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Anti-LGBTQ+-Gesetz in GeorgienKO-Schlag gegen Queere

Kommentar von Barbara Oertel

Erst geraten die NGOs ins Visier von Georgiens Regierungspartei KO, jetzt ist es die Queer Community. Einem EU-Beitritt kommt das Land so nicht näher.

Proteste gegen Homophobie in Tiflis im Mai 2017 Foto: Shakh Aivazov/ap/picture alliance

M it Volldampf Richtung Moskau, als gäbe es kein Morgen: Gerade erst hat die georgische Führung das „Agentengesetz“ durchgedrückt und kann sich jetzt an die Abwicklung von lästigen, westlich finanzierten Nichtregierungsorganisationen machen, da folgt auch schon der nächste Schlag: Diesmal trifft der Bannstrahl der Regierungspartei Georgischer Traum (KO) Angehörige der LGBTQ+-Community.

Vorgeblich soll dieses Gesetzes­paket Familienwerte und Minderjährige schützen. Es weist erstaunliche Ähnlichkeiten, die natürlich rein zufällig sind, mit entsprechenden russischen Vorschriften auf.

So sind Kundgebungen, bei denen für die Rechte queerer Menschen „geworben“ wird, genauso untersagt wie Geschlechtsangleichungen und Adoptionen durch gleichgeschlechtliche Paare. Das Verbot, jemanden wegen seiner/ihrer sexuellen Orientierung am Arbeitsplatz zu diskriminieren, wird aufgehoben. Sollte auch dieses menschenverachtende Machwerk in Kraft treten, wären queere Menschen – in der Südkaukasusrepublik ohnehin schon vogelfrei – künftig ganz „legal“ zum Abschuss freigegeben.

Was die KO umtreibt, ist nicht schwer zu erraten. Vor allem da, wo es um die Lösung sozialer und wirtschaftlicher Probleme geht, hat die Regierung absolut nichts vorzuweisen. Im Herbst stehen Parlamentswahlen an. Und da gilt es, jetzt vor allem, auch die konservative Wäh­le­r*in­nen­schaft zu befriedigen. Besonders perfide dabei ist, dass dies um den Preis einer wachsenden Polarisierung in der Gesellschaft geschieht und potenzielle Konflikte auf dem Rücken einer ohnehin schon vulnerablen Gruppe ausgetragen werden.

Für die EU, die Georgien 2023 den Kandidatenstatus zuerkannt hat, ist dieser jüngste Vorstoß eine weitere Provokation. Brüssel kann eigentlich gar nicht mehr anders, als den Integrationsprozess einzufrieren. Das wäre vor allem für junge Geor­gie­r*in­nen eine bittere Enttäuschung. Noch vor Kurzem standen viele von ihnen mit Europaflaggen vor dem Parlament in der Hauptstadt Tiflis. Solche Bilder könnten bald wieder um die Welt gehen.

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Ressortleiterin Ausland
Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.
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8 Kommentare

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  • Menschenrechte sind unabhängig von der Bettpräferenz, sollten es zumindest sein. Dies ist sicher aber nicht das einzige Kriterium für EU-Beitritte, und auch das ist gut so.

  • Für queren Menschen ist dies sicher ein schwerer Schlag wenn es auch wenige betrifft.



    Ich denke aber dass dieses Gesetz gegen diese Menschen die meisten Georgier, die sehr fromm und konservativ sind, mit Gelassenheit aufnehmen. Wir dürfen nicht mit den westlichen Maßstäben messen.

    Dass die Finanzströme der NGO's öffentlich gemacht werden müssen finde ich nicht sehr tragisch (in den USA ist das auch Plicht) da ich an deren Objektivität sehr zweifle.

    • @AndreasHofer:

      Nein. Es ist ein Schlag gegen die Menschheit. Zumindest, wenn man Solidarität nicht als Grundhaltung eines nur westlichen Maßstabs sieht, und wenn man die Verleumdung und Verfolgung Unschuldiger nicht als logische Konsequenz lokaler kultureller Gegebenheiten relativiert.

  • Es ist ein Drama. Die junge westlich und modern eineingestellte Bevölkerung will das Land europäisch ausrichten und die Führung orientiert sich an Moskau mit all seinen Repressionen. Das Agentengesetz und das Anti- LGBT Gesetz sind erst der Anfang.

    • @DocSnyder:

      War die Welt ohne weltweite Nachrichten nicht ein besserer Ort mit weniger Krisen?

      Soll die Georgische Regierung machen, was sie für richtig hält, unserere tut das doch auch. Polizeigewalt und Rassismus gibt es hier doch überhaupt nicht.

      • @BierzeltLeitkultur:

        Natürlich ist in Deutschland nicht alles perfekt, aber die Vorzüge und Freiheiten, die man hier genießt, sind nicht zu vergleichen mit den Verhältnissen in Georgien.



        Gibt es bei uns ein Anti LBGT Gesetz? Wie kommt man überhaupt darauf Menschen vorzuschreiben wie man zu leben oder wen man zu lieben hat.



        Kritisiert man Länder, die ihre Bevölkerung nach Kreml Vorbild kontrollieren will, kommt von vielen oft der Hinweis auf Deutschland.



        Das ist doch der sprichwörtliche Vergleich von Äpfel und Birnen und klingt oft nach Relativierung.

  • Georgien wird über kurz oder lang wieder zu Russland gehören, so wie Belarus.

    Putins Ziel ist klar, möglichst vollständig Wiederherstellung der UDSSR.

    Das wird er mit allen Mitteln vorantreiben. Die Ukraine können wir noch unterstützen, das war es dann aber.

    • @Gnutellabrot Merz:

      Nur das die meisten Menschen dort nicht Russland gehören wollen,