Aktuelle Lage in der Ukraine: Die Schlacht um Awdijiwka

Russland startet Großangriff auf die Vorstadt von Donezk. Die Ukraine spricht von den höchsten russischen Verlusten seit Februar.

Rauchwolken über Awdijiwka am 11. Oktober: Der Kampf um die Stadt hat vor allem symbolischen Wert Foto: Alexander Ermochenko/reuters

BERLIN taz | Russland hat in der Ukraine seine größte Offensive seit der monatelangen Schlacht um die Stadt Bachmut gestartet – und dabei innerhalb weniger Tage eine schwere Niederlage erlitten. Von den höchsten russischen Verlusten seit Februar sprechen ukrainische Quellen nach dem Zurückschlagen eines russischen Großangriffs auf die Stadt Awdijiwka, eine von der Ukraine gehaltene Vorstadt der größten russisch besetzten ukrainischen Stadt Donezk.

Die russischen Angriffe zur Umzingelung von Awdijiwka begannen am 10. Oktober mit Vorstößen nördlich der Stadt, die russische Panzerverbände bis in die Nähe der Eisenbahnlinie von Awdijiwka ins Hinterland führten, sowie im Süden, wo die Front in der Nähe des internationalen Flughafens von Donezk verläuft. Da das Gelände mit Ausnahme von Kohlehalden sehr flach und offen ist, sind solche Vorstöße aber offenbar leicht zu erkennen und aufzuhalten. Nordöstlich von Awdijiwka nahmen russische Kräfte nach eigenen Angaben eine Kohleschlackenhalde ein, die sie aber später wieder aufgeben mussten.

Nach ukrainischen Berichten stauten sich die russischen Kolonnen ansonsten auf Feldwegen, wo sie mit Artillerie zerstört werden konnten, oder suchten stattdessen ihren Weg über die Felder, wo die Ukraine sie mit einer Kombination aus Drohnenangriffen aus der Luft und panzerbrechenden Minen im Boden aufreiben konnten.

Russland schickte in den vergangenen Tagen Verstärkung und heftige Kämpfe dauerten an, aber die russischen Offensivbemühungen sind seit Freitag festgefahren. Begleitet werden die Kämpfe von intensivem, russischen Beschuss der Stadt Awdijiwka selbst. „Awdijiwka steht völlig in Flammen“, erklärte die Militärverwaltung der Stadt am Samstag.

Russland habe um Awdijiwka mehr und größere Einheiten im Einsatz als bei sonstigen Angriffen, analysieren ukrainische Experten. Sie haben die ukrainischen Verteidiger an einigen Stellen zunächst überrumpelt. Ein russischer Militärblogger kritisiert, die russischen Truppen hätten immer noch kein Rezept gegen die zwar zahlenmäßig unterlegenen, aber viel mobileren, besser gestaffelten und koordinierten ukrainischen Verteidiger. Sie würden, sobald sie auf unerwarteten Widerstand stießen, „stereotyp“ reagieren.

Ukranische Gegenoffensive angeblich beendet

Nach ukrainischen Militärangaben verzeichnete Russlands Militär allein in den ersten drei Tagen der Schlacht von Awdijiwka 2.840 Tote und verlor 102 Panzer und 183 gepanzerte Fahrzeuge. Unabhängige Experten gehen von niedrigeren, aber deutlich dreistelligen russischen Todeszahlen und Dutzenden verlorenen Fahrzeugen aus.

Der russische Präsident Wladimir Putin sprach gegenüber einem TV-Journalisten am Sonntag von einer „aktiven Verteidigung“ in Awdijiwka und anderen Orten, „die Namen können sich ändern“. Zuvor sprach der russische UN-Botschafter Wassili Nebensja während einer Sitzung des UN-Sicherheitsrats in New York von einer neuen Phase in dem militärischen Einsatz in der Ukraine.

Russische Truppen seien seit einigen Tagen entlang der gesamten Front zu aktiven Kampfhandlungen übergegangen. „Die sogenannte ukrainische Gegenoffensive kann daher als beendet angesehen werden“, sagte er. Im Süden des Landes, wo die Ukraine an mehreren Frontabschnitten die russischen Linien durchbrochen hat, dauern an der Front tatsächlich intensive Gefechte weiter an.

Die strategische Bedeutung von Awdijiwka ist gering, aber die symbolische Bedeutung ist immens. Denn hier hielt die Ukraine 2014/15 die Versuche Russlands und der russisch gesteuerten Donbass-Separatisten auf, das gesamte Umland von Donezk unter ihre Kontrolle zu bringen.

Awdijiwka blieb danach ein ukrainischer Stachel im Fleisch der russischen Besatzung des Donbass. Sollte Russland nun um Awdijiwka eine empfindliche Niederlage erleiden, stünde der Ukraine sogar der Weg in die nur 15 Kilometer entferne Millionenstadt Donezk offen.

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