Aktivistin über geplante Blockade: „Zerstörung der Böden aufhalten“
„Free the Soil“ will mit einer Massenblockade den Betrieb des Düngemittelproduzenten Yara stören. Die Firma mache weltweit Böden kaputt, sagt Mäckie Seiffert
taz: Frau Seiffert, Ihre Initiative heißt „Free the Soil“, also „Befreit den Boden“. Von wem oder wovon soll er denn befreit werden?
Mäckie Seiffert: Von der industriellen Landwirtschaft. Die Agrarindustrie ist einer der größten Klimazerstörer. Rund die Hälfte aller Treibhausemissionen stammt aus der Landwirtschaft, wenn Rodungen, Verarbeitung und Verpackung sowie Transport und Vertrieb der landwirtschaftlichen Produkte mit eingerechnet werden. Und ungefähr 10 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen hängen mit der Produktion und Nutzung von Kunstdüngern zusammen.
Seit wann gibt es Ihre Initiative und wer macht bei „Free the Soil“ mit?
Wir sind eine relativ neue internationale Initiative, bei der Menschen aus unterschiedlichen Ländern zum Protest zusammenkommen. Die Aktiven kommen zum Beispiel aus Dänemark, Deutschland oder Belgien. Viele von uns waren oder sind auch in anderen Bewegungen aktiv oder haben Verbindungen zu ihnen, etwa zu Ende Gelände.
Und was wollen Sie konkret erreichen?
Wir wollen die zerstörerischen Praktiken der industriellen Landwirtschaft aufdecken und entschlossen gegen die wenigen Unternehmen vorgehen, die von ihnen profitieren. Die Agrarindustrie war viel zu lange außerhalb des Radars als einer der Hauptverursacher der Erderwärmung und des Klimawandels.
Sie haben für die Zeit vom 19. bis 26. September Aktionen gegen den norwegischen Düngemittelkonzern Yara und konkret gegen dessen Werk in Brunsbüttel angekündigt. Warum ausgerechnet gegen dieses Unternehmen?
Yara dominiert den Weltmarkt für Stickstoffdünger und ist außerdem der größte industrielle Einzelabnehmer von Erdgas in Europa – Erdgas, das zu großen Teilen durch Fracking gewonnen wurde. Die Produktion von Stickstoffdünger durch das sogenannte Haber-Bosch-Verfahren ist ein höchst energieintensiver Prozess, der enorme Mengen an fossilem Gas verbraucht. Die Fabrik in Brunsbüttel ist die zweitgrößte Produktionsstätte von Yara für Ammoniak. Yara zerstört weltweit Böden, zwingt Kleinbauern und Kleinbäuerinnen, firmeneigene Produkte zu kaufen, und emittiert gleichzeitig gewaltige Mengen von Treibhausgasen.
Was genau planen Sie im Rahmen der anstehenden Aktionstage?
Im Kern planen wir eine große Blockade mit Hunderten TeilnehmerInnen aus mehreren Ländern. Wir wollen damit sowohl den Betrieb praktisch unterbrechen als auch Öffentlichkeit schaffen und über die Hintergründe und Praktiken von Yara informieren. Also die Aufmerksamkeit auf die Auswirkungen der industriellen Landwirtschaft auf das Weltklima und lokale Gemeinschaften lenken und gleichzeitig die Zerstörung dort aufhalten, wo sie geschieht. Wir haben uns auch schon bei einem Treffen im vergangenen Jahr auf einen Kodex für die Aktion verständigt.
Wie sieht der aus?
Wir wollen ruhig, aber entschlossen und gemeinsam vorgehen. Wir werden Absperrungen durch die Polizei oder den Werkschutz umgehen oder durch die Ketten hindurch fließen, uns aber nicht provozieren lassen. Und wir sind auch nicht auf eine Eskalation aus und werden niemanden in Gefahr bringen. Die Blockade richtet sich ausdrücklich weder gegen die Beschäftigten von Yara noch gegen landwirtschaftliche Produktionsbetriebe oder gegen die Polizistinnen und Polizisten.
Sie können doch gar nicht sechs Tage am Stück blockieren.
In der Nähe der Fabrik wird es ein Agrar- und Klimagerechtigkeitscamp geben. Als Rückzugsraum, zum Schlafen, zum Essen. Und als Raum für Vernetzung, Informationsveranstaltungen und Workshops. Das finden wir gut und wichtig, da wir nicht nur die direkte Aktion, sondern auch Weiterbildung und Austausch über das Thema brauchen, um die Agrarwende zu schaffen und damit einem gerechteren Wirtschaftssystem näher zu kommen.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links