Amtshilfe in der Corona-Krise: Militär ins Flüchtlingsheim

Die Bundeswehr unterstützt zivile Behörden in dutzenden Fällen. In Thüringen könnte sie offenbar das Hausrecht einer Flüchtlingsunterkunft übernehmen.

Soldaten tragen Essensvorräte in Kisten.

Bis jetzt verteilt die Bundeswehr nur Essen an LKW-FahrerInnen, die an der Grenze im Stau stehen Foto: Matthias Rietschel/reuters

BERLIN taz | Soldat*innen, die durch deutsche Städte patrouillieren und Ausgangssperren durchsetzen? Nach Angaben offizieller Stellen wird es dazu nicht kommen. „Es braucht sich keiner Sorgen machen, dass die Bundeswehr Coronapartys auflöst oder Ausgangsbeschränkungen überwacht“, sagte am Donnerstag Eberhard Zorn, oberster General des deutschen Militärs. Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenenbauer sagte: „Das ist nicht das, was wir tun wollen und tun können.“

Rund 50 Amtshilfeersuchen anderer Behörden liegen dem Ministerium laut Kramp-Karrenbauer derzeit vor. In keinem davon gehe es darum, dass Soldat*innen bei einem Einsatz im Inneren Polizei spielen, also beispielsweise eigenständig Menschen festnehmen. Die rechtlichen Voraussetzungen dafür wären ohnehin sehr hoch.

Stattdessen gehe es derzeit um harmlosere Tätigkeiten nach Artikel 35 (1) des Grundgesetzes, die auch außerhalb von Krisenzeiten regelmäßig vorkommen. Die Bundeswehr hilft bei Transporten mit Lastwagen aus, baut Feldbetten auf und führt in ihren Laboren Corona-Tests durch. Laut Kramp-Karrenbauer könnte die Bundeswehr in diesem Rahmen aber auch Aufgaben übernehmen, die bisher private Sicherheitsdienste ausüben – etwa die Bewachung öffentlicher Einrichtungen.

Zum Beispiel im rot-rot-grün regierten Thüringen? Das Landesverwaltungsamt hat die Bundeswehr um Unterstützung in der Erstaufnahmeeinrichtung Suhl gebeten, in der über 500 Flüchtlinge unter Quarantäne stehen und in der am Dienstag rund 150 Polizist*innen gegen Bewohner*innen vorgingen. Ein Sprecher des Migrationsministers Dirk Adams (Grüne) sagte der taz, dort gehe es um die „Betreuung und Versorgung der Geflüchteten“ durch Soldat*innen.

Bundeswehr widerspricht Landesregierung

Staatskanzleichef Benjamin Hoff (Linke) schrieb auf Twitter, in Suhl seien zivile Dienstleister ausgefallen. Das Amtshilfeersuchen drehe sich um „Versorgung für Essen und Reinigung“ und „nicht um Bewachung o.a.“. Ähnlich äußerte sich ein Sprecher der Staatskanzlei auf Nachfrage der taz.

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Allerdings hatte Kramp-Karrenbauer zuvor angedeutet, Thüringen habe um Hilfe ersucht, da in Suhl „die privaten Sicherungsdienste im Moment nicht so verfügbar sind“. Ein Bundeswehrsprecher präzisierte auf Nachfrage, das Land habe am Montag „die Abstellung von Soldaten zur (schichtfähigen) Ausübung des Hausrechts“ in Suhl beantragt.

Am Mittwoch folgte demnach ein Antrag auf „Abstellung von Soldaten zum Betrieb zusätzlicher, durch die Quarantäne der Ersthilfeeinrichtung in Suhl notwendig gewordener, provisorischer Erstaufnahmeeinrichtungen“. Bisher habe die Bundeswehr über keines der beiden Ersuche entschieden.

Der Flüchtlingsrat Thüringen kritisierte das Vorgehen der Landesregierung. Dass Hilfe der Bundeswehr angefragt wird, zeuge für „tiefgreifende Strukturprobleme“ in der Suhler Einrichtung, sagte Sprecherin Ellen Könneker der taz. „Um Retraumatisierungen der Geflüchteten zu vermeiden, muss eine zivile Kleidung der Bundeswehr in den Versorgungsdiensten sichergestellt werden, falls sie zum Einsatz kommt. Keinesfalls sollte sie für die Absicherung des Geländes eingesetzt werden“, mahnte Könneker.

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