Allgemeine Corona-Impfpflicht: Impfpflicht lässt auf sich warten
Bundeskanzler Olaf Scholz wollte eine allgemeine Impfpflicht schon im März einführen. Doch so schnell wird es nicht gehen.
taz | Die rasche Einführung einer allgemeinen Impfpflicht in den ersten Monaten dieses Jahres wird zunehmend unwahrscheinlicher. Sowohl Grüne als auch FDP haben entsprechende Erwartungen gedämpft. Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Britta Haßelmann, erklärte gegenüber der taz: „Die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht ist eine tiefgreifende Entscheidung, die wir uns bei aller Dringlichkeit in der Sache nicht leicht machen dürfen.“ Debatte und Entscheidungen müssten sorgfältig vorbereitet werden.
Auch Bundesjustizminister Marco Buschmann, FDP, meinte gegenüber der Bild am Sonntag, er sei für eine rasche Entscheidung, die Abgeordneten müssten sich aber auch die Zeit für eine sorgfältige Abwägung nehmen. Die SPD hält bislang noch an dem Ziel fest, den Bundestag bis Ende März über eine Impfpflicht abstimmen zu lassen. „Einen Abschluss des Gesetzgebungsprozesses streben wir noch im ersten Quartal dieses Jahres an“, erklärten die beiden stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Dagmar Schmidt und Dirk Wiese. Anstreben heißt allerdings auch: Wir sind uns nicht sicher, ob es wirklich klappt.
Sicher ist nun: Die forsche Ankündigung von Kanzler Olaf Scholz, der am 30. November im ZDF sagte, es wäre richtig, dass eine Impfpflicht Ende Februar, Ende März gelte, ist widerlegt. Denn selbst wenn der Bundestag bis Ende März ein Gesetz zur Impfpflicht beschließen würde, müsste im April noch der Bundesrat zustimmen. Eine Impfpflicht würde frühestens ab Mai gelten. Doch selbst dieser Zeitplan ist sehr ehrgeizig.
Denn bislang gibt es nur einen einzigen Entwurf für einen Antrag zum Thema: nämlich den der Gruppe der FDP-Parlamentarier um Wolfgang Kubicki, die sich gegen eine Impfpflicht aussprechen. So steige bei einer Corona-Impfpflicht der Begründungsaufwand, je häufiger diese wiederholt werden müsse. „Der Bundestag kann eine allgemeine Impfpflicht nicht beschließen, solange er nicht einmal die Häufigkeit der mit der Pflicht verbundenen Schutzimpfungen kennt“, heißt es in dem Entwurf.
Unübersichtliche Anträge
Die Unberechenbarkeit des Virus und die damit verbundenen Unklarheiten über die Ausgestaltung einer solchen Impfpflicht dürften wesentliche Gründe sein, warum es bislang keinen schriftlichen Vorschlag für einen Gesetzentwurf gibt. Die Ampelkoalition, die die Impfpflicht zur Gewissensentscheidung gemacht hat, überlässt es zugleich den Abgeordneten, fraktionsübergreifende Gruppenanträge vorzulegen.
Das ist zwar so üblich, macht die Situation aber unübersichtlich. So weiß man in den Fraktions-Pressestellen von SPD, Grünen und FDP nicht, wie viele Anträge von welchen Abgeordneten geplant oder schon in Arbeit sind. Für die Grünen bestätigte Haßelmann, dass es Ende Januar eine öffentliche Orientierungsdebatte zum Thema Impfpflicht im Bundestag geben werde.
Aus der FDP ist bekannt, dass es mindestens einen weiteren Antrag geben wird: Laut Zeit-online bereitet der FDP-Gesundheitsexperte Andrew Ullmann einen Antrag vor, der eine Impfpflicht für die Generation 50-plus vorsieht. In der SPD wolle man den Januar für „intensive Gespräche mit Expertinnen und Experten, in der Fraktion, in den Wahlkreisen und in einer Orientierungsdebatte im Parlament“ nutzen.
SPD-Gesundheitsminister Karl Lauterbach erarbeite in seiner Funktion als Abgeordneter wohl an einem Vorschlag für eine Impfpflicht für alle über 18-Jährigen. Der Welt am Sonntag sagte der Minister, er halte eine solche nach wie vor für nötig, auch im Hinblick auf weitere Virusvarianten. „Der Glaube, dass die Omikron-Variante das Ende der Pandemie ist, ist naiv.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen