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Andreas Speit Der rechte RandWie Polizist:innen für „Aufklärung“ schwurbeln

Foto: Jungsfoto: dpa

Die Aktionen der Querdenken- und Coronaleugnungsbewegung gegen die staatlichen Pandemiemaßnahmen halten an, ihre Strukturen werden weiter ausgebaut. In Tangstedt nahe Hamburg hat ein neuer Verein seinen Sitz: „Polizisten für Aufklärung e.V.“. Dem Kürzel „i.G.“ auf der Webseite des „Vereins für die Bürger in Uniform“ ist zu entnehmen, dass die Gründung noch nicht ganz offiziell abgeschlossen ist.

Die Mitglieder des Vereins aus der schleswig-holsteinischen Gemeinde kommen aus dem gesamten Bundesgebiet. Den Vereinsvorsitz hat etwa Karl Hilz aus München inne. Er war über 40 Jahre im Polizeidienst der bayrischen Landeshauptstadt. Heute ist er bei Querdenken aktiv, schimpft auf der Bühne gegen das neue Infektionsschutzgesetz als „Ermächtigungsgesetz“ und trägt bei Demonstrationen das Erkennungszeichen der Widerstandsgruppe um Hans und Sophie Scholl: die „Weiße Rose“. Das ist die gängige Symbolik dieser Bewegung und soll den vermeintlich berechtigten Widerstand gegen „Merkel-Diktatur“ und kommenden Faschismus ausrufen.

Das Vereinsschatzmeisteramt hat Michael Fritsch übernommen. Der Kriminalhauptkommissar aus Hannover wetterte bei Querdenken-Protesten, dass die Maßnahmen Demokratie, Rechtsstaat und Gewaltenteilung aushebeln würden: „Wir haben eine völlige Willkür.“ Und er weiß, dass die DDR „uns etwas vorausgehabt“ hätte: „eine Verfassung“ nämlich. Wir hätten nur „ein Grundgesetz, das immer noch vorläufig“ sei. Über seine Kollegen wüsste der Polizist, dass viele in Ordnung seien. Doch hätten eben auch „viele Kräfte in Polizeiuniform“ bei der Demonstration „diesen Beruf nicht gelernt“. Für ihn seien das „gekaufte Söldner“. Bereits im August 2020 hat die Polizeidirektion Hannover Fritsch suspendiert, die Ermittlungen laufen noch.

Andreas Speitarbeitet als freier Journalist und Autor über die rechte Szene nicht nur in Norddeutschland.

Der Name des Vereins orientiert sich an Vorbildern aus der Bewegung, wie etwa „Ärzte für Aufklärung“ oder „Anwälte für Aufklärung“. Auch die Adresse in Tangstedt deckt sich mit der Kanzlei von Ivan Künnemann. Der Rechtsanwalt tritt für die Anwälte für Aufklärung auf. Als „kurzfristiges Ziel“ möchte der Verein der verschwörungsnahen Po­li­zis­t:in­nen eine „Anlaufstelle sein für „aktive und passive Beamten in Uniform und Mitarbeiter von Institutionen für zivile und militäre Sicherheit und Ordnung“. Falls sie Fragen haben oder Unterstützung bräuchten, weil sie wegen „der aktuellen Lage verunsichert, besorgt oder unzufrieden“ seien. Kurz: Sie wollen in den Sicherheitsstrukturen weiteres Personal für die Bewegung gewinnen. Der Jahresbeitrag beträgt 60 Euro. Bei Telegram hat der Verein „14.220 Abonnenten“. Hier werden sie auch noch etwas deutlicher: „Gemeinsam gegen den Great Reset“, wird dort gefordert, „schließt euch an!“

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