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Aktivistin über Störung von Kaeser-Rede„Ich bin einfach die Treppe runter“

„Noe Ito“ stürmte am Montag vor 3.000 Zuschauern die Bühne – und stahl dabei Siemens-Chef Joe Kaeser die Schau. Eigentlich war das ganz leicht.

Für die ökologisch orientierten AnarchistInnen betreiben die Konzerne Greenwashing, mehr nicht Foto: Manu Fernandez/ap
Interview von Sara Wess

taz am Wochenende: Noe Ito, am Montag sind Sie beim Neujahrsempfand des Mittelstandsverbands vor 3.000 Zuschauern auf die Bühne gegangen und haben dabei Siemens-Chef Joe Kaeser die Schau gestohlen. Wie war das?

Noe Ito: Ich war ja nicht allein, wir waren mehrere Leute. Wie viele, ist egal. Ich war aber sehr überrascht von dem nicht vorhandenen Sicherheitskonzept. Ich hatte mir das alles viel schwieriger vorgestellt. Ich bin einfach die Treppe runter gegangen und stand dann auf der Bühne. Dass es diesen Kaeser getroffen hat, war tatsächlich Zufall. Ich wollte einfach nur auf die Bühne, nachdem die ganzen Staatspräsidenten und Securities weg waren. Danach musste ich meine Personalien abgeben und habe Hausverbot im Maritim-Hotel bekommen. Mal schauen, ob es eine Anzeige gibt.

Etwa die Hälfte Ihrer Rede konnten Sie vortragen, dann brachte Sie ein Sicherheitsmitarbeiter von der Bühne. Sind Sie zufrieden?

Ja, schon. Wir wollten den deutschen Mittelstand, der sich eigentlich immer schön raus hält, einmal konkret ansprechen. Aber es nervt mich, dass die Presse mich konsequent als Klimaaktivistin bezeichnet. Keine einzige Presseperson hat sich die Mühe gemacht, mir zuzuhören oder unser Statement zu lesen. Alle beziehen das nur auf Siemens und lassen denen zu viel Raum in ihrer Berichterstattung.

Im Interview: „Noe Ito“

will ihren echten Namen nicht nennen. Ihr Pseudonym bezieht sich auf Itō Noe, eine japanische Feministin und Anarchistin. Die Aktivistin gehört zu einer Gruppe, die sich selbst nicht als Gruppe bezeichnen will. Deren Mitglieder eint eine „anarchistische, feministische, antifaschistische“ Haltung. Noe Ito schweigt über ihr Alter, sagt aber, sie sei „keine Jugendliche mehr“.

Kämpfen Sie denn nun für mehr Klimaschutz oder gegen den Kapitalismus?

Beides natürlich. Das eine lässt sich ohne das andere nicht denken. Wir sind ökologisch orientierte AnarchistInnen. Ohne eine grundsätzlich Veränderung der herrschenden Verhältnisse wird sich auch das Klima nicht verbessern. Das ist alles eine große Lüge, die uns da von den Konzernen aufgetischt wird.

Siemens-Chef Kaeser sagte nach Ihrer Rede, man müsse Ihre Belange ernst nehmen und seine Tür stünde Ihnen offen. Was halten Sie davon?

Natürlich hat niemand von uns Bock, sich mit denen an einen Tisch zu setzen. Das, was die machen, ist Greenwashing, deshalb hatte ich ja auch die grüne Farbe im Gesicht. Das sollte ein Handabdruck sein, von genau diesen Leuten, die sich mit dem Greenwashing grüne Hände machen. Und uns so den Mund verbieten. Wir wissen alle, dass die nur Angst haben, ihre Stellen zu verlieren, ihren Status Quo. Dass das, was die sagen, gelogen ist.

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8 Kommentare

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  • 0G
    05158 (Profil gelöscht)

    Noe Ito hat recht.



    .."Ohne eine grundsätzliche Veränderung der herrschenden Verhältnisse wird sich auch das Klima nicht verbessern. Das ist alles eine große Lüge, die uns da von den Konzernen aufgetischt wird...."



    Da ist was dran!



    Streiten lässt sich über die Form der grundsätzlichen Veränderung.



    Ich lehne mich gerne noch ein bischen aus dem Fenster und schreibe das in den Aussagen zwischen Herrn Kaeser und z.B.Frau Giffey(in ihrem jeweiligen Bereich) Übereinstimmung besteht.

  • für mehr Klimaschutz oder gegen den Kapitalismus?Beides natürlich. Das eine lässt sich ohne das andere nicht denken."



    Wer schlecht im Denken ist, sollte auch keine Bühnen stuermen.



    Natuerlich kann man auch mit kapitalistischer Wirtschaftsordnung das klima schuetzen. Meistens ist ein Ziel einfacher zu erreichen als zwei.

    • @meerwind7:

      "Natuerlich kann man auch mit kapitalistischer Wirtschaftsordnung das klima schuetzen."

      Solange das Hauptziel die monetäre Gewinnmaximierung ist wird das nicht klappen, denn Lebensraumschutz kostet Geld und senkt die Rendite.

      Bisher wurden einfach grosse Teile der Erzeugungs- und Betriebskosten in die Umwelt geblasen, sprich: der Allgemeinheit aufgebürdet.

      Da muss zumindest der Staat einige Riegel vorschieben, für alle gleich.

    • @meerwind7:

      Ich finde Ihre Überlegung nicht schlecht.



      Zwar gefällt mir die Idee, eine Bühne zu stürmen um auf die Umstände aufmerksam zu machen und sich Gehör zu verschaffen.



      Was mir nicht gefällt, ist die grundsätzliche Ablehnung, sich mit anderen Leuten an einen Tisch zu setzen. Greenwashing hin oder her. Man muss den Mut haben, auf die Leute zuzugehen und darf keine Ausreden haben, wenn einem die Leute die Hand reichen um zu sprechen. Das gehört zur Demokratie dazu und ist meiner Ansicht nach der einzig wirkliche Weg, etwas zu verändern.

      • @alexxcologne:

        Das Ziel der Konzernvertreter ist hier ja gar nicht, ökologisch weiterzukommen, sondern lediglich so zu scheinen und Prozesse zu verzögern. Ein Blick in die Geschichte dieser Konzerne öffnet die Augen.

    • @meerwind7:

      So schlecht ist das Denken nicht. Wenn man sich mal nicht in die Tasche lügt, hat der Kapitalismus wegen der Priorität auf Profitmaximierung als Grundkonzept die rücksichtslose und unbegrenzte Ausbeutung von Mensch und Natur. Dabei wurde und wird er nur durch externe Faktoren abgemildert.

      Mittlerweile hat der Kapitalismus einen globalen Wirkungsbereich, ist nur noch wenigen Bremsfaktoren ausgesetzt und entsprechend global sind die Schäden.

      Die Klimaveränderung ist nur eins von vielen Symptomen des Kapitalismus. Weitere sind Monopolbildung, Verantwortungslosigkeit, Rechtlosigkeit, Müllberge, Umweltschäden, Auslagerung der Kosten, permanente Manipulation (aka Werbung und Lobbyismus), Demokratieabbau, Atomisierung von Gesellschaften, Abbau von Kultur, Anwachsen der Ungleichheit, Stress, Perspektivlosigkeit und Minderung der Qualität in allen Bereichen.

      Dieses System skaliert nicht. Es scheint nur so, weil im Kapitalismus ständig neue Bereiche zur Ausbeutung erschlossen werden (müssen). Die jüngste Form ist der Datenkapitalismus. Es ist kein nachhaltiges System, sondern nur ein Herrschaftssystem der Besitzenden.

      Aber wenn die globalen Ressourcen erschöpft sind, ist endgültig Schluss. Wenigstens können wir dann sagen: "Wir waren dabei".

    • @meerwind7:

      In der heutigen Form ist der Kapitalismus grundsätzlich antiökologisch. Sagt Grégoire Chamayou. Der hat ein paar Bücher geschrieben und kann ziemlich gut denken.

    • @meerwind7:

      Und wer schlecht im Denken ist, beurteilen sie?