Antisemitischer Angriff in Hamburg: Schlag ins Gesicht
Vergangenen Samstag wurde eine Mahnwache gegen Antisemitismus angegriffen. Nun wird über Antisemitismus von Muslimen diskutiert.
Weil er im Fahndungsaufruf als „südländisch“ beschrieben wird, nehmen in sozialen Netzwerken viele an, die Tat hätte einen muslimischen oder pro-palästinensischen Hintergrund. Die „Free Palestine“-Rufe des Täters und seiner Begleiter bestärken diesen Verdacht. Die AfD und andere kritisieren nun, dass muslimischer Antisemitismus in Deutschland nicht ernst genommen werde. Auch CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet erregte im Mai Aufsehen, als er das Problem vor allem auf „eingewanderten Antisemitismus“ schob. Zu recht?
Von den 54 Straftaten, die die Polizei im Jahr 2020 als antisemitisch eingeordnet hat, wurden 46 dem rechten Spektrum zugeordnet. Die Zahlen für 2019 haben eine ähnliche Tendenz. Ob die Statistik für das laufende Jahr anders aussehen wird, ist schwer zu sagen – auch wegen des erneuten Hochkochens des Nahostkonflikts im Mai.
Philipp Stricharz, der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde in Hamburg, sieht Fälle wie den aktuellen im Moment als die größte Gefahr für Jüdinnen und Juden in Hamburg. „Ein latentes Risiko gibt es schon seit längerer Zeit, wenn man sich als Jude im öffentlichen Raum zu erkennen gibt“, sagt er. Vor allem in letzter Zeit aber sei bei vielen Angriffen das Thema Israel sehr prominent.
Nur eine Minderheit gewaltbereit
„Immer wenn sich der Konflikt im Nahen Osten verschärft, finden sich Leute die ohnehin zu Aggressionen neigen“, sagt Stricharz. „Einige von ihnen denken, sie müssten sich in Deutschland an Juden rächen für Dinge die im Nahen Osten passieren.“ Aber der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde betont auch, dass nur eine kleine Minderheit der Muslime und auch der palästinensischen Community gewaltbereit sei.
Ein Grund für den häufigen Israel Bezug der Straftaten könnte auch bei den Medien liegen. In keinem Land der Welt ist die Journalistendichte so hoch wie in Israel. Und kein Land der Welt wird so häufig in Medien kritisiert. Das fanden Wissenschaftler:innen der TU Berlin heraus, die unzählige Medienberichte über verschiedenste Länder auswerteten. Nach Stricharz Einschätzung hat sich das aber gebessert. Finn Walter
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