Angriffe auf Journalist*innen: Arbeiten unter Pressefeinden
252 Angriffe auf Journalist*innen gab es 2020 in Deutschland. Ein Großteil der Angriffe ging von „Querdenken“-Demos aus.
D ie Zahl ist erschütternd: 252 Angriffe auf Journalist*innen gab es im vergangenen Jahr in Deutschland. Das hat die Bundesregierung gerade auf eine Kleine Anfrage der Grünen geantwortet. 252. Das sind mehr als doppelt so viele wie im Jahr zuvor. Dazu zählen Körperverletzung, Nötigung, Bedrohung, Brandstiftung, Raub.
Ein großer Teil dieser Angriffe ging von Demonstrationen aus, viele von Anti-Coronademos. Sie kommen also von Menschen, die eine „Coronadiktatur“ aufziehen sehen, die Coronamaßnahmen mit dem Ermächtigungsgesetz der Nazis vergleichen und einen „Putsch gegen das Grundgesetz“ vermuten. Von Menschen, die sich für die letzten Freiheitskämpfer*innen halten, in einem Land, das von einer Despotin regiert wird. In Wirklichkeit greifen diese Menschen aber etwas sehr Fundamentales einer freien Gesellschaft an, nämlich die Presse.
Die Grünen fragen in ihrem Papier die Bundesregierung auch, welche Schlüsse sie daraus zieht, dass in Teilen der Gesellschaft offenbar eine zunehmende Feindseligkeit gegenüber Medien wachse. Die Bundesregierung will von so einer „Verallgemeinerung“ nichts wissen. Dabei lassen ihre eigenen Zahlen auf eine allgemeine Aussage schließen: 144 Angriffe waren rechts motiviert.
Sachsen ist laut der Statistik das Bundesland, in dem Journalist*innen am häufigsten angegriffen werden. Man muss also gar nicht erst Washington-Korrespondent werden, um den Pressefeinden gegenüberzustehen. Demos in Sachsen sind der gefährlichste Ort für Journalist*innen in Deutschland.
Ein interessanter Gegensatz
Man kann nur allen dankbar sein, die weiter von dort berichten. Die ihr Mikrofone und Kameras in diese Massen halten. Die unbeirrt arbeiten, wenn sie von Demonstrant*innen bedroht werden oder von der Polizei am Arbeiten gehindert werden.
Denn da sind wir beim zweiten Problem: bei einer Polizei, die Journalist*innen auf Demos nicht schützt, sondern schikaniert. Der Presserat hat im Herbst neue Verhaltensgrundsätze für Medien und Polizei erarbeitet. Darin steht zum Beispiel, dass die Polizei sich verpflichtet, Journalist*innen zu schützen und damit die Berichterstattung zu ermöglichen, während Journalist*innen sich verpflichten, die Polizei nicht bei ihrer Arbeit zu behindern.
Dieses Papier sollte auf der Innenministerkonferenz im vergangenen Dezember auf die Tagesordnung kommen. So wollte es der Presserat und so hatte es der Chef der Innenministerkonferenz, Georg Maier (SPD), angekündigt. Durch die Anfrage der Grünen kam nun heraus: Das Papier wurde dort nicht besprochen.
Es ist schon ein interessanter Gegensatz. Wenn eine taz-Autor*in polemisch in einer Kolumne die Polizei kritisiert, läuft der Bundesinnenminister die Wände hoch und droht mit einer Strafanzeige. Wenn der Presserat die Innenminister bittet, die Polizei zum Schutz der Presse mehr in die Pflicht zu nehmen, passiert: nix. Und das bei 252 Angriffen auf Journalist*innen in einem Jahr.
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