Antisemitische Ausfälle bei „Gelbwesten“: Pariser Staatsanwaltschaft ermittelt

Der Philosoph Alain Finkielkraut wurde am Rande einer Gelbwesten-Demo antisemitisch beschimpft und bedroht. Die Justiz leitet Ermittlungen ein.

Alain Finkielkraut, ein Mann mit Brille und dunkelgrauen Haaren vor einem Bücherregal

Schriftsteller und Philosoph Alain Finkielkraut Foto: dpa

PARIS taz | Der französische Philosoph Alain Finkielkraut ist ein Polemiker, der in Fernseh-Talkshows gelegentlich ausrastet. Ihn deswegen am Rande einer Demonstration der Gilets jaunes (Gelbwesten) in unerhört gehässiger Weise physisch zu bedrohen, ist allerdings völlig inakzeptabel. Entsprechend vehement sind die Reaktionen in Frankreich auf einen Vorfall in Paris.

Finkielkraut war am Samstagnachmittag auf dem Boulevard Montparnasse ein Zuschauer unter vielen anderen. Doch sein Gesicht ist aus den Medien ebenso bekannt wie seine Stellungnahmen. Er hatte wie andere Intellektuelle die Proteste der Gelbwesten anfänglich unterstützt, dann aber kritisiert, dass gewisse Exponenten die Bewegung diskreditieren und zu wenig gegen den Hass der Menge unternehmen.

Die Analyse war zutreffend, denn genau dieser Hass richtete sich nun gegen ihn. „Scheißzionist, hau ab!“, ist auf der im Internet zirkulierenden Videoaufnahme zu hören. Es sind mindestens drei Männer mittleren Alters in gelben Westen, die den 69-Jährigen als „Rassisten“ beschimpfen und bedrohen. Da ihr Gesicht nicht maskiert ist, wird man wohl bald wissen, wer sie sind und aus welchen Motiven sie den jüdischen Intellektuellen in dieser Weise attackiert haben.

Die Pariser Staatsanwaltschaft leitete nach eigenen Angaben vom Sonntag Vorermittlungen wegen des Vorfalls ein. Sie stützen sich auf einen Paragrafen, der öffentliche Beleidigungen auf Grundlage von Herkunft, Ethnie oder Religion verbietet.

Finkielkraut sagt im Nachhinein, er habe „nicht zum ersten Mal diesen absoluten Hass“ gespürt. Er dankt den Polizisten, die ihn vor Schlimmerem bewahrt hätten: „Das war ein Pogrom.“ Er erwähnt aber auch die anderen Gilets jaunes, die sich schützend vor ihn gestellt hätten und ihm eine gelbe Weste geben wollten.

Schon bei anderen Anlässen ist Finkielkraut attackiert worden, beispielsweise von propalästinensischen Aktivisten. Der neuerliche Angriff wird von links bis rechts verurteilt. „Man kann Finkielkrauts Ideen ablehnen, (doch) nichts kann es rechtfertigen, ihn als Juden anzugreifen“, erklärt der Kommunist Ian Brossat (PCF). Louis Aliot vom rechtsextremen Rassemblement national (Ex-FN) schreibt auf Twitter: „Diese Beschimpfungen sind absolut niederträchtig. Was für eine Bande von Dummköpfen!“ Auch Staatspräsident Emmanuel Macron äußerte seine Solidarität: „Die antisemitischen Beleidigungen stellen infrage, was wir sind und was aus uns eine große Nation macht.“

Regierungssprecher Benjamin Griveaux spitzt den Vorfall in unnötiger Weise noch zu. Er behauptet, Finkielkraut sei als „Drecksjude“ (Sale juif) attackiert worden – was sonst niemand gehört hat. Griveaux möchte nur zu gern die lästige Gelbwestenbewegung insgesamt desavouieren. Für solche allzu durchsichtigen Manöver einer sichtlich überforderten Staatsführung ist aber Antisemitismus zu gravierend. Die Fakten sind bedenklich genug.

(mit afp)

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.