Amnesty-Bericht zum Jemen-Krieg: Emirate liefern Waffen an Milizen
Auch Deutschland verkauft Waffen an die Vereinigten Arabischen Emirate. Die liefern sie an jemenitische Milizen. Und die töten.
Gerade erst hatte Papst Franziskus als erstes katholisches Oberhaupt überhaupt die Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) besucht, als die Menschenrechtsorganisation Amnesty International eine Studie publiziert, die die illegalen Waffengeschäfte des Golfstaates öffentlich macht. So sollen die VAE in „großem Umfang“ Panzerfahrzeuge, Mörsersysteme, Gewehre, Pistolen und Maschinengewehre an jemenitische Milizen liefern, die keiner Regierung unterliegen. Milizen, denen Kriegsverbrechen und andere schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden.
Wie Amnesty International schreibt, ist das „Erstarken der Milizen im Jemen eine Katastrophe für die dortige Zivilbevölkerung“. Tausende Zivilisten seien im Zuge des Konflikts bereits getötet worden, Millionen Menschen befänden sich am Rande einer Hungersnot. Die Vereinten Nationen sprechen gar von der größten humanitären Katastrophe der Welt.
Seit März 2015 tobt im Jemen ein blutiger Stellvertreterkrieg zwischen Saudi-Arabien und Iran. Die von Saudi-Arabien geführte Militärallianz, der Ägypten, Bahrain, Katar, Kuwait, die Vereinigten Arabischen Emirate, Jordanien, Marokko, Sudan und der Senegal angehören und die von den USA, Frankreich und Großbritannien logistisch unterstützt wird, kämpft gegen die von Iran unterstützten Huthi-Rebellen. Waffen im Wert von 3,5 Milliarden US-Dollar sind seit Beginn des Krieges von westlichen Staaten an die Emirate geliefert worden. Flugzeuge und Schiffe gehörten ebenso dazu wie Waffenzubehör und Munition. Material, das die Emirate Amnesty International zufolge auf direktem Wege an Milizen weiterreichen.
Tatsächlich hatte Papst Franziskus bei seinem Besuch in Abu Dhabi, der Hauptstadt der Emirate, noch über die Situation im Jemen gesprochen. Keine allzu scharfen Worte hatte er gefunden, aber doch eindringliche und zumindest überhaupt welche. Er prangerte die „katastrophalen Folgen“ von Kriegen an und forderte von den Herrschern in Abu Dhabi „einen aktiven Beitrag zur Entmilitarisierung des menschlichen Herzens“ zu leisten.
Auch Deutschland genehmigt Rüstungsexporte
Australien, Belgien, Brasilien, Bulgarien, Tschechien, Frankreich, Deutschland, Südafrika, Südkorea, Türkei, Großbritannien, die USA und andere hatten der Recherche von Amnesty International zufolge gerade erst Rüstungsexporte an die emiratische Regierung genehmigt – während sie gleichzeitig Iran die militärische Unterstützung der Huthi-Rebellen vorwerfen.
„Die USA und europäische Staaten werden zu Recht für ihre Rüstungsexporte an die von Saudi-Arabien geführte Militärkoalition kritisiert. Dem Iran wird vorgeworfen, die Huthis mit Waffen versorgt zu haben. Doch mit immer mehr von den Vereinigten Arabischen Emiraten ausgerüsteten Milizen ist eine weitere Bedrohung entstanden“, sagt Mathias John, Rüstungsexperte bei Amnesty International Deutschland. Die Emirate standen bislang weniger im Fokus als Saudi-Arabien, sodass auch diese Rüstungsexporte an den Golf auf weniger Kritik stießen.
Tatsächlich sei aber durch immer mehr von den Vereinigten Arabischen Emiraten ausgerüstete Milizen eine weitere Bedrohung entstanden. „Das Militär der Emirate erhält von westlichen Staaten und anderen Ländern Waffenlieferungen in Milliardenhöhe, nur um diese dann an Milizen im Jemen weiterzuleiten, die nachweislich Kriegsverbrechen begehen“, so Rüstungsexperte John. Die bewaffneten Milizen würden in einem nächsten Schritt von den VAE ausgebildet und finanziert.
Unter ihnen befänden sich die als „Giants' Brigade“, „Sicherheitsgürtel“ und „Shabwani-Elitetruppen“ bekannten Gruppen. Einigen von ihnen werden Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen, zum Beispiel bei der jüngsten Offensive auf die Hafenstadt Hudaida oder in einem Geheimgefängnis im Süden des Jemen, das durch ein durch die VAE unterstütztes Netzwerk betrieben wird.
In Fälle des Verschwindenlassens verwickelt
Amnesty International hat nach eigenen Angaben öffentlich zugängliche Informationen zu den Kampfhandlungen in Hudaida analysiert und herausgefunden, dass Militärfahrzeuge und Waffen, die ursprünglich an die VAE geliefert worden waren, mittlerweile von Milizen vor Ort genutzt werden. Zahlreiche aus den USA gelieferte Panzerfahrzeuge wurden bei den Milizen „Giants‘ Brigade“, „Sicherheitsgürtel“ und „Shabwani-Elitetruppen“ entdeckt.
Amnesty International und andere Organisationen haben bereits in der Vergangenheit dokumentiert, dass diese bewaffneten Gruppen in Fälle des Verschwindenlassens und in andere Menschenrechtsverstöße in den Geheimgefängnissen verwickelt sind. Hierzu zählen, wie Amnesty International schreibt, unter anderem Inhaftierungen mit vorgehaltener Waffe, Folter mit Elektroschocks, simuliertes Ertrinken (Waterboarding), das Aufhängen an der Decke, sexualisierte Demütigung, lange Einzelhaft, schlechte Haftbedingungen und unzureichende Versorgung mit Nahrungsmitteln und Wasser.
Amnesty International weist daraufhin, dass viele der Staaten, die auch weiterhin Waffen an die Vereinigten Arabischen Emirate liefern, Vertragsparteien des internationalen Waffenhandelsvertrags sind. Andere seien aufgrund ihrer EU-Mitgliedschaft oder ihrer eigenen innerstaatlichen Gesetzgebung verpflichtet, keine Waffenlieferungen zu genehmigen, wenn diese für Kriegsverbrechen oder Menschenrechtsverletzungen benutzt werden könnten. Mit ihren Rüstungsexporten an die VAE verstießen die Länder gegen diese Verpflichtungen.
Dänemark, Finnland, die Niederlande und Norwegen haben angekündigt, alle Rüstungstransfers an die VAE einstellen zu wollen, Amnesty International fordert auf Grundlage seiner jüngsten Recherche auch alle anderen Länder dazu auf. Doch die Vereinigten Arabischen Emirate werden sich wohl weder davon, noch von den Worten des Papstes beirren lassen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Bundestagswahlkampf der Berliner Grünen
Vorwürfe gegen Parlamentarier
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt