und der Besatzungspolitik zu delegitimieren.“ Es sei falsch und gefährlich, die Pluralität der jüdischen Community in Deutschland, genauso wie die der israelischen Gesellschaft auszublenden.

Die Linkspartei hat indes den Vorschlag gemacht, anstelle des vorliegenden Entwurfs den Alternativvorschlag, den eine Wis­sen­schaft­le­r:in­nen­grup­pe Mitte Oktober in der FAZ veröffentlicht hatte, zur Basis einer Resolution zu machen.

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3 Kommentare

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  • Es schränkt überhaupt nicht die Freiheit der Kunst ein. Entsprechende Künstler:innen, die nur mal ganz dringend Israel diabolisieren wollten, müssen ihr Geld für ihre Arbeit einfach nur anders organisieren. Es gibt keine Freiheit, von den Steuergeldern der Menschen in diesem Land durchfinanziert zu werden, wenn man dabei Gift und Galle spuckt. Da hilft auch kein "Wissenschaftler:innen".

  • Das der Antragstext selbst vor der eigenen Fraktion geheim gehalten wurde, zeigt hier leider nur das man gar keine Diskussion will. Man sollte sich wirklich mal angewöhnen, dass man Menschen die man schützen will, auch einbezieht wenn es darum geht wie der Schutz aussehen kann. Das sollte man dann auch mit diversen Vertretern der Gruppe machen, jüdische Menschen sind kein Monolith, auch unter ihnen gibt es verschiedene Meinungen. Das man völlig ausblendet das es sehr viele kritische jüdische Stimmen gegen die Resolution aber auch gegen die IHRA Definition gibt ist sinnbildlich für die Einseitigkeit der dt. Regierung bei diesem Thema und das man immer noch nicht gelernt hat Minderheiten eine Stimme zu geben statt über sie zu entscheiden. Es findet keinerlei Reflektion statt nicht mal dann wenn es Kritik hagelt. Wem hat denn die Staatsräson in ihrer dogmatischen Auslegung geholfen? Meines Erachtens den Rechten/Rechtsradikalen in der israelischen Regierung/Bevölkerung und der Siedlerbewegung- da ja Staatsräson für die dt- Regierung scheinbar heißt keine Konsequenzen für Völkerrechtsbruch und Menschenrechtsverletzungen. Das sind die Lehren aus unserer Geschichte?

  • "Statt Antisemitismus zu bekämpfen, würde sie dazu beitragen, die Freiheit von Wissenschaft und Kunst „massiv einzuschränken, Vorurteile gegen Menschen mit Einwanderungsgeschichte weiter zu schüren sowie Kritik an Israels Regierung und der Besatzungspolitik zu delegitimieren.“ "

    Was im Umkehrschluss ja darauf hinausliefe, Antisemitismus unter Einwanderern einfach zu ignorieren - ganz im Gegensatz zur Wahrnehmung vieler Juden in diesem Land.

    Die ewig wiederkehrende Behauptung, Kunst und Wissenschaft würden eingeschränkt, wird durch die ständige Wiederholung nicht wahrer. Sie wird im übrigen ja gerne aus den Kreisen um die "Initiative GG 5.3 Weltoffenheit" artikuliert, die es schon als unzulässig empfanden, dass eine antisemitische Organisation wie BDS nicht mehr mit Steuermitteln alimentiert werden solle.

    Ansonsten hat man dort, wo es tatsächlich zu Einschränkungen der Kunstfreiheit kam, nämlich bei der gezielten Kampagne gegen den Leiter der Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen, Lars Henrik Gass, weder von Nicole Gohlke noch von Isabel Cadematori, Nina Scheer, Herta Däubler-Gmelin oder Canan Bayram irgendein Zeichen der Solidarisierung vernommen.