Protest bei Kaeser-Rede: „I will survive“

In Berlin stürmt eine Aktivistin die Bühne und hält eine antikapitalistische Rede vor Siemens-Chef Joe Kaeser. Der gibt sich gelassen.

Die Aktivistin "Noe Ito" steht am Rednerpult und spricht, während Siemenschef Kaeser am Bühnenrand wartet

Die Aktivistin „Noe Ito“ spricht, während Siemens-Chef Kaeser am Bühnenrand wartet Foto: dpa / Andreas Hoenig

BERLIN taz | Der Bundesverband mittelständische Wirtschaft wollte ungestört Neujahr feiern. 3.000 Gäste waren am Montagabend ins Berliner Maritimhotel gekommen, um Reden des Präsidenten von Senegal und der BundesministerInnen für Familie, Franziska Giffey (SPD), und Wirtschaft, Peter Altmaier (CDU), zu lauschen. Doch beim Auftritt von Siemens-Chef Joe Kaeser wurde die Party gestört. Denn als er sprechen wollte, stand bereits eine kurzhaarige Frau in Weste am Rednerpult.

Sie nennt sich Noe Ito, nach einer japanischen Anarchistin. Ihr Auftritt wurde gefilmt und ist auf YouTube zu sehen: „Sie sind an der Zerstörung unseres Planeten beteiligt“, klagte sie die Anwesenden auf Englisch an. „Und Sie wissen es.“ In ihrem Gesicht und an den Händen klebte grüne Farbe. „Wenn es Ihnen egal ist, dann ist das eben so. Aber wenn Sie einfach nur Angst haben, Angst, Ihren Job zu verlieren, dann hören Sie jetzt zu.“

Hinter der Aktion steht nicht Fridays for Future, nicht Greenpeace oder Extinction Rebellion. Noe Ito gehört zu einer Gruppe, die keine Gruppe sein will. „Wir sind keine Organisation mit Namen“, sagt sie später zur taz auf Deutsch. „Es geht mehr darum, Widerstand als natürliche Haltung anzusehen und zu hoffen, dass viele verstehen, dass es keine Masse braucht, um etwas zu verändern.“ Klimaschutz müsse mit einem Systemwechsel einhergehen, sagt die Frau, die ihren Namen nicht nennen will.

„Das eine lässt sich ohne das andere nicht denken. Wir sind ökologisch orientierte AnarchistInnen. Ohne eine grundsätzlich Veränderung der herrschenden Verhältnisse wird sich auch das Klima nicht verbessern.“ Bei der Aktion vor dem Mittelstand forderte die Aktivistin, dass die Anwesenden Verantwortung übernehmen. „Sie wissen alle, worum es hier geht. Es geht um Leben und Tod. Um ein System, dass Sie miterschaffen haben.“

Gegen den Kapitalismus

Nach 90 Sekunden betrat ein Sicherheitsmitarbeiter die Bühne, ergriff ihren Arm, doch Siemenschef Kaeser signalisierte: Die Frau soll bleiben. „Ich habe noch ein Lied“, sagte Noe Ito. „Dieser Song geht raus an den Kapitalismus!“, rief die Aktivistin, „und an Sie, deutscher Mittelstand!“ Sie begann zu singen, „I will survive“ von Gloria Gaynor, ohne Mikrofon, während sie langsam von der Bühne geschoben wurde. Das Publikum applaudierte.

„Der Refrain passt zu uns widerständigen Bewegungen“, erklärt sie später. „Alles, was wir tun, tun wir aus Liebe, nicht aus Hass, so kitschig das auch klingt.“

Kaeser reagierte gelassen auf die Störung. „Ich hätte der jungen Frau gerne gesagt: Mach doch mit. Komm an den Tisch.“ Doch das will Noe Ito nicht, sagt sie. „Die grüne Farbe in meinem Gesicht sollte ein Handabdruck sein, der den Mund zuhält. So wie Greenwashing.“ Genau das habe Kaeser im Anschluss versucht. „Genau diese Art von Rhetorik, wir sollten uns mit ihnen an einen Tisch setzen, wir wären die Zukunft, blabla. Wir alle wissen, dass das gelogen ist. Dass die Angst haben, ihre Stelle zu verlieren.“

Mit den Protesten anlässlich Siemens' Adani-Projekt habe die Aktion nichts zu tun gehabt. „Der Empfang war eine gute Möglichkeit, ans Herz der Bestie zu kommen.“ Dass es „diesen Kaeser“ getroffen hat, sei tatsächlich Zufall, sagt Noe Ito. „Ich wollte einfach nur auf die Bühne, als die ganzen Securities wegwaren.“

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