Annalena Baerbock in Saudi-Arabien: Pragmatismus am Golf
Der Besuch in Saudi-Arabien war für die Außenministerin nicht leicht. Das Land ist ein schwieriger Partner – aber auch eine wichtige Regionalmacht.
Doch die Menschenrechte in Saudi-Arabien spielten eine untergeordnete Rolle bei Baerbocks Besuch. Im Fokus der Reise stand der Krieg in Jemen. In der Rotmeerstadt Dschiddah traf sich die Außenministerin am Dienstag mit dem UN-Nothilfe-Koordinator im Jemen, David Gressley, sowie mit ihrem jemenitischen Amtskollegen Ahmed bin Mubaraka.
Baerbock forderte einen Waffenstillstand und sprach von einem „Hoffnungsschimmer“, dass Bewegung in den Jemenkonflikt kommen könnte. Zuletzt hatten sich die Regionalmächte Saudi-Arabien und Iran einander angenähert.
Saudi-Arabien ist aktive Kriegspartei in Jemen und neben Iran einer der wichtigsten Akteure in dem Land. 2015 hatte Riad im Rahmen einer Militärkoalition in den Krieg eingegriffen, doch seit einigen Jahren schon suchen die Saudis einen Ausweg aus dem kostspieligen Konflikt.
Baerbock will „belastbare Kanäle“
Deutschland lag 2022 mit rund 198 Millionen Euro auf Platz zwei der größten humanitären Geber für Jemen. Im Februar hat Deutschland weitere 120 Millionen Euro für 2023 angekündigt. Zugleich ist Deutschland allerdings ein wichtiger Waffenlieferant Saudi-Arabiens. Dem Königreich werden im Jemenkrieg Menschenrechtsverstöße und Kriegsverbrechen vorgeworfen. Bei saudischen Luftangriffen in Jemen sind immer wieder Zivilist*innen getötet worden.
Nicht nur das verdeutlicht, dass Saudi-Arabien zwar ein wichtiger, aber kein unproblematischer Partner ist. Ende 2018 hatte die Tötung des Journalisten Jamal Khashoggi Riads Beziehungen zu etlichen Ländern stark belastet. Die Große Koalition unter Merkel hatte als Reaktion die Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien weitgehend gestoppt. Die damalige Opposition, unter anderem die Grünen, hatten dahingehend Druck gemacht. Neben dem Fall Khashoggi wurde als Grund für den Exportstopp die saudische Rolle im Jemenkrieg angeführt.
Rüstungsgüter für Saudi-Arabien
Die rot-grüne Regierung unter Scholz machte 2022 dann allerdings starken Gebrauch von Ausnahmeregelungen und genehmigte die Lieferung von Rüstungsgütern im Wert von 44,2 Millionen Euro nach Saudi-Arabien – deutlich mehr als in den vergangenen Jahren und so viel wie seit 2018 nicht mehr.
Die Führung in Riad ihrerseits will einen Schlussstrich unter die Verwerfungen der Vergangenheit ziehen und tut sich aktuell als einflussreiche Regionalmacht hervor. Zuletzt hatte Saudi-Arabien nach Ausbruch des Kriegs in Sudan die Evakuierung von rund 8.000 Menschen nach Dschiddah unterstützt.
Auch haben die sudanesischen Kriegsparteien unter saudischer Vermittlung in Dschiddah Gespräche geführt. „Saudi-Arabien macht seinen Einfluss geltend, Lösungen für die Krisen in der Region zu finden. Das macht Saudi-Arabien zu einem Partner, zu dem wir belastbare Kanäle brauchen“, hieß es anlässlich der Golfreise Baerbocks aus dem Auswärtigen Amt.
Auf Baerbock folgt Assad
Um nicht nur Realpolitik zu betreiben, besuchte Baerbock am Montag denn auch noch das neue Kulturzentrum Hayy Jameel in Jeddah, das auch mit dem Goethe-Institut zusammenarbeitet. Das Treffen mit der Kreativszene, die in Saudi-Arabien im Rahmen der von oben gesteuerten Öffnung des Landes aktuell boomt, sollte offenbar verdeutlichen, dass man in Saudi-Arabien auch die Zivilgesellschaft und die Menschenrechte im Blick behalte.
In Dschiddah steht als Nächstes ein Gipfel der Arabischen Liga an, der am Freitag beginnt. Erstmals seit Ausbruch des Syrienkriegs 2011 und der Suspendierung des Landes aus der Liga ist zu diesem Gipfel auch wieder Machthaber und Kriegsverbrecher Baschar al-Assad eingeladen.
Bemerkenswert waren Baerbocks Kommentare zum Thema bei einer Pressekonferenz in Dschiddah am Montag: Sie sprach sich gegen eine „bedingungslose Normalisierung“ aus, zeigte zugleich aber Verständnis für die Politik der arabischen Staaten. „Wenn ich mich in die Haut der Nachbarn versetze, kann ich verstehen, dass sie sagen, es kann nicht so weitergehen, dass wir sagen, die Lage ist unerträglich und dann passiert weiter nichts.“
In Katar will Baerbock nun bis Mittwoch Gespräche führen. Neben regionalpolitischen Themen sind auch Gespräche zum Thema Arbeitnehmer*innen-Rechte geplant, das vor und während der Fußballweltmeisterschaft in Katar im letzten Jahr für Schlagzeilen gesorgt hatte.
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