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Angriffe auf FlüchtlingsheimeTäter sind turboradikalisiert

Im NRW gab es bis Anfang Juni 114 Straftaten gegen Flüchtlingsunterkünfte. Zwei Drittel der Täter waren zuvor nicht in der rechtsextremen Szene aufgefallen.

Hässlich: rechte Schmierereien an einer Unterkunft für Geflüchtete in Waltrop (NRW) Foto: dpa

Düsseldorf afp | Bei Anschlägen auf Flüchtlingsheime in Nordrhein-Westfalen sind nach Beobachtungen des Landesverfassungsschutzes 66 Prozent der Tatverdächtigen zuvor nicht in der organisierten rechtsextremen Szene aufgefallen. „Es gibt einen neuen Tätertyp, der sich schnell radikalisiert und die Schwelle von der Ideologie zum Anschlag ohne Zwischenschritte überspringt“, warnte Landesinnenminister Ralf Jäger (SPD) am Montag bei der Vorstellung des aktuellen NRW-Verfassungsschutzberichts in Düsseldorf.

Demnach gab es bis Anfang Juni im bevölkerungsreichsten Bundesland 114 politisch motivierte Taten gegen Flüchtlingsunterkünfte, 22 davon waren Gewaltdelikte. Zwei Drittel der mutmaßlichen Täter waren zuvor noch nicht als rechte Gewalttäter aufgefallen.

„Diese Turboradikalisierung rechtzeitig zu erkennen, ist besonders schwierig“, erklärte Jäger. Notwendig sei ein stärkeres gesellschaftliches Bewusstsein. Alle seien aufgefordert, „für unsere Freiheit und Demokratie einzutreten“.

Die Gefahr durch extremistische Salafisten weist der Bericht des NRW-Verfassungsschutzes weiter als hoch aus. „Der Terror kann heute jeden an fast jedem Ort treffen“, betonte Jäger. Als Täter kämen Syrien-Rückkehrer, aber auch über Flüchtlingsrouten eingesickerte Extremisten oder von der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat inspirierte Attentäter in Betracht, die mit einfachsten Mitteln plötzlich zuschlügen.

Jäger kündigte an, dass die Sicherheitsbehörden gegen politisch motivierte Gewalt weiter rigoros vorgehen würden. Die Menschen könnten sich darauf verlassen, „dass der Staat da zeigt, was in ihm steckt und sie schützt“.

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10 Kommentare

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  • turboradikalisiert, gehts denen noch gut?!? Nur weil unser Staat grundsätzlich rechts blind ist. Jahre nach dem NSU und die Pfeiffer haben nichts gelernt als immer noch beklopptere Wörter für den Scheiß auf unseren Straßen zu erfinden.

  • „dass der Staat da zeigt, was in ihm steckt ...“ Erinnert mich an diese Werbung...

  • 3G
    32795 (Profil gelöscht)

    Spontane Selbstradikalisierung? Klingt einleuchtend...

    • @32795 (Profil gelöscht):

      Seitdem ich das heute morgen gelesen habe, frage ich mich schon was das genau auf sich hat. Ich würde sagen, die waren auch vorher schon extrem und radikal eingestellt, haben sich aber in der Regel nicht getraut das auszuleben. Dank Pegida, AfD etc. ist die Hemmschwelle gesunken. Wenn man jetzt von spontaner Radikalisierung spricht, wird der Eindruck erweckt, als ob es gewisse Problemgruppen vorher nicht gab. Doch die gab es, es wurde (und wird) halt nur gerne in die andere Richtung geschaut.

      • 3G
        32795 (Profil gelöscht)
        @JoWall:

        Ne, das ist purer Hass ohne die rechte Ideologie. Der "normale" Weg ist ja der bei dem zuerst die Ideologie aus der Szene kommt, hier lässt man die Verstetigung der Ideologie weg und beginnt schon früh damit Feuer zu legen.

         

        Das ist keine "rechte" Gewalt in einem ideologischen Sinn, das sind "unideologisch rechte" Hassverbrechen.

         

        Genau darum helfen da die alten Mittelchen nicht, der klassische Kampf gegen Rechts erreicht diese Tätergruppe gar nicht....

        • @32795 (Profil gelöscht):

          welche "alten Mittelchen" bagatellisieren und wegschauen?

        • @32795 (Profil gelöscht):

          Den "klassischen Kampf gegen Rechts" gab es staatlicherseits doch noch gar nicht. Wohl auch deshalb haben sich rechtsradikale Vorstellungen in diese Gesellschaft so tief einbrennen können, ohne dass sie überhaupt noch als Ideologie wahrgenommen werden. Mittlerweile wird über Rechtsradikalismus ähnlich gleichgültig hinweggesehen wird, wie über regelmäßigen Alkoholmissbrauch. Motto: "Ist nicht schön, kostet auch viele Menschenleben, aber gehört ja irgendwie zum Alltag."

  • "Zwei Drittel der Täter waren zuvor nicht in der rechtsextremen Szene aufgefallen."

     

    Wie denn auch, wenn man auf Frühwarnsysteme hinsichtlich Rechtsextremismus seit Jahrzehnten komplett verzichtet und ständig die zahlreichen rechtsextremen Übergriffe auch noch verharmlost. Stattdessen wird intensiv und rund um die Uhr hinter Journalisten und engagierte Bürger, die die Polizei nach eigenem Gutdünken als "links" (also irgendwie gefährlich) eingeordnet hat, hinterhergeschnüffelt.

    Die These von der "schnellen Radikalisierung" bei Rechtsextremisten ist ein schlechter Witz und ein erkennbares Ablenkungsmanöver von Fehleinschätzungen und teilweise auch von fortschreitenden rechtsextremistischen Tendenzen in den eigenen Reihen der Polizei. Mich überzeugt das überhaupt nicht und beruhigen kann das wohl nur völlig schmerzfreie Ignoranten.

  • Meint die afp das ernst mit dem vorletzten Absatz oder ist der nur zufällig da reingerutscht? Alles in einem Abwasch, schwache Leistung.

    • @TV:

      Der Artikel handelt von der Vorstellung des aktuellen Verfassungsschutz-Berichts. Da steht nunmal von allem was drin.