Altkanzler ohne Büro: Schröder verliert Privilegien
Der Bundestag zieht Konsequenzen gegen den Altkanzler aufgrund seiner Russlandverbindungen. Er verliert Büro und Mitarbeiter, das Ruhegehalt darf er aber behalten.
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Der Haushaltsausschuss des Bundestags beschloss in seiner sogenannten Bereinigungssitzung zum Haushalt 2022, dass Schröders Büro „ruhend gestellt“ werde, wie die Parlamentspressestelle mitteilte. Das noch verbliebene Büropersonal soll die letzten Aufgaben abwickeln und dann andere Funktionen übernehmen. Schröders Ruhegehalt und sein Personenschutz werden aber nicht angetastet.
Für den Beschluss stimmten im Ausschuss den Angaben zufolge die Koalitionsfraktionen einschließlich der SPD sowie die Union. AfD und Linke enthielten sich. In dem sogenannten Maßgabebeschluss heißt es, Schröder nehme „keine fortwirkende Verpflichtung aus dem Amt als ehemaliger Bundeskanzler mehr wahr“. Damit entfalle „der Grund für die personelle und räumliche Ausstattung des ehemaligen Bundeskanzlers.“
Schröder standen bisher bis zu sieben Mitarbeiter zu. Allerdings haben die meisten Beschäftigten bereits gekündigt, offensichtlich aus Protest gegen sein Verhalten seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine.
Scholz hält weitere Schritte nicht für nötig
In einer Entschließung forderte das EU-Parlament Schröder namentlich auf, seine Posten beim russischen Staatskonzern Rosneft sowie beim Gesellschafterausschuss der Nord Stream AG aufzugeben. Auf die Sanktionsliste der EU sollten „europäische Mitglieder der Vorstände großer russischer Unternehmen und Politiker, die weiterhin russische Gelder erhalten“. Dies würde neben Schröder auch andere europäische Verantwortliche betreffen.
Unterstützt wird die Forderung von einem breiten Bündnis von Christdemokraten, Liberalen und Grünen, aber auch Sozialdemokraten im EU-Parlament. Das Votum ist für die EU-Staaten nicht bindend. Die Mitgliedsländer haben aber bei den Sanktionen gegen Russland das Sagen.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bezeichnete die Streichung von Schröders Büro als „folgerichtig“, sprach sich jedoch gegen EU-Sanktionen aus. Weitere Schritte „halte ich aktuell nicht für erforderlich“, sagte er. Der Kanzler forderte Schröder jedoch auf, seine Tätigkeit für die russischen Unternehmen aufzugeben. „Es wäre am allerbesten, Gerhard Schröder würde seine Posten niederlegen.“
Die Freundschaft hat einen Preis
Auch Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) bezeichnete die Streichung von Teilen der Amtsausstattung als richtig. Ein ehemaliger Kanzler, der „offen Lobbyarbeit für die verbrecherische Herrschaft“ von Russlands Präsident Wladimir Putin betreibe, dürfe dabei kein Büro vom Steuerzahler gestellt bekommen, schrieb er auf Twitter.
Der ukrainische Präsidentenberater Mychailo Podoljak sprach von einem „unrühmlichen Ende“ für den Altkanzler. „Irgendwann muss man immer den Preis zahlen“, erklärte er auf Twitter. „Verachtung durch die eigene Bevölkerung und Geschichte ist das Schicksal eines jeden Lobbyisten des Putin-Regimes in Europa.“
Die Bundesregierung wird in dem Ausschussbeschluss aufgefordert, bis November zu prüfen, ob weitere Regelungen notwendig sind. Es müsse dafür gesorgt werden, „dass die Amtsausstattung ehemaliger Bundeskanzlerinnen und Bundeskanzler nach der fortwirkenden Verpflichtung aus dem Amt erfolgt und nicht statusbezogen“.
Abgeordnete wollen scharfe Sanktionen
Hintergrund des Vorgangs sind Schröders seit Jahren bestehende Verbindungen nach Russland. Er pflegt enge Verbindungen zu Russlands Präsidenten Wladimir Putin und ist auch nach Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine noch für russische Energieunternehmen tätig.
Die CSU im Bundestag forderte Bundeskanzler Scholz auf, sich in der EU für „scharfe Sanktionen“ gegen Schröder einzusetzen. „Das breite Votum des Europäischen Parlaments darf die deutsche Regierung nicht einfach ignorieren“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU im Bundestag, Stefan Müller, dem „Handelsblatt“.
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