piwik no script img

Alice und die VerhandlungslösungWin-Win? Lose-Lose!

Wie Markt­be­su­che­r*in­nen inspiriert von Alice Schwarzer den Krieg wegverhandeln würden. Eine fiktive Begegnung in Hamburg-Ottensen.

Wenn doch alles nur eine Film wäre: Szene aus „Mars Attacks!“ aus dem Jahr 1996 Foto: Warner/dpa

Alice sagt, man sollte da mal euch Orientalen verhandeln lassen!“, sagt der Mann in Ottensen am Stand für türkische Spezialitäten.

„Alice Weidel?“, fragt ein anderer Mann.

„Wohl eher Alice Schwarzer“, sagt die Frau des ersten Mannes und: „Hast du wieder Bild-TV geguckt? Das wollten wir doch nicht mehr, Hannes!“

„Ach, komm, da hatte ich es aus erster Hand, sie redete wild entschlossen drauf los, man solle mit Russland endlich so verhandeln wie auf arabischen Märkten!“

Der Standbetreiber sagt:

„Das macht dann 6,90 Euro!“

Der Mann sagt:

„Wie wäre es mit 6,50 Euro?!“

Der Mann hinterm Tresen schüttelt den Kopf:

„Nix da, das ist der Preis, wenn Sie die Oliven wollen, zahlen sie den.“

Eine Frau mischt sich ein: „Vielleicht meinte sie ja die arabische Wirtschaft, nicht den ­Bazar!“

„Ja, vielleicht sollten die Saudis Putin mal Tee mit ordentlich viel Zucker servieren und es regeln, sein Preis, ihr Preis und dann gibt es noch drei Jungfrauen obendrauf!“

„So hat sich die Alice das sicher nicht gedacht!“

„Doch, genau so denkt die!“

„Beim Feministinnen-Idiotentest wär’ die ihre Lizenz längst los!“

„Und für die ist Arabisch doch bloß böse mal Kopftuch mal Grapscher.“

Alice Schwarzer meint, die Araber seien einfach gestrickt und der Krieg sei im Grunde einfach zu beenden, wäre also aus ihrer Sicht eine Win-Win-Kombi!“

„Die hat nur Lose-Lose im Kopf für die ­Ukraine!“

„Sie sagt, man solle Putin fragen, was sein Preis ist!“

„Na, die Ukraine!“

„Genau.“

„Und was soll man dann machen?“

„Sie würde Putin sagen, was ihr Preis ist!“

„Sie verhandelt selbst? Hat sie denn arabische Expertise?“

„Sie hat es zumindest laut in der Ich-Form imaginiert.“

„Sie bringt ja alles bloß in der Ich-Form aufs Pünktchen.“

„Dann könnte man ja einfach erwidern: Mein Preis ist dann Russland!“

„Perfekt, und dann geht Selenskyj mit Russland nach Hause, Putin mit der Ukraine und prompt ist Frieden im Karton!“

Der Standbesitzer sagt: „Ich würde noch Mallorca dazu verlangen!“

„Wieso Mallorca?“

„Da komm’ ich gut runter – und ich soll ja schließlich Frieden garantieren. Vielleicht auch noch Teneriffa!“

„Okay, dann nehm’ ich Norderney und Helgo­land!“

„Gut Leute, aber dann ist echt Waffenstillstand!“

„Wagenknecht und Schwarzer meinen, alles sei möglich, wenn man dem Aggressor mit Wohlwollen und Nachsicht begegne!“

„Wisst ihr noch bei ‚Mars Attacks!‘, die Aktivisten, die den Aliens mit Liebe begegnen wollen – jubelnd mit Transparenten auf einem Dach!“

„Die wurden direkt als erstes ausgelöscht!“

„Wer war da noch Präsident?“

„Jack Nicholson!“

„Dann sollte man ihm nun die Verantwortung übertragen, einem Schauspieler, so wie Ronald Reagan, der war doch Spezialist für Kalten Krieg!“

„Wäre das alles doch bloß nur ein Film!“

„Aber was für einer?“

„Keiner, der Preise gewinnt.“

„Nee, zu realistisch.“

„Hollywood!“

„Besser gleich Bollywood!“

„Oh ja! Dann würden plötzlich einfach alle anfangen zu tanzen!“

„Und sich ineinander verlieben!“

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Jasmin Ramadan
Jasmin Ramadan ist Schriftstellerin in Hamburg. Ihr neuer Roman Roman „Auf Wiedersehen“ ist im April 2023 im Weissbooks Verlag erschienen. 2020 war sie für den Bachmann-Preis nominiert. In der taz verdichtet sie im Zwei-Wochen-Takt tatsächlich Erlebtes literarisch.
Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Der Krieg woanders schafft eine Ilusion.



    Nur die anderen sterben, wir sehen es ja nur im TV.

  • Kommt bei Bollywood vor dem Tanzen nicht noch stundenlanges Einander-bedeutsam-angucken?

  • Alice endlich in ihrem richtigen Wunderland!