Aktivist über Klima- und Coronakrise: „Manches ist nicht mehr zeitgemäß“
Extinction Rebellion ruft am Freitag zu bundesweiten Aktionen auf. Die AktivistInnen wollen unter anderem den NDR besetzen.
taz: Herr Pfaff, Extinction Rebellion hat lange nichts von sich hören lassen. Wie erging es der Bewegung im Lockdown?
Tino Pfaff: Die Pandemie hat uns in ein kleines Tief gestürzt. Viele haben sich erstmal zurückgezogen, weil sie verständlicherweise anderes zu tun hatten. Einige von uns sind älter und haben Familie. Da sind schon ein paar Strukturen eingebrochen.
Haben Sie die Zeit für eine grundsätzliche Neuausrichtung genutzt?
Zum Teil laufen solche Prozesse, zum Beispiel arbeiten wir an einer engeren Zusammenarbeit mit XR-Gruppen im globalen Süden und an der Neuformulierung unserer Forderungen.
Umweltaktivist, Sozialarbeiter und Sozialpädagoge. Er studiert derzeit im Masterstudiengang Gesellschaftstheorie an der Universität Jena.
Was wollen Sie verändern?
Die Forderungen sind in manchen Aspekten nicht mehr zeitgemäß oder sind Teil des Problems geworden. Zum Beispiel die Forderung, den Klimanotstand auszurufen. Das haben mittlerweile zahlreiche Städte und Gemeinden gemacht, aber die Konsequenzen sind ausgeblieben. Wenn wir das weiter fordern, stützten wir genau diese Symbolpolitik, die keine Handlung nach sich zieht.
Was noch?
Klimaziele müssen sozial verträglich umgesetzt werden, deshalb wollen wir die Klimagerechtigkeit stärker betonen. Wenn sich etwa die Bundesregierung mit der Reduktion von Treibhausgasen schmückt, weil Produktionsstätten ins Ausland verlegt werden, hat das mit Klimagerechtigkeit nichts zu tun.
Am Freitag startet eine bundesweite „Aktionswelle“, was haben Sie vor?
Wegen des Infektionsschutzes machen wir keine Massenaktion, sondern mobilisieren dezentral. In 45 Städten haben die Ortsgruppen Aktionen angemeldet, die sich gegen die Bundesregierung, Ministerien, Lobbybüros und Unternehmen richten, die den Klimaschutz blockieren. Es wird auch offene Bürger*innenversammlungen und nicht angemeldete Aktionen des zivilen Ungehorsams geben.
In der Vergangenheit wurde Ihr Vorgehen zum Teil kritisiert, weil Sie eng mit der Polizei kooperiert und sich in der Wahrnehmung einiger linker Gruppen nicht stark genug von Rechten abgegrenzt haben.
Die Polizei hat ein Nazi- und ein Rassismusproblem. Das müssen wir als Gesellschaft thematisieren und grundlegende Veränderungen fordern. Aber Menschen sind keine Institutionen und ich bin überzeugt, dass es Polizist*innen gibt, die verstehen, dass wir das auch für sie und ihre Familien tun. Wir verfolgen weiterhin die Devise, dass bei unseren Aktionen alle willkommen sind, die meinen, dass wir einen Systemwandel und eine Neuausrichtung der Politik brauchen, gerade was die Abhängigkeit von der Lobby angeht. Aber Menschen, die Verschwörungsmythen anhängen oder antisemitische Ressentiments pflegen, haben bei uns nichts zu suchen.
Die Hamburger Ortsgruppe will den Norddeutschen Rundfunk blockieren. Da sind Sie aber schon im Fahrwasser rechten Mediengegner*innen.
Wir sind gegen eine pauschale Medienkritik, aber solange es Sendungen wie „Börse aktuell“ gibt, aber nicht „Klima aktuell“, haben wir ein Wahrnehmungsproblem. Deshalb fordern wir die ARD auf, ein regelmäßiges Format zu Klimawandelfolgen zu entwickeln. Wir wenden uns explizit an öffentlich-rechtliche Sender, weil wir sie als Verbündete sehen.
Leser*innenkommentare
Andreas Bitz
Kühler, verregneter Sommer, Kurzarbeit, Corona, Schulen zu, Autoindustrie erledigt, Flieger am Boden, Rassismus-Debatte und andere Medienthemen: XR und FfF haben fertig.
Tripler Tobias
Ich würde mir gerade von der TAZ mehr Distanz zu diesem dubiosen Haufen wünschen.
Sicher darf ich hier keinen Link einkopieren, aber mit "Dezentralität und Angst Telepolis" finden Sie einen interessanten Einblick bei Heise.
Ist schon klar, wird nicht freigeschaltet.
Aymen
Was dies Sendung Börse vor 8 in der ARD soll, habe ich mich auch schon oft gefragt. Als wenn das irgendwem Interessieren würde, ausser ein paar Aktienfreaks und Superreiche. Wahrscheinlich soll es uns täglich die Wichtigkeit unserer Wirtschaft verdeutlichen, nicht daß wir das noch vergessen....und auf blöde Gedanken kommen
Usch Bert
@Aymen stimmt. die Finanzwirtschaft spielt keine Rolle im gegenwärtigen Leben.
Rolf B.
Am Beispiel des Klimanotstandes, den manche Städte ohne jegliche Folgen ausgerufen haben und den Tino Pfaff zu recht anspricht, zeigt sich die ganze Harmlosigkeit einer Klimabewegung, die sich damit begnügt, zu glauben, auf der richtigen Seite zu stehen.
In Köln hatte das fast karnevalistische Züge, als die allseits schwache Oberbürgermeisterin H. Reker den Klimanotstand ausrief nach dem Motto: Do sin mir dabei, dat is prima für das Klima und für Kölle. Natürlich auch ohne Folgen.
Man kann nur hoffen, dass XR etwas mehr Druck ausübt als diese harmlose FfF Bewegung, die stets Gefahr läuft, vom Establishment neutralisiert zu werden, sofern sie das nicht schon ist.
the rednose
Als Aussteiger kann ich vor Extinction Rebellion nur warnen, diese "Bewegung" wird von Esoteriker*innen, Verschwörungsideolog*innen & Antisemit*innen getragen uns setzt manipulative Methoden ein um Mitglieder anzuwerben und zu möglichst Selbstaufopfernden Aktionen zu motivieren. Guten einblick in XR gibt dieser Bericht eines anderen Aussteigers. www.heise.de/tp/fe...Sekte-4701351.html
jonasp
@the rednose Schon lustig :)
Dein Kommentar steht hier so ganz ohne konkrete Argumente. Mensch könnte fast meinen, dass du hier einfach irgendwas schreibst um XR schlecht dastehen zu lassen.
Wenn du den wissenschaftlichen Fakt des menschengemachten Klimawandels als "Verschwörungsideologie" bezeichnest, wieso warst du dann überhaupt bei XR Aktiv? 🤔🤷♂️
Komisch, passt irgendwie überhaupt nicht zusammen was du hier schreibst.
Kontext
@the rednose Wenn "Rednose" nicht weiter beizutragen hat als verbale Anschuldigungen ohne Unterfütterung durch eine Sachdarstellung, dann kann es genausogut der Kommentar eines Fossil-Fuel-Profiteurs sein, der gegen XR Stimmung machen möchte. Wer sich selber als "Aussteiger" deklariert, unterstellt denen, von denen er ausgestiegen ist, eine Art Sekte zu sein. Framing ist alles, ne? Bisschen Substanz wäre schon gut.
Und der verlinkte Bericht bei heise.de sieht eher aus wie ein Report in der Art eines "Wallraff geht zu BILD". Klingt ziemlich nach einer Nöl-Backe.
Jim Hawkins
@Kontext Da rattert aber die Verschwörung. Fossil-Fuel-Profiteur.
Den Bericht auf heise nehme ich nicht so wahr wie Sie.
Und ihre Schaum-gebremste Aggressivität hat für mich eher etwas sektenhaftes.