Neue Regierung in Israel: Alles andere als dumm

Netanjahus ultrarechte Koalitionspartner gelten als ungebildet. Vorsicht! Das ist nur geschickte Tarnung.

zwei israelische Politiker mit Kipa vor der Landesflagge

Itamar Ben-Gvir, Israels ultrarechter Minister für nationale Sicherheit, eilt zur Kabinettssitzung Foto: Ronen Zvulun/reuters

Die Enthüllungen über eine reaktionäre Untergrundbewegung, die den Sturz der deutschen Bundesregierung plante, stießen auf unterschiedlichste Reaktionen. Die einen äußerten ihre Sorge vor einer ernsthaften Bedrohung, aber nicht wenige andere betrachteten die Bewegung als seltsames Kuriosum. Ganz ähnlich wurden die Leute, die jetzt in Israels Regierungskoalition sitzen, von vielen viel zu lange verharmlost.

Itamar Ben-Gvir und seine Parteifreunde galten als „schlafende Rechte“, und selbst jetzt, da sie mit in der Regierung sitzen, werden sie in Teilen der Bevölkerung kaum als Bedrohung betrachtet. „Ja gut, sie sitzen in der Koalition, aber da werden sie sich nicht lange halten, denn dazu sind sie zu dumm“, heißt es dann.

Es liegt tatsächlich nahe, so über die Rechten zu denken: Sie sind zum großen Teil kaum gebildet und sie sprechen ein primitives Hebräisch. Mehr noch: Ihre Haltungen und ihr Stil lassen darauf schließen, dass sie Bildung und Intellektuelle verabscheuen.

In dieser Hinsicht unterscheiden sie sich nicht wesentlich von den europäischen Rechten seit Beginn des 20. Jahrhunderts oder den Trumpisten in den USA. Nur dass sie in Israel eine Kippa tragen und sich als authentische Vertreter des Judentums identifizieren.

Klar, dass diese Perspektive trügt, denn sie sind auf ihre Art alles andere als dumm. Sie sind geradezu Experten darin, sich selbst zu vermarkten. Sie verstehen ihre Zielgruppe und wie man sie erreicht. Ihre Klientel setzt sich aus Menschen zusammen, die mit leicht verständlichen Slogans ohne jede Komplexität angesprochen werden wollen.

Die Kunst der simplen Botschaften

Völlig klar, dass nicht alle Araber Terroristen und Mörder sind, klar auch, dass der Gazastreifen kein Gebilde ist, dem man ein Markenzeichen aufkleben könnte, sondern dass dort interne Machtkämpfe unterschiedlichster politischer Strömungen stattfinden und mehr. Nur ist das den meisten in Israel zu kompliziert. Itamar Ben-Gvir und seinesgleichen verstehen sich auf die Kunst der simplen Botschaften und liefern ihrer Klientel genau das, was sie braucht.

Doch im Grunde ist ihre Raffinesse viel hinterhältiger: In den vielen Jahren rechter Regierungungen entstand ein Bildungssystem, das weder für Bildung noch für Anregung zu kritischem und komplexem Denken sorgt, sondern für Oberflächlichkeit und Ignoranz. So auch auf dem Zeitungsmarkt und dem Rundfunk: Eine seriöse Zeitung nach der anderen musste aufgeben, stattdessen rückten andere Blätter auf den Markt, denen gegenüber sogar die Bild-Zeitung noch als anspruchsvoll erscheint. Auch im Fernsehen verbreiteten sich neue Kanäle im Stil von RTL2.

So schuf die israelische Rechte eine Öffentlichkeit, die Ignoranz der Bildung vorzieht und die gar nicht mehr in der Lage ist, mit komplexen Botschaften umzugehen. Diese Öffentlichkeit gibt bei den Wahlen ihre Stimme ein ums andere Mal rechten Parteien, dabei jedes Mal ein wenig radikaleren Rechten.

Israels Linke reagiert auf diese Realität mit alten Mitteln und alter Sprache, doch die Zahl derer, die diese alte Sprache überhaupt noch verstehen, nimmt dramatisch ab. Debatten der Linken, die sich aktuell in zahllosen Gruppen auf Whatsapp und Facebook abspielen, sind im Grunde ein interner Diskurs, an dem die breite israelische Öffentlichkeit nicht das geringste Interesse hat, ihm nicht folgen kann und dem sie zutiefst ablehnend gegenübersteht.

Die Linke spricht über Gewaltenteilung und Humanismus, und die israelische Öffentlichkeit begreift nicht, worum es geht. Und während die linken Weisen weiter untereinander streiten, halten die Narren die Öffentlichkeit und die Regierung immer fester im Griff.

Aus dem Hebräischen von Susanne Knaul

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