Alarm zum Welternährungstag: Aushungern ist ein Verbrechen
Jeder elfte Mensch auf der Erde ist von Hunger betroffen. Vergessen wird dabei oft, dass vor allem die aktuellen Kriege dazu beitragen.
D er globale Hunger breitet sich weiter aus. Seit der Covid-19-Pandemie, als die Welt dichtmachte und Hunderte von Millionen Menschen ihre Lebensgrundlage verloren, hat sich ein Großteil der Länder der Erde nicht wieder wirtschaftlich erholt. Im Jahr 2023 betraf Ernährungsunsicherheit laut UN-Agrarorganisation FAO 29 Prozent der Menschheit – rund 2,4 Milliarden. Ein Drittel davon war von Hunger betroffen, also jeder elfte Mensch auf der Erde.
Die zugrunde liegenden Statistiken entstanden noch vor den neuen Kriegen in Nahost seit Oktober 2023 und in Sudan seit April 2023, die ganze Länder an den Rand von Hungersnot gedrängt haben. Gaza und Darfur sind im Jahr 2024 die Zentren des Leids, gegen deren Menschen die Warlords in Sudan und die Regierung Israels Hunger als Kriegswaffe einsetzen, so als sei das Blockieren von Lebensmitteln eine legitime Herrschaftsmethode zur Unterwerfung missliebiger Bevölkerungen.
Wer 2024 vom Recht auf Nahrung spricht, kann über Darfur und Gaza nicht schweigen. Die meisten aktuellen Mahnungen und Appelle zum Welternährungstag am 16. Oktober aber blenden Krieg als Treiber von Hunger aus. Die FAO feiert den 20. Jahrestag ihrer „Freiwilligen Leitlinien zur Unterstützung der schrittweisen Verwirklichung des Rechts auf Nahrung im Kontext nationaler Ernährungssicherung“ – man merkt, dass die Organisation seit fünf Jahren von China geführt wird.
Hier sieht alles ungewohnt aus? Stimmt, seit Dienstag, 15.10.2024, hat die taz im Netz einen rundum erneuerten Auftritt. Damit stärken wir, was die taz seit Jahrzehnten auszeichnet: Themen setzen und laut sein. Alles zum Relaunch von taz.de, der Idee dahinter und der Umsetzung konkret lesen Sie hier.
Verteilungsprobleme können verschiedene Gründe haben
In Deutschland erklärt Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze: „Die besten Mittel gegen den Welthunger sind starke Frauen, soziale Sicherung und die Fähigkeit, selber anbauen zu können“ – kurz bevor sie zu Darfur-Flüchtlingen in Tschad aufbricht, deren Überleben kurzfristig von ganz anderen Dingen abhängt und die unzählige verhungerte Angehörige in Darfurs Kriegsgebieten zurückgelassen haben.
Ja, Hunger ist ein Verteilungsproblem. Aber nicht alle Verteilungsprobleme sind sozioökonomischer Natur. Ein Verteilungsproblem ist es auch, wenn mit Waffengewalt Nahrungsmittelversorgung verhindert wird. Und das ist nicht nur ein Verteilungsproblem, sondern ein Verbrechen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Verkehrsvorbild in den USA
Ein Tempolimit ist möglich, zeigt New York City
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich