AktivistInnen blockieren Rheinmetall: „Heute keine Waffen“
In Unterlüß haben hunderte Menschen die Zufahrten eines Kriegswaffenwerks von Rheinmetall blockiert. Die Firma steht wegen Exporten in der Kritik.
„Das Ziel ist, Rheinmetall zu blockieren, indem wir den Schichtwechsel verhindern: Heute sollen keine Waffen produziert werden“, sagte eine Aktivistin, die sich Jaque nennt. Sie ist Teil der Gruppe, die die Hauptzufahrt zum Werk blockiert hat. „Wir fordern eine Umstellung auf zivile Produktion.“
Die Blockaden gingen aus vom Camp „Rheinmetall entwaffnen“. Es findet eine Woche lang im niedersächsischen Unterlüß statt, dem Sitz von Rheinmetall Waffe und Munition (RWM). Rheinmetall ist das größte Rüstungsunternehmen Deutschlands: 2018 hat es 6,15 Milliarden Euro Umsatz gemacht, davon mehr als die Hälfte in der Militärsparte. In Unterlüß betreibt es unter anderem den größten privaten Schießplatz Europas.
Das Unternehmen nutze die Strukturschwäche des Ortes aus, sagt Jaque. „Wir sehen die Hauptschuld nicht bei den Menschen, die hier arbeiten. Wir sehen die Schuld bei Rheinmetall: Sie profitieren davon, dass die Leute kaum einen anderen Arbeitsplatz finden. Das gleiche machen sie auf Sardinien und in Südafrika.“
Tricks mit Tochterfirmen
In Deutschland ist es eigentlich politischer wie rechtlicher Grundsatz, Rüstungsunternehmen den Verkauf von Kriegswaffen an Länder nicht zu genehmigen, die sich in bewaffneten Auseinandersetzungen befinden oder darauf zu bewegen. Aus internen Dokumenten ist bekannt, dass Rheinmetall-Vorstand Armin Papperger das Unternehmen möglichst unabhängig von solchen Vorgaben machen will.
Auf Sardinien beispielsweise betreibt eine hundertprozentige Tochter der RWM – die RWM Italia – eine Bombenfabrik bei Domus Novas, einem Gebiet mit hoher Arbeitslosigkeit. Über die RWM Italia sind laut Berichten der ARD unter anderem 1.000 bis 1.500 Bomben pro Monat an Saudi-Arabien geliefert worden. Saudi-Arabien ist Kriegspartei im Jemen-Krieg und setzte dort Bomben aus Sardinien ein.
In Südafrika ist Rheinmetall ein Joint Venture mit dem Staatskonzern Denel eingegangen. Die Rheinmetall Denel Munition (RDM) produziert in Sommerset West, einem Ort mit hoher Arbeitslosigkeit. An Schulen vor Ort verschenkt das Unternehmen Chemiebaukästen. RDM exportiert „schlüsselfertige Anlagenlösungen“: ganze Munitions- und Bombenfabriken. Die Käuferländer hält das Unternehmen geheim, doch inzwischen sind Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Ägypten bekannt. Alle drei beteiligen sich am Jemenkrieg.
Rundum blockiert
Während in Unterlüß am Freitag Jaque und etwa 100 andere Aktivist*innen quer auf der Hauptzufahrt des RWM-Werks saßen, blockierten andere Gruppen Parallelstraßen, Felder, Kleingärten: Wo auch immer Rheinmetall-Mitarbeiter*innen versuchten, zu Fuß oder mit dem Rad doch irgendwie zur Arbeit zu kommen.
Ein Aktivist, der sich Otto nennt, beteiligte sich an einer kleinen Blockade auf einem Waldweg, direkt am Werkszaun. „Ich denke, als Bürger der Bundesrepublik Deutschland habe ich eine politische Verantwortung dafür, was passiert und was gemacht wird“, sagte er. „Wenn hier Kugeln gegossen werden, die dann in den Köpfen von Zivilisten landen, frage ich mich, was ich tun kann, um einen Gegenpol zu setzen.“
Die Polizei war bei „Rheinmetall entwaffnen“ mit wenigen Kräften vor Ort. Am Freitag räumte sie lediglich eine der Blockaden, um einer Autokolonne von Rheinmetall-Mitarbeiter*innen zu ermöglichen, das Werksgelände zu verlassen. Augenzeug*innen schildern, ein Mitarbeiter habe dabei einen Polizisten und einen Aktivisten angefahren.
Mitarbeiter im Home Office
Geheim war die Aktion von „Rheinmetall Entwaffnen“ nicht: Sie war online angekündigt worden. „Wir haben uns entsprechend auf die Störungen eingestellt, indem wir mit Lieferanten zum Beispiel andere Termine vereinbart oder wichtige Auslieferungen vorgezogen haben“, sagte Rheinmetall-Sprecher Hoffmann. „Manche Mitarbeiter arbeiten heute im Home Office, andere haben sich einen Tag frei genommen.“ Auswirkungen habe die Blockade gehabt – aber Produktionsausfälle habe es nicht gegeben.
„Es ist ein Tropfen auf den heißen Stein und im Prinzip bringt es nichts“, sagte Aktivist Otto. „Aber es ist wichtig, gemeinsam kleinere Ziele zu erreichen. Den Produktionsablauf ein bisschen zu behindern. Menschen, die von uns in der Zeitung lesen, wissen, dass uns gibt und dass wir das nicht möchten.“ Die Blockade des Werks hielten die Aktivist*innen bis etwa 16 Uhr aufrecht – wie zuvor angekündigt. Dann zogen sie als Demo zurück in ihr Camp.
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