An der griechisch-mazedonischen Grenze: Ein Lächeln für „Bananaman“
In Idomeni ist die Lage nach wie vor desolat. Eine konzertierte Aktion, die Grenze nach Mazedonien zu überqueren, stößt auf viel Kritik.
Auch an diesem Mittwochmorgen regnet es, die Zelte drohen in Schlamm und Morast zu versinken. Die Menschen sind ernst und bedrückt. Nur der „Bananaman“, ein junger holländischer freiwilliger Helfer, der jeden Tag von Unterstützern aus der Heimat finanzierte 2.000 Bananen an die Kinder verteilt, sorgt für lachende Gesichter bei den Kleinen, die ihn umringen und umarmen.
Im ganzen Lager wird noch über den Montag diskutiert, als 2.000 Flüchtlinge ein paar Kilometer entfernt versuchten, die Grenze Mazedoniens zu überqueren. Selbst ein reißender Fluss konnte sie nicht aufhalten.
Was sie dann erlebten, schildern die Mitzwanziger Halid Abu Shami, Momen Muhammed, Iyadmoneef Hamdan, die Palästinenser aus dem Gazastreifen sind, so: „Wir standen im Wasser, waren vollkommen durchnässt, haben aber den Frauen und Kindern geholfen, ans andere Ufer zu kommen.“ Als sie versucht hätten weiterzugehen, seien sie von mazedonischen Polizisten und Soldaten empfangen worden. „Sie schlugen mit Gummiknüppeln auf uns ein. Sie haben sogar die Frauen traktiert und weinende Kinder angeschrien.“
Sie seien von den Sicherheitskräften in Gruppen zu jeweils 50 Personen aufgeteilt und stundenlang in der Kälte und dem Regen stehen gelassen worden, bestätigt Ibrahim Bablis, 46, der aus dem syrischen Aleppo stammt. „Dann haben die Polizisten die von uns mitgebrachten Zelte kaputt gemacht.“ An unterschiedlichen Stellen der Grenze zurückgebracht, sei den jeweiligen Gruppen befohlen worden, nach Griechenland zurückzukehren. „Danach sind wir zum Lager Idomeni zurückgelaufen.“
„Nicht aus freiem Willen“
Barbar Balosh, Sprecher des UN-Hilfswerks UNHCR, fühlt sich bei den Fragen zum Montag unbehaglich. Weil er in seiner Position nicht völlig offen aussprechen kann, dass er das Vorgehen der Mazedonier missbilligt. Jetzt seien juristische Fragen aufgeworfen, sagt er aber doch. Erstens sei klar, „dass diese Menschen nicht aus freiem Willen nach Griechenland zurückgekehrt sind“.
Zweitens müssten jetzt Experten untersuchen, ob es sich „beim mazedonischen Vorgehen um eine nach internationalem Recht verbotene Rückschiebung handelt“. Zudem sei den Mitgliedern vom UNHCR, die versucht hatten, die an der Aktion beteiligten Flüchtlinge auf mazedonischer Seite zu versorgen, befohlen worden, das Gelände zu verlassen. Deshalb seien sie nicht in der Lage gewesen, den Vorgang des Zurückschickens zu beobachten.
Idomeni, ein Drama
Mohammed Hussein, 32, Syrer aus Aleppo, der witzelt, erst habe er in einem Boot die Insel Lesbos erreicht, jetzt müsse er mit dem Boot zu seinem Zelt rudern, war am Montag gegen diese Aktion. Er ist auch nicht mitgegangen. „Wir wissen, dass die Mazedonier uns nicht wollen“, meint er. „Die Aktion hat nur das Leben von vielen Menschen gefährdet.“ Er habe im ganzen Lager herumgefragt, wer hinter dem Aufruf stünde. „Keiner konnte mir sagen, wer die Organisatoren sind.“
Auch im Hotel Park in Polykastro, dem Zentrum der Internationalen Freiwilligen (Intervol), wo fleißige Hände vor dem Parkplatz an improvisierten Tischen Sandwiches und Esspakete zubereiten, will man über die Organisatoren nichts wissen. „Wir sehen die Aktion sehr kritisch, weil sie Menschen in Gefahr gebracht hat“, sagt Marta Canete, eine Portugiesin, die zum inneren Kreis von Intervol gehört. Die Umstehenden pflichten ihr bei. „Wir sind in der Lage, 9.000 Essen in das Lager zu liefern, wir konzentrieren uns darauf, den Menschen in Not mit Decken und Zelten zu helfen.“
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