Rassismus gegen Muslime in Deutschland: Diskriminierung, Gewalt, tödliche Angriffe
Die Meldestelle Claim registriert 60 Prozent mehr antimuslimische Vorfälle als 2023. Dabei ist alles, vom blöden Spruch bis zur Säureattacke.

Bei rund der Hälfte der registrierten Vorfälle ging es um rassistische Beschimpfungen. Jeweils 20 Prozent entfallen auf die Kategorien Diskriminierung und verletzendes Verhalten. In fast allen Gruppen übermäßig betroffen sind dabei muslimische Frauen, insgesamt waren sie in fast drei Viertel der Fälle die Geschädigten.
So etwa bei einem Fall im Januar 2024 in Berlin: Ein Mann riss einer Muslima das Kopftuch herunter, verletzte sie dabei und versuchte, ihren Kopf gegen eine Glasscheibe zu schlagen. Oder im Fall zweier 13-jähriger Mädchen, die in Dresden von zwei Rentnerinnen beschimpft wurden. Insgesamt fällt die Drastik vieler Vorfälle auf. Im September übergoss etwa ein Mann in Stralsund seinen syrischen Nachbarn mit Schwefelsäure und verletzte ihn damit schwer. Und Moscheen sowie Restaurants muslimischer Gastronom*innen erhielten immer wieder Hassbotschaften, etwa in Bielefeld, wo den Empfängern mit „Gaskammern“ gedroht wurde.
Geschäftsführerin Hanano verwies auf den zeitlichen Zusammenhang zwischen antimuslimischem Rassismus und Gewalt in Nahost. Mit dem Massaker der Hamas an israelischen Zivilist*innen am 7. Oktober 2023 stieg nicht nur die Zahl antisemitischer Vorfälle in Deutschland massiv, sondern auch die der antimuslimischen Taten. Auch andere Verbrechen islamistischer Gruppen nahmen Rassist*innen zuletzt zum Anlass für Angriffe: So stieg etwa die Zahl der Vorfälle nach dem Messerangriff von Solingen deutlich an. Dort waren im Herbst 2024 drei Menschen erstochen worden, mutmaßlich durch einen Syrer mit Verbindungen zum sogenannten „Islamischen Staat“.
Kampf gegen Rassismus braucht Geld
Befördert wurde Rassismus wohl auch durch Politiker*innen, die gegen Geflüchtete und Migrant*innen aus überwiegend muslimischen Ländern hetzen. Hanano sagte, es sei ein „gesellschaftliches Klima“ entstanden, das Rassist*innen bestärke.
Um dagegen anzukämpfen, schlägt Claim eine ganze Reihe von Maßnahmen vor. So müsse zunächst insbesondere die Erfassung von Vorfällen weiter verbessert werden, das Dunkelfeld sei derzeit wohl sehr groß. Außerdem müssten Schutz und Beratungsangebote für Betroffene ausgebaut werden. Und dafür brauche es wiederum endlich eine gesicherte Finanzierung zivilgesellschaftlicher Projekte.
Die Antirassismusbeauftragte der Bundesregierung, Natalie Pawlik, sagte zu den neuen Zahlen: „Wir müssen das ganze Ausmaß von antimuslimischem Rassismus benennen und deutlich dagegen vorgehen.“ Die Grünen-Abgeordneten Lamya Kaddor, und Schahina Gambir sagten: „Die Verrohung der Sprache und die Verschiebung des Diskurses haben enorme Auswirkungen auf Menschen in diesem Land.“ Sie forderten eine „entschlossene Gesamtstrategie gegen antimuslimischen Rassismus“.
Der SPD-Abgeordnete Helge Lindh sagte, Beratungsangebote seien ein wichtiges Mittel, um gegen Rassismus anzukämpfen. Er sieht aber auch öffentliche Einrichtungen wie etwa Schulen in der Pflicht. Im Gespräch mit der taz betonte Lindh zudem, wie massiv Musliminnen betroffen sind: „Viele Musliminnen haben zu Recht den Eindruck, dass ihnen unter dem Deckmantel von Fortschrittlichkeit und Befreiung von Unterdrückung de facto das Recht auf Selbstbestimmung und eigenen Willen abgesprochen wird.“ Das sei etwa der Fall, wenn das Kopftuch als Symbol für Rückschrittlichkeit stigmatisiert werde. Solche „vermeintlichen Befreiungsversuche“ erlebten Betroffene oft „als Einkerkerung“.
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