Anschlag vor Synagoge in Ost-Jerusalem: Sieben Menschen getötet

Gewalteskalation im Nahen Osten am Holocaust-Gedenktag: Ein Palästinenser schoss auf jüdische Gottesdienstbesucher. Das Attentat löste international Bestürzung aus.

Eine Gruppe von männlichen Gläubigen steht zusammen und trauert. Ein Mann mit Kippa hält sich die Hand vors Gesicht

Gemeindemitglieder der Synagoge in Newe Jaakow trauern am Tag danach um die Anschlagsopfer Foto: Ronen Zvulun/reuters

JERUSALEM AFP/ap | Einen Tag nach einer tödlichen Razzia der israelischen Armee im Westjordanland hat ein Palästinenser an einer Synagoge in Ost-Jerusalem sieben Menschen erschossen. Nach Angaben der Polizei wurden bei der Tat während des Schabbat am Freitagabend zudem drei weitere Menschen verletzt.

Der Angreifer näherte sich nach Polizeiangaben der Synagoge im Viertel Newe Jaakow gegen 20.15 Uhr Ortszeit und schoss dann „auf mehrere Menschen in der Umgebung“. Der Mann sei danach in einem Auto geflohen, aber kurz darauf gestellt und getötet worden.

Laut Polizei soll es sich bei dem Attentäter um einen 21-Jährigen handeln, der im seit 1967 von Israel annektierten Ostteil von Jerusalem wohnhaft ist. Nach ersten Erkenntnissen gehörte er weder einer bewaffneten Palästinensergruppe an noch war er in militante Aktivitäten verwickelt.

Inzwischen hat die israelische Polizei nach eigenen Angaben Dutzende Menschen festgenommen. Unter den insgesamt 42 zur Befragung Festgenommenen seien Familienangehörige des Attentäters sowie andere Bewohner seines Stadtteils, erklärte die Polizei am Samstag.

Der in der Nähe der Synagoge wohnende Friseur Schalom Borow sagte, er habe „den Terroristen mit seinem Auto ankommen“ sehen. Der Mann habe „in der Mitte der Kreuzung angehalten“ und „aus seinem Auto herausgeschossen“. Er habe auch dann weiter geschossen, als bereits Helfer zum Tatort geeilt seien.

Der Rettungsdienst Magen David Adom teilte mit, unter den Toten sei eine 70-jährige Frau. Ein Jerusalemer Krankenhaus erklärte, ein 15-Jähriger erhole sich nach einer Operation. Es handelte sich nach Angaben des israelischen Außenministeriums um den tödlichsten Angriff auf Israelis seit 2008. Damals wurden in einem jüdischen Seminar acht Menschen mit Schüssen getötet.

Netanjahu und Ben-Gvir besuchen Tatort

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu und der rechtsextreme Minister für nationale Sicherheit, Itamar Ben-Gvir, besuchten den Tatort noch am Freitagabend. Aus der Menge ringsum war nach Angaben von afp-Journalisten der Ruf „Tod den Arabern“ zu hören.

Nach dem Tatort-Besuch kündigte Netanjahu im Fernsehen an, dass das Sicherheitskabinett „sofortige Gegenmaßnahmen“ beschließen werde. Zugleich rief er zur Ruhe auf: Die Israelis sollten „das Recht nicht in die eigene Hand nehmen“. Verteidigungsminister Yoav Gallant brach eine private USA-Reise ab und kündigte an, „entschieden und mit aller Härte gegen den Terror“ vorzugehen.

In den Palästinensergebieten Gazastreifen und Westjordanland feierten Menschen den Anschlag. In Ramallah im Westjordanland jubelte beispielsweise eine große Menschenmenge und schwenkte palästinensische Flaggen.

International löste der Angriff Bestürzung aus. US-Präsident Joe Biden sprach von einem „schrecklichen Terrorangriff“, der auch „ein Angriff auf die zivilisierte Welt“ gewesen sei. Biden habe in einem Telefongespräch Netanjahu die „felsenfeste“ Unterstützung der USA für die Sicherheit Israels versichert, erklärte das Weiße Haus.

Der deutsche Botschafter in Israel, Steffen Seibert, sprach auf Twitter von einem „bösartigen Terrorakt gegen Juden am Holocaust-Gedenktag“. Am Freitag wurde in vielen Ländern, darunter in Deutschland, der Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung gedacht. UN-Generalsekretär António Guterres verurteilte die Tat nach Angaben eines Sprechers scharf. Es sei „besonders abscheulich, dass dieser Angriff auf eine religiöse Stätte und am internationalen Holocaust-Gedenktag stattfand“.

Der Angriff ereignete sich einen Tag nach einer Razzia der israelischen Armee im palästinensischen Flüchtlingslager Dschenin im Norden des Westjordanlands, bei der neun Palästinenser getötet wurden. Es war nach UN-Angaben die höchste Opferzahl bei einem einzigen israelischen Einsatz im Westjordanland seit dem Ende der Zweiten Intifada, dem Palästinenser-Aufstand von 2000 bis 2005.

Als Vergeltung wurden am Freitag aus dem Gazastreifen Raketen auf Israel abgefeuert. Die meisten Raketen fing die israelische Armee jedoch mit ihrem Luftabwehrsystem ab. Die radikale Palästinensergruppe Islamischer Dschihad erklärte, die Raketen seien „Teil einer Botschaft“ gewesen, um zu zeigen, dass „palästinensisches Blut nicht billig ist“. Als Reaktion auf die palästinensischen Raketenangriffe flog Israel seinerseits mehrere Luftangriffe gegen Stellungen der Hamas im Gazastreifen. Auf beiden Seiten wurden keine Verletzten gemeldet.

US-Außenminister Anthony Blinken will sich bei einem Nahost-Besuch am Montag und Dienstag um Deeskalation bemühen. Wie sein Sprecher sagte, hält Blinken, der am Sonntag bereits Ägypten besucht, auch nach dem Anschlag in Jerusalem an seinen Reiseplänen fest.

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