piwik no script img

An der griechisch-mazedonischen GrenzeEin Lächeln für „Bananaman“

In Idomeni ist die Lage nach wie vor desolat. Eine konzertierte Aktion, die Grenze nach Mazedonien zu überqueren, stößt auf viel Kritik.

Das Lager in Idomeni am 16. März. Foto: ap

IDOMENI taz | Vielleicht kann der angekündigte Besuch der amerikanischen Schauspielerin Angelina Jolie im Lager Idomeni an der griechisch-mazedonischen Grenze die Menschen ein wenig ablenken. Doch der Lageralltag frisst eigentlich ihre Energien auf: Als Erstes morgens in einer hundert Meter langen Schlange anstehen für Sandwiches, Wasser holen, vor den Toilettenhäuschen warten, irgendwie Kleidungsstücke über den überall brennenden Feuern trocknen, aufpassen, wann der Wagen mit der Suppe kommt und dann schnell dort hinlaufen.

Auch an diesem Mittwochmorgen regnet es, die Zelte drohen in Schlamm und Morast zu versinken. Die Menschen sind ernst und bedrückt. Nur der „Bananaman“, ein junger holländischer freiwilliger Helfer, der jeden Tag von Unterstützern aus der Heimat finanzierte 2.000 Bananen an die Kinder verteilt, sorgt für lachende Gesichter bei den Kleinen, die ihn umringen und umarmen.

Im ganzen Lager wird noch über den Montag diskutiert, als 2.000 Flüchtlinge ein paar Kilometer entfernt versuchten, die Grenze Mazedoniens zu überqueren. Selbst ein reißender Fluss konnte sie nicht aufhalten.

Was sie dann erlebten, schildern die Mitzwanziger Halid Abu Shami, Momen Muhammed, Iyadmoneef Hamdan, die Palästinenser aus dem Gazastreifen sind, so: „Wir standen im Wasser, waren vollkommen durchnässt, haben aber den Frauen und Kindern geholfen, ans andere Ufer zu kommen.“ Als sie versucht hätten weiterzugehen, seien sie von mazedonischen Polizisten und Soldaten empfangen worden. „Sie schlugen mit Gummiknüppeln auf uns ein. Sie haben sogar die Frauen traktiert und weinende Kinder angeschrien.“

Sie seien von den Sicherheitskräften in Gruppen zu jeweils 50 Personen aufgeteilt und stundenlang in der Kälte und dem Regen stehen gelassen worden, bestätigt Ibrahim Bablis, 46, der aus dem syrischen Aleppo stammt. „Dann haben die Polizisten die von uns mitgebrachten Zelte kaputt gemacht.“ An unterschiedlichen Stellen der Grenze zurückgebracht, sei den jeweiligen Gruppen befohlen worden, nach Griechenland zurückzukehren. „Danach sind wir zum Lager Idomeni zurückgelaufen.“

„Nicht aus freiem Willen“

Barbar Balosh, Sprecher des UN-Hilfswerks UNHCR, fühlt sich bei den Fragen zum Montag unbehaglich. Weil er in seiner Position nicht völlig offen aussprechen kann, dass er das Vorgehen der Mazedonier missbilligt. Jetzt seien juristische Fragen aufgeworfen, sagt er aber doch. Erstens sei klar, „dass diese Menschen nicht aus freiem Willen nach Griechenland zurückgekehrt sind“.

Zweitens müssten jetzt Experten untersuchen, ob es sich „beim mazedonischen Vorgehen um eine nach internationalem Recht verbotene Rückschiebung handelt“. Zudem sei den Mitgliedern vom UNHCR, die versucht hatten, die an der Aktion beteiligten Flüchtlinge auf mazedonischer Seite zu versorgen, befohlen worden, das Gelände zu verlassen. Deshalb seien sie nicht in der Lage gewesen, den Vorgang des Zurückschickens zu beobachten.

Mohammed Hussein, 32, Syrer aus Aleppo, der witzelt, erst habe er in einem Boot die Insel Lesbos erreicht, jetzt müsse er mit dem Boot zu seinem Zelt rudern, war am Montag gegen diese Aktion. Er ist auch nicht mitgegangen. „Wir wissen, dass die Mazedonier uns nicht wollen“, meint er. „Die Aktion hat nur das Leben von vielen Menschen gefährdet.“ Er habe im ganzen Lager herumgefragt, wer hinter dem Aufruf stünde. „Keiner konnte mir sagen, wer die Organisatoren sind.“

Auch im Hotel Park in Polykastro, dem Zentrum der Internationalen Freiwilligen (Intervol), wo fleißige Hände vor dem Parkplatz an improvisierten Tischen Sandwiches und Esspakete zubereiten, will man über die Organisatoren nichts wissen. „Wir sehen die Aktion sehr kritisch, weil sie Menschen in Gefahr gebracht hat“, sagt Marta Canete, eine Portugiesin, die zum inneren Kreis von Intervol gehört. Die Umstehenden pflichten ihr bei. „Wir sind in der Lage, 9.000 Essen in das Lager zu liefern, wir konzentrieren uns darauf, den Menschen in Not mit Decken und Zelten zu helfen.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • "Zweitens müssten jetzt Experten untersuchen, ob es sich „beim mazedonischen Vorgehen um eine nach internationalem Recht verbotene Rückschiebung handelt“.

     

    Ähm, die Flüchtlinge sind aus dem EU Mitglied Griechenland ins Nicht-EU Mitglied Mazedonien eingereist - ohne Visum! Da GR als EU Mitglied als sicheres Herkunftsland eingestuft wird, kann kein Flüchtling sich auf die Genfer Flüchtlingskonvetion berufen - die gilt seit der Türkei nicht mehr, da dort kein Krieg herrscht.

    Keine Frage: Die Handlung der Flüchtlinge war gesetzeswidrig.

  • Mal sehen, was dort passiert, wenn der tolle Plan der Kanzlerin in Brüssel beschlossen wird. Nach Merkels heutigen Stellungnahmen müsste ja enorme Begeisterung unter den Flüchtlingen in Idomeni ausbrechen, wenn sie „endlich“ in die Türkei zurückgeschoben werden.

     

    Man weiß gar nicht, ob man angesichts eines derartigen Wahnsinns lachen oder weinen soll. Wenn diese Aktion auch noch als Heldentat der standhaften Humanistin verkauft und auch seitens der deutschen Opposition gepriesen wird, ist wirklich Hopfen und Malz verloren.

  • "Zudem sei den Mitgliedern vom UNHCR, die versucht hatten, die an der Aktion beteiligten Flüchtlinge auf mazedonischer Seite zu versorgen, befohlen worden, das Gelände zu verlassen."

     

    Waren die Mitgliedern vom UNHCR vorher legal in Mazedonien eingereist oder sind sie mit den Flüchtlingen gegen den Willen der Mazedonier über die Grenze gekommen?