Alkoholverbot auf öffentlichen Plätzen: Sicherheitsdienst gegen Saufgelage
Hannover will ab April Sozialarbeiter und private Security gegen öffentlichen Alkoholkonsum einsetzen. Die Polizeigewerkschaft warnt vor „Akzeptanzproblemen“ und „martialischem Auftreten“.
HANNOVER taz | Mit dem Frühling soll in Hannover Freilufttrinkern der Alkoholkonsum in der Öffentlichkeit erschwert werden. Ab April will die Stadtverwaltung an sogenannten „Brennpunkten“ Sozialarbeiter und private Sicherheitsdienste losschicken, das sieht ein Handlungskonzept vor, das Stadt und Polizei Hannover gemeinsam erarbeitet haben.
Vorgesehen ist das am Raschplatz hinter dem Hauptbahnhof, einem Betonplatz mit Multiplexkinos, Großraumdiskos und Kneipen sowie auf der Limmerstraße, einer Fußgängerzone im einstigen Arbeiter- und heutigen Alternativszene-Stadtteil Linden. Das „Limmern“ – Biertrinken und Rumsitzen – hat dort seit Jahren Tradition, insbesondere im Frühling und Sommer. Zum Ärger von Anwohnern und Gewerbetreibenden: 46 Prozent von ihnen fühlen sich mindestens einmal am Tag gestört, insbesondere am Abend, wie schon 2012 eine Befragung ergab, die der Stadtbezirksrat Linden-Limmer hatte erstellen lassen. Alkoholkonsum, auf dem Boden, den Simsen und Stufen sitzen sowie Lärm waren dabei die meistgenannten Störungen.
Das Gegenrezept der rot-grünen Stadtverwaltung: Für das Privatgelände Raschplatz wurde die Hausordnung verschärft. Liegen und Lagern ist dort nun verboten. Überwachen soll das künftig ein Sicherheitsdienst. Private Security will man auch auf der Limmerstraße losschicken.
Sozialarbeiter sind dort bereits jetzt am Tag unterwegs, ab April sollen Freitag- und Samstagnacht zudem Sicherheitsleute losgeschickt werden. Die sollen „deeskalierend auftreten“, wie es Stadtsprecher Andreas Möser umschreibt, zugleich aber „auf die klaren Regeln hinweisen“. Den Einsatz will man im Juni erproben. Dann soll das Projekt evaluiert werden, für das die Stadt 50.000 bis 60.000 Euro einsetzt.
Mit Skepsis beobachtet unterdessen Niedersachsens Gewerkschaft der Polizei (GdP) das hannoversche Konzept. Ihr Vize-Landeschef Klaus Dierker fürchtet vor allem „Akzeptanzprobleme“. Wenn in einer Fußgängerzone private Hilfssheriffs patrouillieren, könnte das auch zusätzliche Konflikte provozieren, warnt er. „Ein martialisches Auftreten der Sicherheitsleute“, sagt Dierker der taz, „wäre in jedem Fall kontraproduktiv.“ Das Wahren der öffentlichen Ordnung sei keine Aufgabe, die ausgelagert werden sollte, sondern „grundsätzlich Sache von Stadt und Polizei“, betont der Gewerkschafter. Und führt das Beispiel Osnabrück an: Dort wird der Ordnungsdienst der Stadt eingesetzt, um übermäßiges öffentliches Trinken zu verhindern – klar erkennbar als städtisches Personal.
Gescheitert ist bereits an Hannovers Hauptbahnhof ein Alkoholverkaufsverbot: Die Aktion von Stadt, Polizei und Bahn, eine freiwillige Selbstbeschränkung der Bahnhofs-Einzelhändler, wurde 2011 nach drei Monaten gecancelt.
Weitgehend wirkungslos blieb das bundesweit einmalige Projekt: Weder Straftaten rund um den Bahnhof, noch der Alkoholkonsum sanken. Die Zahl der sogenannten Rohheitsdelikte wie Körperverletzungen oder Bedrohungen stieg während des Zeitraums des Verkaufsverbots sogar im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.
Einzig das "subjektive Sicherheitsempfinden" der Reisenden am Hauptbahnhof hatte sich durch das Verbot erhöht.
Und auch Hannovers Grüne kündigen an, das neue Konzept „kritisch zu begleiten“. Ihr Stadtverbandschef Tobias Leverenz nennt die derzeitige Alkoholdiskussion dort „paradox“. „Wenn jemand fünf Weizen auf der Terrasse eines Cafés trinkt, ist das in Ordnung, sitzend auf einer Treppe wird das aber als Problem wahrgenommen“, sagt er. Vor allem auf der Limmerstraße müsse man abwägen: Die Anwohner müssten schlafen können. Zugleich würden zu strikte Alkoholverbote „zur Kultur in Linden nicht passen“.
Auch Stadtsprecher Möser betont, alle müssten „zu ihrem Recht kommen“. Kritik am Einsatz privater Sicherheitsleute auf Hannovers Straßen aber weist er zurück: „Wir geben unsere Ordnungsaufgabe nicht aus der Hand.“ Die Securitys sollten als „Ansprechpartner“ fungieren. „Das soll kein Türsteherjob sein“, sagt Möser. Zum Verlassen eines Platzes dürften die Sicherheitsleute zwar auffordern, um einen Platzverweis durchzusetzen, müssten sie die Polizei hinzurufen. Geregelt werden soll das in der Ausschreibung für den städtischen Auftrag, die derzeit vorbereitet wird. Darin soll auch eine „erkennbare Dienstkleidung“ wie eine Uniform vorgeschrieben werden. „Schwarze Sheriffs“, so Möser, mit Schlagstöcken und sonstigen Waffen wolle man aber nicht engagieren.
Vorgaben zum Lohn des Sicherheitsdienstes sind für die Ausschreibung nicht vorgesehen. „Wir stellen inhaltliche Forderungen, die Bezahlung ist kein Thema“, sagt er. Der Mindestlohn im Wach- und Sicherheitsgewerbe liegt bei 7,50 Euro. Hannovers Ex-Oberbürgermeister Stephan Weil (SPD), jetzt Ministerpräsident von Niedersachsen, hat sich im Bundesrat erst am Freitag für einen Mindestlohn von 8,50 Euro stark gemacht.
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