Gewalt im Nahen Osten: Scharfmacher an den Hebeln
Die Eskalation zwischen Israel und Palästina findet nicht im Vakuum statt. Doch USA, Europa und arabischen „Brudervölkern“ fehlt das Interesse.

Die beiden Scharfmacher auf israelischer Seite, Premier Netanjahu (r) und Itamar Ben-Gvir Foto: Ronen Zvulun/reuters
Wie erwartet eskaliert die Gewalt in Nahost. Dafür jetzt Israels neue Hardliner-Regierung verantwortlich zu machen, greift jedoch zu kurz. Die Gewaltdynamik, durch eine israelische Razzia losgetreten, wäre unter jeder Führung vorstellbar. Neun Palästinenser*innen wurden bei dem Einsatz am Donnerstag getötet, darunter Zivilist*innen. Es folgten Raketenangriffe und zwei Anschläge auf Israelis – einer am Holocaust-Gedenktag. Besonders perfide, fanden viele.
Palästinenser*innen dürften weniger den Zusammenhang mit dem Gedenktag sehen als einen mit der Razzia. Dieser Perspektivwechsel rechtfertigt nichts. Anschläge auf Zivilist*innen bleiben, was sie sind: Terror. Doch er zeigt, wo auf beiden Seiten das Problem ist. Viele in Palästina sehen in Israel nichts als eine Besatzungsmacht, keine Zivilist*innen, keinen Staat von Holocaust-Überlebenden, keine Überlebensgarantie für Jüdinnen und Juden weltweit. Hinter den Uniformen verschwindet der verletzliche Staat, der Israel auch ist.
Auf der anderen Seite ist für Außenstehende kaum vorstellbar, was eine Nachricht wie die von der Razzia für Palästinenser*innen bedeutet. Die Zahl der Getöteten im Westjordanland beträgt 30. In diesem Jahr! Kaum eine Familie dort hat nicht Mitglieder zu beklagen, die im Konflikt ums Leben gekommen sind.
Das alles ist Teil der Folie, vor der die Gewalt eskaliert. Hinzu kommen Israels Landnahme, die institutionelle Entrechtung und zunehmende Delegitimierung von palästinensischen Ansprüchen auf Land. Im neuen Koalitionsvertrag wird erstmals ein „exklusives Recht“ des jüdischen Volkes auf alle Teile Israels beansprucht. Palästinensergebiete inklusive.
Dass Palästinenser*innen, selbst Kinder, die Anschläge feierten, ist abscheulich. Es zeigt, dass Grundlegendes durcheinandergeraten ist. Was sind Zivilisten, was Kombattanten? Doch nun von einer Terrorkultur zu sprechen, hilft nicht. Dass ein 13-Jähriger auf Menschen schießt, ist nicht kulturell erklärbar. Die Eskalation findet nicht im Vakuum statt. Seit Jahren fehlen Perspektiven. Die israelische Dominanz wird ausgebaut. Erinnert sei an das Duo Trump/Netanjahu und ihren Plan, das Westjordanland nach Gutdünken aufzuteilen.
Es braucht den Willen zur Konfliktlösung. Doch die USA haben kein Interesse mehr; Europa versteckt sich hinter der Zweistaatenlösung; die arabischen „Brudervölker“ geben sich solidarisch, interessieren sich aber kaum. Und in Israel und Palästina selbst sitzen Scharfmacher am Hebel. Man war schon weiter in Nahost.
Gewalt im Nahen Osten: Scharfmacher an den Hebeln
Die Eskalation zwischen Israel und Palästina findet nicht im Vakuum statt. Doch USA, Europa und arabischen „Brudervölkern“ fehlt das Interesse.
Die beiden Scharfmacher auf israelischer Seite, Premier Netanjahu (r) und Itamar Ben-Gvir Foto: Ronen Zvulun/reuters
Wie erwartet eskaliert die Gewalt in Nahost. Dafür jetzt Israels neue Hardliner-Regierung verantwortlich zu machen, greift jedoch zu kurz. Die Gewaltdynamik, durch eine israelische Razzia losgetreten, wäre unter jeder Führung vorstellbar. Neun Palästinenser*innen wurden bei dem Einsatz am Donnerstag getötet, darunter Zivilist*innen. Es folgten Raketenangriffe und zwei Anschläge auf Israelis – einer am Holocaust-Gedenktag. Besonders perfide, fanden viele.
Palästinenser*innen dürften weniger den Zusammenhang mit dem Gedenktag sehen als einen mit der Razzia. Dieser Perspektivwechsel rechtfertigt nichts. Anschläge auf Zivilist*innen bleiben, was sie sind: Terror. Doch er zeigt, wo auf beiden Seiten das Problem ist. Viele in Palästina sehen in Israel nichts als eine Besatzungsmacht, keine Zivilist*innen, keinen Staat von Holocaust-Überlebenden, keine Überlebensgarantie für Jüdinnen und Juden weltweit. Hinter den Uniformen verschwindet der verletzliche Staat, der Israel auch ist.
Auf der anderen Seite ist für Außenstehende kaum vorstellbar, was eine Nachricht wie die von der Razzia für Palästinenser*innen bedeutet. Die Zahl der Getöteten im Westjordanland beträgt 30. In diesem Jahr! Kaum eine Familie dort hat nicht Mitglieder zu beklagen, die im Konflikt ums Leben gekommen sind.
Das alles ist Teil der Folie, vor der die Gewalt eskaliert. Hinzu kommen Israels Landnahme, die institutionelle Entrechtung und zunehmende Delegitimierung von palästinensischen Ansprüchen auf Land. Im neuen Koalitionsvertrag wird erstmals ein „exklusives Recht“ des jüdischen Volkes auf alle Teile Israels beansprucht. Palästinensergebiete inklusive.
Dass Palästinenser*innen, selbst Kinder, die Anschläge feierten, ist abscheulich. Es zeigt, dass Grundlegendes durcheinandergeraten ist. Was sind Zivilisten, was Kombattanten? Doch nun von einer Terrorkultur zu sprechen, hilft nicht. Dass ein 13-Jähriger auf Menschen schießt, ist nicht kulturell erklärbar. Die Eskalation findet nicht im Vakuum statt. Seit Jahren fehlen Perspektiven. Die israelische Dominanz wird ausgebaut. Erinnert sei an das Duo Trump/Netanjahu und ihren Plan, das Westjordanland nach Gutdünken aufzuteilen.
Es braucht den Willen zur Konfliktlösung. Doch die USA haben kein Interesse mehr; Europa versteckt sich hinter der Zweistaatenlösung; die arabischen „Brudervölker“ geben sich solidarisch, interessieren sich aber kaum. Und in Israel und Palästina selbst sitzen Scharfmacher am Hebel. Man war schon weiter in Nahost.
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Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Kommentar von
Jannis Hagmann
Redakteur Nahost
ist Redakteur für Nahost & Nordafrika (MENA). Davor: Online-CVD bei taz.de, Volontariat bei der taz und an der Evangelischen Journalistenschule Berlin, Studium der Islam- und Politikwissenschaft in Berlin und Jidda (Saudi-Arabien), Arabisch in Kairo und Damaskus. Er twittert unter twitter.com/jannishagmann
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