Alleingang von Berlins Innensenatorin: Der Taser-Skandal fängt erst an
Iris Spranger will der Polizei gefallen und verspricht ohne jede Rücksprache 300 neue Taser. Für die Koalition wird sie zur Belastung.
D er Taser – oder auch Distanz-Elektroimpulsgerät – ist eine potenziell tödliche Waffe. Einen letzten Beweis dafür lieferte der Polizeieinsatz gegen einen Mann in Dortmund Mitte Oktober. Nachdem ihm durch den Taser elektrische Impulse versetzt wurden, kollabierte er und starb 90 Minuten später im Krankenhaus. Die Obduktion ergab, dass der Mann schwer herzkrank war. Ein Risikopatient also, wie so viele Menschen, die infolge von Taser-Einsätzen zu Tode kommen.
Selten passiert das nicht. In Deutschland gab es vor dem Dortmunder Fall sechs Todesfälle in den vergangenen drei Jahren im Zusammenhang mit Tasern. In den USA ist von mehr als 1.000 Toten seit der Jahrtausendwende die Rede. Amnesty International, das sich intensiv mit der Waffe auseinandergesetzt hat, empfiehlt eindringlich, nur besonders geschulte Spezialkräfte, etwa das SEK, mit den Geräten auszustatten und Taser nicht in der alltäglichen Polizeiarbeit einzusetzen.
Große Teile der Polizei und ihrer Gewerkschaften ficht das nicht an. Sie fordern den Taser als Einsatzwaffe; diese sei kaum gefährlicher als ein Schlagstock. „Der Taser rettet Menschenleben, er schützt die Kolleginnen und Kollegen und verhindert Traumata, die durch den Gebrauch der Schusswaffe regelmäßig zu Tage treten“, so die vorgetragene Sichtweise in einem Offenen Brief des Personalrats der City-Direktion 5, die für den seit 2017 laufenden Berliner Taser-Testlauf zuständig ist.
Getan wird damit so, als wäre die Alternative zu jedem Taser-Einsatz ein tödlicher Schuss oder als würde ein tödlich verlaufener Taser-Einsatz nicht auch die Gefahr von Traumata mit sich bringen. Dass die Folgen für potenzielle Opfer keine Rolle spielen, zeigt die begrenzte Perspektive der Polizei.
Keine Einigkeit bei Rot-Grün-Rot
Schlimm genug, dass es politische Kräfte gibt, die – als bloße Lobbyist:innen der Polizei agierend – deren Position eins zu eins teilen. In Berlin gehört auch die SPD dazu. Weil Grüne und Linke die flächendeckende Einführung des Tasers ablehnen, gibt es in der Koalition keine Einigung über die Ausstattung der Polizei mit dieser Waffe. Politisch geeint war stattdessen, den Taser-Probelauf in zwei Polizeiabschnitten zum Jahresende zu beenden und danach auszuwerten.
Darüber jedoch hat sich Innensenatorin Iris Spranger (SPD) in einem unverfrorenen Akt einfach hinweggesetzt und die Anschaffung von 300 neuen Tasern beschlossen. 34 gab es bisher. Sie tat dies in Reaktion auf einen Beschwerdebrief aus der Polizei über das Ende des Probelaufs. Spranger macht damit Politik nach Gutsfrauenart, die einzig dazu dient, der Polizei zu gefallen – und einer konservativen Wähler:innenklientel. Für das rot-grün-rote Bündnis ist sie damit endgültig zur Belastung geworden.
Weil die Koalition keine Gelder für neue Taser bereigestellt hat, will Spranger den Kauf durch Umstrukturierungen im eigenen Haushalt stemmen. Die müssen wohl größer ausfallen, wird doch mit Anschaffungskosten von 1,2 bis 1,5 Millionen Euro gerechnet. Auf einen Taser umgerechnet ergibt das einen Stückpreis von bis zu 50.000 Euro. Wie es zu dieser Summe kommt, schließlich gibt es die Geräte schon für weniger als 1.000 Euro, ist unklar.
Der Verdacht der Steuerverschwendung steht im Raum. Erst recht, weil nicht absehbar ist, ob die Waffen jemals zum Einsatz kommen werden. Denn ohne Zustimmung der Koalitionspartner ist das schwer vorstellbar. Möglicherweise braucht es gar eine Gesetzesänderung, um den Taser in dieser Größenordnung einzusetzen. Eine Mehrheit dafür ist nicht in Sicht. Der Taser-Skandal um Spranger, er steht erst am Anfang.
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