Anschlag in Straßburg: Gelbwesten wittern Verschwörung
Das Attentat trifft Frankreich in einer äußerst angespannten politischen Lage. Jetzt machen Verschwörungstheorien die Runde.
Damit spielt sie auf den Status der Personen an, die in Frankreich einen sogenannten fichier S haben. So wie der Attentäter in Straßburg. Gemeint sind Personen, die bei den Geheimdiensten in einer Akte gelistet sind, weil sie in der Vergangenheit mit radikalen Vereinigungen oder extremistischem Gedankengut in Verbindung gebracht wurden. In der Akte werden Informationen gesammelt, aber es gibt keine dauerhafte Überwachung. Solange radikalisierte Personen nicht auffällig werden, dürfen sie weder festgenommen noch des Landes verwiesen werden.
Der rechtskonservative Politiker Nicolas Dupont-Aignan äußerte sich noch deutlicher als Marine Le Pen. Per Twitter forderte er die Regierung auf, alle Ausländer, die sich eines Verbrechens schuldig machen, des Landes zu verweisen. Er kritisierte zudem, dass den Geheimdiensten bekannte Personen, die eine Akte besitzen, sich frei bewegen dürfen, da sie wie das Attentat in Straßburg gezeigt hätte, bereit wären jederzeit zuzuschlagen.
Gegen Vorwürfe dieser Art wehrt sich Cédric Villani, Abgeordneter von Emmanuel Macrons Partei La République En Marche (LREM) der Region Essonne. Er warf im französischen Fernsehen Marine Le Pen vor, die Situation politisch auszunutzen, während es noch Verletzte im kritischen Zustand gibt. Er warnte davor, voreilig Schlüsse zu ziehen. Villani wies daraufhin, dass auch soziale Netzwerke in dieser Situation einen „Manipulationsraum“ darstellen.
Gelbwesten wittern ein Ablenkungsmanöver
Das Attentat trifft Frankreich in einer äußerst angespannten politischen Lage. Montagabend hielt Präsident Macron eine Rede, um auf die anhaltenden Proteste der Gelbwesten zu reagieren. Diese hatten weitere Proteste angekündigt. Auf verschiedenen Facebook-Seiten, sowie außerhalb der politischen Bewegung, häufen sich Kommentare, in denen das Attentat als Ablenkung der Regierung für den bevorstehenden fünften Demonstrationsakt am kommenden Samstag beschrieben wird.
Besonders viel Aufmerksamkeit erhält Maxime Nicolle. Nicolle, auch bekannt unter seinem Pseudonym Fly Rider, tritt seit Beginn der Bewegung in den Medien auf, um die Forderungen der Gelbwesten zu verteidigen. Er war auch zu einem der ersten Treffen mit der Regierung eingeladen.
Auf seinem Facebook-Kanal veröffentlichte Nicolle ein Video, in dem er sagt: „Der Typ, der ein Attentat machen will, der wartet doch nicht auf drei Personen abends um 20 Uhr in den Straßen….“ So jemand würde auf die Champs-Elysées gehen und sich inmitten von Tausenden von Menschen in die Luft sprengen. Sein umstrittenes Video wurde von dem Twitter Account Conspiracy Watch geteilt, die auf Verschwörungstheorien aufmerksam machen.
Darüber finden sich weitere Stimmen aus den sozialen Netzwerken, die der Regierung oder Emmanuel Macron vorwerfen, das Attentat selbst organisiert zu haben, um von den Forderungen der Gelbwesten abzulenken. Vor allem auf der Facebook-Gruppe „La France en colère“ aber auch auf anderen Gelbwesten-Seiten sah man schon am Abend des Attentates viele Kommentare dieser Art. Mittlerweile wurden sie von den Gruppenverwaltern wieder gelöscht, wohl aus Respekt vor den Opfern des Anschlages. Laurent Nunez, Staatssekretär für Inneres, reagierte prompt auf diese Aussagen. Er zeigte sich empört über die Anschuldigungen. Für ihn handelt es sich eindeutig im Verschwörungstheorien.
Demonstrationsrecht in Straßburg eingeschränkt
Wie geht es nun weiter mit den Gelbwesten? Staatssekretär Nunez sagte dem französischen Radiosender France Inter, dass es für die Sicherheitskräfte schwierig werde, an zwei Fronten gleichzeitig aktiv zu sein. Bekannt ist bisher, dass Militäreinheiten der Operation Sentinelle die Polizeieinheiten aufstocken. Demonstrationen der Gelbwesten sind am Tag des Attentats in Straßburg verboten, um die Suche nach dem Täter nicht zu behindern. Im Rest des Landes sind sie jedoch weiterhin erlaubt. Auch die Demonstrationen am kommenden Samstag sollen stattfinden dürfen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Matheleistungen an Grundschulen
Ein Viertel kann nicht richtig rechnen
Innenminister zur Migrationspolitik
Härter, immer härter
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Börsen-Rekordhoch
Der DAX ist nicht alles