Alltag in Odessa: Im Schatten des Krieges
Keine Touristen, andauernd Stromausfälle: In Odessa sind die Folgen des Krieges spürbar. Dennoch wird geheiratet und gehandelt. Auch der Zoo ist offen.
G anz in Weiß steigt die Braut aus dem silbergrauen Mercedes, gefolgt von ihrem Bräutigam. Vor dem kleinen Tor, das in das Lokal mit dem Namen Tarchun führt, begrüßt sie lautstark eine Schar von Männern und Frauen. Fotografen und Kellner stehen erwartungsvoll vor dem georgischen Restaurant im Herzen von Odessa, das nur einen Steinwurf entfernt vom legendären Privoz-Markt und dem Zoo liegt. Dieser Nachmittag wird dem Brautpaar und seinen hundert Gästen gehören – und das Tarchun ebenfalls. Jedenfalls fast, nur wenige Tische sind noch frei.
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Kaum hat die Hochzeitsgesellschaft Platz genommen, spielt Musik auf, Alkohol macht die Runde, zunächst gesittet Schampanskoje, Russisch für Sekt, dann Rotwein, später schärfere Sachen. Irgendwo qualmt Schaschlik auf einem Grill. „Gorko! Gorko!“, rufen die Gäste, zu Deutsch: Bitter! Es ist das im ganzen russischsprachigen Raum bekannte Signal, dass das Brautpaar im Kuss schwelgen möge. Wieder und wieder.
Und mit jedem neuen Kuss verschwinden die Reste an Bitterkeit – sollte sie noch Macht über die Frischvermählten gehabt haben. Und mit jedem neuen Toast wird neues Glück herbeigewünscht. Mit jedem neuen Glas wird die Welt draußen heruntergespült. Denn diese Welt bleibt bitter. Jeden Tag heulen aufs Neue die Sirenen. Jetzt aber singen sie hier georgische Lieder. Es sind die Momente, in denen niemand an Krieg denkt.
Die russische Armee kommt nicht mehr
Niemand? Etwas abseits beobachtet Wjatscheslaw Asarow das Treiben und nippt an seinem Cappuccino. „Odessa wird in diesem Krieg nicht von der russischen Armee überfallen werden“, sinniert er. Und auch die Raketenangriffe werden nicht so heftig ausfallen wie auf andere Städte, etwa Charkiw oder Dnipro. Was ihn da so sicher macht? Von Odessa fahren Getreideschiffe in die Türkei, erklärt er, Russland unterstütze diesen Korridor. Der Hafen von Odessa sei für Russland viel zu wichtig. Und deswegen sei auch kein russischer Großangriff zu befürchten.
Wjatscheslaw Asarow ist Chef der ukrainischen Partei der Anarchisten, zweimal schon kandidierte er für das Amt des Bürgermeisters von Odessa. Und Asarow ist ein strategisch denkender Mensch. Krieg, fährt er fort, bedeute die Verarmung der gesamten Bevölkerung. Und da man für die Ukraine wohl kaum einen Marschallplan erwarten könne, müsse die ukrainische Bevölkerung eben selbst Schritte unternehmen, um die Folgen dieser Verarmung abzumildern.
Welche Schritte? Er zählt auf: Ausbau der Nachbarschaftshilfe, Selbstorganisation der Kommunen, Verbraucherkooperativen. „Das alles sind jedoch Veränderungen, die von unten kommen müssen. Die Herrschenden haben kein Interesse an so viel Eigenständigkeit. Und die verarmte Bevölkerung weiß nicht, wie Selbstorganisation funktioniert. Und so müssen Selbstorganisation und gegenseitige Hilfe eingeübt werden.“
Stadt der Bürger, nicht der Untertanen
Historisch gesehen ist Odessa der richtige Ort für Asarows Vision von Eigeninitiative und Selbsttätigkeit. Der Mythos Odessa lebt davon, dass diese Stadt, gegründet 1795, von Freigeistern aus ganz Europa aufgebaut wurde, von Italienern, Spaniern und Franzosen, von Griechen, Moldauern, Armeniern, Deutschen, Juden und natürlich von Russen und Ukrainern.
Keine Untertanen, sondern Bürger sollten hier wohnen, Bürger mit Ideen und Wagemut – und Einfallsreichtum. Um den Hafen fertig zu bauen, beantragte der Magistrat beim Zaren im Jahr 1800 ein Darlehen in Höhe von 250.000 Rubel. Doch Paul I., seit drei Jahren auf dem Zarenthron, schwieg. Was tun? Die Odessiten ließen aus Griechenland per Schiff 3.000 Orangen kommen, die sie in Windeseile als Geschenk an den Petersburger Hof schicken ließen. Mitten im Winter, was für eine Sensation! Südfrüchte in der kalten Hauptstadt, importiert über den neuen Hafen von Odessa!
Die Stadt Odessa liegt im Süden der Ukraine am Schwarzen Meer und hat etwa eine Million Einwohner. Es ist die wichtigste Hafenstadt des Landes. Odessa ist eine Handelsstadt mit großen Industrieanlagen, zog vor dem Krieg aber auch viele Touristen an.
Die Geschichte Die Stadt wurde 1794 auf Anweisung der russischen Zarin Katharina der Großen gegründet. Schon bald strömten Menschen aus halb Europa nach Odessa, darunter berühmte Architekten, die der Stadt ein besonders Gepräge schenkten. Odessa wurde multikulturell: Ukrainer, Russen, Juden und Angehörige vieler europäischer Nationen, aber auch Türken und Araber bevölkerten die Stadt. 1920 wurde Odessa Teil der Ukrainischen Sowjetrepublik. Die deutsche Besatzung ab 1941 beendete das Zusammenleben der Völker. Viele Odessiten flohen, die jüdische Bevölkerung wurde ermordet.
Der Krieg Seit der Unabhängigkeit im Jahr 1991 gehört Odessa zur Ukraine. 2014 bei der Annexion der Krim und während der russischen Invasion 2022 gab es Befürchtungen, Russland würde Odessa einnehmen. Dazu ist es nicht gekommen. Die direkten Kriegsschäden sind bisher begrenzt, allerdings werden durch Luftangriffe immer wieder wichtige Objekte der Infrastruktur beschädigt oder zerstört. Viele Odessiten sind vor dem Krieg geflohen. (taz)
Paul nahm das Geschenk an – und bewilligte das Geld. Der Hafen, heute noch die Lebensader der Stadt, konnte fertiggestellt werden. Seit 2004 erinnert ein Denkmal an diese kleine List, die Odessa das erste Mal das Überleben rettete.
Der Handel gehört seitdem zur Stadt. Neben dem Hafen ist der Privoz das Symbol dafür. Das ist der Name des Bauernmarkts. Halbe Schweine werden vor den Augen der Kunden zu bratfertigen Stücken zerlegt, Honig, Gewürze, Blumen stapeln sich auf den Theken. Eines aber unterscheidet den Privoz von den meisten anderen Märkten in der Ukraine – er ist auch ein Fischmarkt. Hier wird geschlachtet, geschuppt und filetiert.
Auf dem Bauernmarkt
Meist sind es stattliche Marktweiber, die den Handel bestimmen und die immer wieder geradezu liebevoll ihre Berge von Sprotten mit der Untertasse zusammenschieben, bis das letzte Fischlein verkauft ist. Und natürlich gibt es eine „Frucht-Passage“ mit Apfelsinen im Angebot, jedenfalls für die, die sich das noch leisten können.
Auf dem Privoz wird, wie überall, fast nur Russisch gesprochen. Selbst die Polizisten tun das. Gar nicht erfreut über diese Vorherrschaft der russischen Sprache ist Jaroslawa Witko-Prisjaschnjuk. Sie ist die staatliche Beauftragte für den Schutz der ukrainischen Sprache in den Gebieten Odessa, Mikolajiw, Cherson und der Krim. „Die Bewahrung der ukrainischen Sprache als Staatssprache ist wichtig, war es doch dem russischen Imperium immer wichtig, unsere Sprache zu vernichten und uns mit anderen Völkern dieses Imperiums zu assimilieren“, erklärt sie ihre Mission. „Auch heute hält dieser Lingozid in den von Russland vorübergehend besetzten Gebieten der Ukraine an, aber auch im Gebiet Odessa.“ Ihre Aufgabe sei es daher sicherzustellen, dass alle Menschen in der Region ihr Recht, im öffentlichen Leben, in Geschäften, bei den Behörden alle Informationen in der staatlichen Sprache erhalten zu können, verwirklichen können.
Und so kommt es, dass jeder Anrufer, der die Stadtverwaltung anwählt, zunächst von einer automatischen Stimme gefragt wird, ob er auf Ukrainisch oder Russisch bedient werden möchte. In welcher Sprache die Menschen privat miteinander reden, auf der Straße oder in den Geschäften, interessiere sie nicht, beteuert die Hüterin der ukrainischen Sprache. Wenn aber ein Geschäft Werbung auf Russisch schalte oder ein Abgeordneter im Stadtrat von Odessa russisch spreche, dann schreite sie ein – mit einer Verwarnung und auch mit Geldstrafen.
Die weitgehende Dominanz der russischen Sprache kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass es in Odessa kaum noch Sympathien für Russland gibt. Das hat Wladimir Putin mit seiner Invasion erreicht. Mag man hier den ganzen Tag lang russisch sprechen, politisch stehen die meisten hier inzwischen fest auf der Seite der Ukraine. Das war nicht immer so. Odessa stimmte stets mehrheitlich für die russlandfreundliche „Partei der Regionen“, so auch 2010 bei der Präsidentschaftswahl.
Ihr Kandidat Wiktor Janukowytsch gewann, wurde im Zuge der Euro-Maidan-Revolution im Februar 2014 allerdings wieder abgesetzt. In der Folge annektierte Russland die Krim und unterstützte im Donbass die Abspaltung von zwei „Volksrepubliken“. Odessa blieb zu den proeuropäischen Kräften in Kyjiw auf Distanz, sichtbar auch in den Stadtfahnen, die in der Hafenstadt von Autos, Straßenbahnen, Geschäften und Balkonen wehten. Das ist vorbei. Heute prägen die gelb-blauen ukrainischen Farben das Straßenbild.
Das ist auch in der Deribasivska so. Vor dem russischen Angriff drängelten sich hier zu jeder Jahreszeit Touristen. Jetzt ist die Prachtmeile menschenleer, viele Geschäfte haben geschlossen, andere arbeiten mit einer Notbeleuchtung. Jeder Ladeninhaber, der vor seinem Eingang einen Generator stehen hat, ist ein Glückspilz. Die Aufzüge in den Shoppingzentren sind seit Langem abgeschaltet, die Rolltreppen muss man zu Fuß erklimmen. Das heißt, je höher ein Geschäft liegt, desto weniger Kunden kommen.
Und so steht eine Verkäuferin in der vierten Etage, eingemummelt mit Schal, Mantel und Mütze, genau zwischen zwei Geschäften und spricht Besucher an. Ja, sagt sie, sie sei für beide Läden zuständig. Ihr Chef habe sich mit dem Nachbarn darauf verständigt. Das bedeutet auch, dass nun eine Kollegin arbeitslos geworden ist.
Wer wissen will, wie es im Stadtviertel mit der Stromversorgung bestellt ist, wirft einen Blick auf den Generator. Lärmt er vor dem Geschäft, gibt es keinen Strom. Ist er hingegen still, gibt es Strom aus dem öffentlichen Netz. Und so ist die Prachtmeile von Odessa gerade beides – so leer und so laut wie noch nie.
Früher haben die Einheimischen die Deribasivska wegen der vielen Touristen gemieden, heute sind sie die Einzigen, die man in den Kneipen und Bars antreffen kann. Und weil das berühmte Lwiw-Handmade-Geschäft mit seinen Schokoladen aus der Westukraine keinen Generator hat, steht hier die Verkäuferin, ebenfalls eingemummelt, mit einem Kassenbuch an der Theke und rechnet von Hand aus, wie viel der Kunde für seine Pralinen bezahlen muss.
Es gibt noch Putin-Anhänger
Bei allem Patriotismus, bei allen ukrainischen Fahnen – man trifft auch noch Anhänger von Wladimir Putin. Der sechzigjährige Arkady etwa, stolzer Besitzer eines Mercedes, ist überzeugt: „Amerika hat Russland provoziert.“ Warum? „Die Americosy sind doch die Nutznießer von diesem Krieg“, argumentiert er. Letztlich sei der Krieg von Freimaurern und der Wall Street lange geplant gewesen. Wie er dazu komme? „Die Freimaurer wollen zweierlei“, erklärt Arkady. „Sie wollen Russland schwächen und sich die ukrainischen Bodenschätze unter den Nagel reißen.“ Arkady rühmt sich guter Kontakte zur Spitze der Stadt. Dass es Russland ist, das sich ukrainischen Weizen unter den Nagel reißt, erschüttert Arkadys Weltbild nicht.
Arkady redet wie ein Putin-Wähler, dabei hat er einen ukrainischen Pass. Bei Laura ist das anders. Sie lebt seit zwanzig Jahren in Odessa, ist aber nach wie vor russische Staatsbürgerin. Früher, erzählt sie, habe die Staatsbürgerschaft überhaupt keine Rolle gespielt. Niemand interessierte sich dafür. Nun aber ist alles anders. Sie erzählt: Überall, ob sie eine Wohnung suche, ob sie Arbeit suche, ob sie als Zeugin bei der Polizei aussagen solle – im gesamten öffentlichen Leben stoße sie auf Ablehnung, sobald sie ihren russischen Pass zücke.
Laura, die eigentlich Larissa heißt, so aber nicht mehr genannt werden will, fühle sich zwar als Russin, wenn sie aber „wir“ sagt, dann meint sie die Menschen in der Ukraine. Auch Laura hofft auf einen Sieg der Ukraine, auch wenn das nicht allein ihrem Lokalpatriotismus entspringt. „Wenn die Russen in Odessa einmarschieren sollten, habe ich ein Problem“, sagt sie ganz offen. „Die werden mich sicherlich als Verräterin behandeln.“
Doch ukrainische Staatsbürgerin werden, das kann Laura nicht mehr. Seit dem 24. Februar 2022, dem ersten Tag des russischen Angriffs, werden in der Ukraine keine Einbürgerungsanträge mehr von russischen Staatsbürgern bearbeitet, klagt sie. Sie könne mit ihrem inzwischen abgelaufenen russischen Pass zwar ausreisen, dann aber nicht wieder einreisen. Am ehesten könne sie im russischen Konsulat der Nachbarrepublik Moldau einen neuen Pass beantragen. Das Prozedere dauere allerdings sechs Monate. „Sechs Monate in Moldau, wo ich niemanden kenne. Das kann ich mir doch nicht leisten!“
Wenn sie irgendwo auf der Straße hört, nur ein toter Russe sei ein guter Russe, zuckt Laura zusammen. Und während die Posten bei Ukrainern schon mal ein Auge zudrücken, wenn man sie nach 23 Uhr, dem Beginn der Sperrstunde, auf der Straße antreffe, könne sie sich das als Russin nicht leisten. Und das machten sich mitunter Männer zunutze, die unter einem Vorwand verhindern würden, dass sie vor 23 Uhr nach Hause komme.
Der Park, der früher ein Friedhof war
Ob die Hochzeitsgesellschaft im georgischen Restaurant Tarchun pünktlich um 23 Uhr den Heimweg finden wird, bleibt offen. Kontrollen dürften am Eingang zum Preobrazhenskyj-Park kaum unterwegs ein. Hier, am Rande der historischen Innenstadt, ist es noch stiller als auf der Deribasivska. Was sich hinter dem Restaurant heute als weitläufiger Park präsentiert, war ursprünglich der erste städtische Friedhof. Und im Geiste einer liberalen Stadt unterteilte sich der Friedhof in Gräberfeldern für Christen, Juden und Muslime. Abgetrennt, aber doch gemeinsam ruhten hier Odessiten aller Glaubensrichtungen.
So viel Freigeistigkeit war den Bolschewiki selbst im Tode suspekt, sodass die Grabanlagen samt Kirche in den dreißiger Jahren abgerissen und eingeebnet wurden. 1937 erhielt das Areal als „Kulturpark Iljitsch“, benannt nach dem Vatersnamen von Lenin, eine neue, kommunistische Identität mitsamt Lenin-Denkmal.
Heute erinnert der Preobrazhenskyj-Park mit seinen Denkmälern an bedeutende Odessiten, die hier liegen. Etwa an Francesco Boffo, den italienischen Architekten, der mit mehr als dreißig Bauwerken Odessa prägte. Boffos bekanntestes ist die Potjomkin-Treppe, die vom Hafen aus als spektakuläres Entree zur Stadt hinaufführt. Boffo hat den visuellen Eindruck der Treppe durch einen Trick verstärkt. Während die Freitreppe unten über 21 Meter breit ist, misst sie oben nur noch gut 13 Meter. Der so zur Stadt hin verjüngte Aufgang wirkt so von unten weitaus länger und majestätischer.
Die Treppe gilt seit der Achteinhalb-Minuten-Sequenz im „Panzerkreuzer Potjomkin“ als filmische Ikone. Sie zeigt, wie ein Kinderwagen die Stufen hinunterrollt und Soldaten mit aufgepflanztem Bajonett wehrlose Arbeiter niedermetzeln. Diese Gewaltorgie ist ein der berühmtesten Szenen der Filmgeschichte, inszeniert 1925 von Sergej Eisenstein.
Hätten Putins Landungstruppen, wie zu Beginn des Krieges beabsichtigt, die Stadt erobert, hätten seine Soldaten auch die historische Treppe hinaufstürmen müssen. Es wäre wohl ein irrwitziges Remake geworden. Inzwischen gibt es für so eine Landungsaktion keine Anzeichen mehr.
Die evakuierten Tiere im Zoo
Gleich neben dem Preobrazhenskyj-Park erstreckt sich der städtische Zoo, eines der Ausflugsziele Odessaer Familien. Jetzt lugt ein Löwe gleichmütig durch die Gitter. Doch so richtig scheint er sich nicht für Besucher zu interessieren. Seit April lebt er hier, und dass er überhaupt noch am Leben ist, verdankt er dem Zoodirektor Ihor Beljakov. Der russische Angriff vom 24. Februar hat auch Beljakovs Leben grundlegend verändert. Als der Tierpark in Charkiv im April 2022 durch russische Luftangriffe zerstört wurde, machte sich Beljakov nach auf den Weg und holte ein Löwenpaar aus dem nordöstlichen Charkiw zu sich in den Zoo in südliche Odessa.
Ihor Beljakov hat aber nicht nur die Charkiwer Löwen aus akuter Lebensgefahr gerettet, auch viele Haustiere verdanken dem Mann mit der graumelierten Mähne ihr Leben. „Gleich zu Kriegsbeginn haben wir die Bevölkerung von Odessa über das Internet informiert, dass wir ihre Haustiere aufnehmen, wenn sie diese bei ihrer Flucht nicht mitnehmen können“, erzählt er und blickt dabei auf die Flamingos. „Viele Frauen, die mit ihren Kindern geflohen sind, haben es nicht auch noch geschafft, ihren Papagei mitzunehmen“, erzählt er weiter. „Wir wollten den Tieren helfen, aber auch den Besitzerinnen. Wir wollten nicht, dass sie schweren Herzens ihre Tiere einer ungewissen, wahrscheinlich tödlichen Zukunft überlassen. Es war ja sehr kalt im März.“
Und so hat der Zoo unter Beljakovs Leitung Schildkröten, Schlangen, Papageien, Kaninchen, Ratten, Meerschweinchen, Igel und anderes Getier aufgenommen, insgesamt mehr als 700. Nur Katze und Hunde habe man beim besten Willen nicht aufnehmen können, schränkt Beljakov ein. Das hätte alle Kapazitäten gesprengt. Inzwischen betreuen sie nur noch 300 Tiere. Die anderen lebten entweder wieder bei ihren zurückgekehrten Besitzerinnen oder man habe andere Möglichkeiten gefunden.
Auch derzeit hat der Zoo täglich geöffnet, bekräftigt Ihor Beljakov. Ist er doch gerade jetzt für die Einwohner wichtig. Und so hoffen alle Zoomitarbeiter, dass man in diesen schwierigen Zeiten die Stimmung der Menschen etwas aufhellen könne, berichtet Zoodirektor Beljakov. Als Hoffnungszeichen habe man den beiden Löwen kurz nach der Ankunft neue Namen gegeben, sie heißen nun Mufasa und Nala – wie die stolzen Raubkatzen aus dem Film „König der Löwen“. Er erzählt von einem Königreich der Tiere, das am Ende die Tyrannei überwindet. Dass man da auch irgendwie an Wladimir Putin denkt, ist ganz gewiss kein Zufall.
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