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Ampel-Projekt im BundesratBürgergeld vorerst gescheitert

Die Umwandlung der Hartz-IV-Grundsicherung findet im Bundesrat keine Mehrheit. Der Streit wandert jetzt in den Vermittlungsausschuss.

Kämpft für das Bürgergeld: Arbeitsminister Hubertus Heil am Montag im Bundesrat Foto: Michele Tantussi/reuters

Berlin dpa/rtr | Im Streit über das geplante Bürgergeld bahnt sich ein Vermittlungsverfahren von Bundestag und Bundesrat an. Die vorige Woche vom Bundestag beschlossene Umwandlung der Hartz-IV-Grundsicherung fand am Montag in der Länderkammer keine Mehrheit. Dort ist die Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP für eine Verabschiedung auf zusätzliche Stimmen der unionsgeführten Länder angewiesen. Diese fordern aber Änderungen am Gesetzentwurf.

Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hatte im Bundesrat die Bedenken der Union gegen das Bürgergeld zurückgewiesen und um Unterstützung geworben. Zugleich betonte er in der Sondersitzung der Länderkammer: „Falls es heute noch keine Mehrheit gibt, ist meine Hand zur Lösung ausgestreckt.“ Die Bundesregierung werde noch am heutigen Tag den Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesregierung anrufen.

Im Fall einer Einigung in dem Gremium müssten Bundestag und Bundesrat erneut abstimmen. In der Koalition wurde damit gerechnet, dass der Vermittlungsausschuss frühestens Anfang kommender Woche tagen könnte. Das Gremium, dem je 16 Vertreterinnen und Vertreter von Bundestag und Bundesrat angehören, muss sich zunächst noch konstituieren.

Laut Geschäftsordnung muss zu einer Sitzung mindestens mit einem Vorlauf von fünf Tagen eingeladen werden. Informelle Vorgespräche wären aber schon vorher möglich, um Kompromisslinien abzustecken. Heil strebt eine Einigung bis Ende kommender Woche an, damit der Bundesrat in seiner regulären Sitzung am Freitag nächster Woche den Kompromiss verabschieden könnte. Nur dann wäre eine rechtzeitige Auszahlung der Erhöhung der Regelsätze in der Grundsicherung zum Jahresanfang gesichert.

Union für mehr Geld, aber gegen hohe Schonvermögen

Das Bürgergeld soll das 2005 eingeführte Arbeitslosengeld II (Hartz IV) ersetzen. Die Reform soll eine Vermittlung der Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt erleichtern, unter anderem durch mehr Qualifizierung und Weiterbildung. Auch die Möglichkeiten für Zuverdienste mit geringeren Abzügen beim Bürgergeld werden erweitert. Die monatlichen Zahlungen werden deutlich erhöht: So erhält ein Alleinstehender künftig 502 Euro und damit 53 Euro mehr monatlich zum Lebensunterhalt.

Die Erhöhung der Zahlungen will die Union mittragen. Sie lehnt vor allem die geplante Erhöhung des sogenannten Schonvermögens ab. Diese finanziellen Reserven müssen Bedürftige nicht antasten, wenn sie Bürgergeld bekommen wollen. Ein Alleinstehender etwa darf für eine Karenzzeit von zwei Jahren bis zu 60.000 Euro auf der hohen Kante haben. Der Betrag steigt mit der Zahl der Haushaltsmitglieder.

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19 Kommentare

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  • Eine traurige, beklemmende Situation. Sie birgt in meiner Sicht eine traurige Ironie.



    Die Union sollte sich hüten, jetzt einen "vollständigen" "Sieg" im Vermittlungsausschuß zu suchen. Einen, der allzu billig erreicht wird, weil er nur auf Popularität bei Teilen der Bevölkerung einfahren will.

    Denn die traurige, zornig stimmende Ironie liegt darin, dass das, was die Union "retten" will, in Wahrheit nie stattgefunden hat oder nur konzeptionslos auf der unteren Ebene der Jobcenter (Vermittlerinnen, Vermittler): das "Fördern und Fordern". Es hat meines besten Wissens nach nie ein ausgearbeitetes Konzept für "F&F" gegeben! Ich meine es sachlich ernst: F&F war eine Chimäre. Sie ließ die Vermittleren u. Vermittlern in den Jobcentern mit der "Ausgestaltung" dieses sog. Prinzieps allein - was dekonstruktiv wirkte. Studien belegen das. Sie ermöglichte der Politik eine gewollte Täuschung über die tatsächlichen Verhältnisse. Wo von Seiten der Politik über die Motivation von AL gesprochen wurde, stand dahinter fast immer auch oder nur Zwang. So konnte je nach Stimmungslagen in der Bevölkerung mal das eine, mal das andere symbolpolitisch bedient werden.

    Eigenverantwortung braucht aber Ressourcen. Ressourcen sind auch ermöglichende Regeln. Eigenverantwortung braucht Mit- u. Selbstbestimmung, ohne die keine Motivation. Auch hinsichtlich solcher Regeln als Ressourcen, standen die AL bisher fast "nackt u. blos" da. Sie ermöglichten nur wenig Eigenverantwortung hinsichtlich des Umgangs mit materiellen Ressourcen: Einsatz von Eigenmitteln aus dem Schonvermögen. Regeln im genannten Sinn waren Zwang - nicht Mitbestimmung.



    Aber wie soll ich sagen? Ist die UNION überhaupt in der Lage das zu begreifen? Dass sie an einem "echten" Fordern & Fördern mitwirken könnte?

  • Vor 1 Monat berichtete Monitor über den vermeintlichen Paradigmenwechsel. Titel der Sendung:

    "Bürgergeld: Wirklich besser als Hartz IV?"

    www.youtube.com/watch?v=OdKdL3fKrqE

    Das Fazit dieses knapp 10-minütigen Beitrags ist eher desillusionierend, wenn nicht sogar erschütternd.

    Und wenn man dann sieht, wie die CDU/CSU und AfD sich selbst gegen die kleinsten Verbesserungen stemmen, dann zeigt sich deren Menschenverachtung doch recht deutlich.

    Andererseits bekleckern sich auch SPD, Grüne und FDP mit ihrem vermeintlich neuen Konzept auch nicht gerade mit Menschenfreundlichkeit.

  • Schade, das Sitzungsprotoll ist noch nicht online.



    Hätte mich mal interessiert, ob dort in namentlicher Abstimmung abgestimmt wurde und wer dagegen gestimmt hat.



    Nur damit ich künftig passend die Straßenseite wechseln kann ...

  • Ich hätte mir gerade was das Schonvermögen betrifft eine Staffelung gewünscht. Je länger man als Arbeitnehmer eingezahlt hat, desto höher ist das Schonvermögen, desto mehr Privilegien genießt man innerhalb des Bürgergeldes. Aber das ist mit der SPD und den Grünen leider nicht zu machen.

    • @SeppW:

      ...würden Sie sich so ein System auch für die gesetzlichen Krankenkassen wünschen ?

      • @Alex_der_Wunderer:

        Nein. Wer eine Privilegierung im Gesundheitswesen genießen will kann sich ja privat versichern. Diese Möglichkeit hat man bei Hartz 4 bzw. dem Bürgergeld bedauerlicherweise nicht. Deswegen ist das System so wie es jetzt ist auch ungerecht, weil das Leistungsprinzip komplett ausgehebelt wird. Wer in das System einzahlt soll davon mehr profitieren als eine Person, die noch nie eingezahlt hat. Und je länger eingezahlt wird, desto mehr Privilegien sollte die Person genießen, wenn sie Leistungsempfänger wird.

        • @SeppW:

          Zum Komentar 23.03 h - gehe ja vollkommen konform - nur nennt sich ja unser Sozialsystem in dieser Hinsicht auch - Solidaritätssystem....



          Macht keinen Unterschied zwischen 17 jähriger Hausfrau und Mutter, wieder in anderen Umständen ohne Partner / Partnerin und einem 30 Berufsjahre nachweisenden Arbeitnehmer, der wegrationalisiert wurde...

  • ...es sollen mehr Anreitze geschaffen werden zu arbeiten ? Bei dieser Argumentation sieht man wieder einmal mehr, wie Weltfremd einige Politiker doch tatsächlich sind. Menschen wählen ihre beruflichen Tätigkeiten doch wohl in erster Linie nach ihren Interessen, interlektueller Befriedigung, Sinnfindung und nicht nur nach einem möglichen Verdienst, aus.

    • @Alex_der_Wunderer:

      Sagen wir es so : Sie wählen den Beruf nach Interessen, Befriedung und Wissen aus, wechseln ihn aber wenn er sich monetär nicht im Geringsten lohnt.



      Deswegen arbeit ich auch in der IT und bin kein Buchhändler geworden ;)

      • @SeppW:

        ...manche Literatur Interessierte, digitalisieren inzwischen Schriften und handeln Online...

        • @Alex_der_Wunderer:

          ...und verdienen trotzdem deutlich weniger als ich in meinem aktuellen Beruf.

          PS: Eine Digitalisierung bei antiquarischen Büchern lohnt sich in der Regel nicht.

          • @SeppW:

            ...wenn Sie dazu Ihrr Arbeit auch noch ausfüllt und Sinn gibt ' ist doch alles paletti .

            • @Alex_der_Wunderer:

              Das ist es ja gerade. Die Arbeit erfüllt mich nicht und einen "Lebenssinn" gibt sie mir auch nicht. Ich mache sie nur weil ich damit ein Haus abbezahlen, eine Frau, 2 Kinder, 2 Hunde, 2 Katzen und 6 Kaninchen ernähren kann. Um mehr geht es nicht.

  • Na bitte. Klappt doch: die Unionsparteien hetzen gegen die, die sich am wenigsten wehren können und schaden denen obendrein - wider besseres Wissen. Hauptsache die ideologisch fundierte Totalopposition wird in schöne Worte verkleidet und das 8.Gebot ignoriert. Na denn... Diese Gutschrift wird sich auf dem Konto ganz rechts niederschlagen. Glückwunsch.

  • Die Konservativen und Rechten setzen auf die kleinbürgerliche Rage gegen "Schmarotzer und Faulenzer" auf welche die eigenen Abstiegsängste projeziert werden. Eine Standardstrategie, die systemimmanente Ungleichheit zu moralisieren und individualisieren. Na ja, da die Realitätsverdrängung bei der Klimakrise ja leider ähnlich gut funktioniert (pöse letzte Generation RAFler machen Stau, dafür gehört Todesstrafe verhängt etc. Pp.) ist die Chose in 20-30 Jahren eh gelaufen.

  • Wer anderes erhofft hat, der hat die Politik nicht verstanden. Das uralte Konzept der Politik mit der vermeintlichen Konkurrenz der Opposition ist zunächst wieder einmal aufgegangen, das sich erneut am "sozialen Vorsorgeprinzip" verdeutlicht.

    Die "Sozialhilfe" für einige Konzerne ging recht schnell über die Bühne, und auch das "Schonvermögen" in Form von Dividenden für die Aktionäre und riesigen Vergütungen für die (Kaputt)Manager blieb weitgehend erhalten.

    Und weil alles am Ende auch bezahlt werden muß, werden dann auch in Not geratene Durchschnittsbürger "ausreichend bedacht": kalte Wohnungen, kaum bezahlbare Mieten, Lebenmittelpreissteigerungen höher als in den ersten Nachkriegsjahren, und zum Ausgleich staatliche Beihilfen oder auch Lohnerhöhungen, die in Wirklichkeit zusätzliche Kürzungen sind, weil sie deutlich unter der Inflationsrate bleiben.

    Ins Volk hineinpalaverte Neiddiskussionen retten dann das System: Diejenigen, die vor allen anderen den Schaden haben, sollen sich gegenseitig fetzen, damit niemand darauf kommt, wo der Wurm wirklich steckt, der schon immer den Schwächsten das Fleisch von den Knochen gefressen hat.

  • 6G
    652134 (Profil gelöscht)

    Was wird für ältere Arbeitnehmer getan, die kaum Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben und die oft Langzeitarbeitslose sind? Meiner Erfahrung nach sind dies



    sehr oft Menschen, die eigentlich ausgesteuert werden müssten, die aber bei den Ärzten nicht durchdringen auch weil sie dazu nicht die Energie. Es gibt in diesem Bereich sehr grausame Schicksale.



    Es gibt zudem in unserer Gesellschaft immer mehr psychisch Kranke, die aber zum Teil Angst vor einer psychiatrischen Behandlung haben (Medikamente). Wie wird mit diesen Menschen in dem System verfahren? Kann das System Gnade walten lassen? Wohl eher nicht. In Gesprächen mit Obdachlosen habe ich erfahren, dass die Angst vor einer Zwangsmedikamentation wohl nicht selten der Grund für Obdachlosigkeit ist.

  • Wie haben denn die Landesregierungen konkret abgestimmt? Welche dafür, welche dagegen, welche enthalten?

    • @Uranus:

      Bisher ist mir leider auch nur, dass sich die CDU-REGIERTEN Länder (Ministerpräsident) der Stimme enthalten haben. Bayern stimmte mit Nein.