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Aktivismus, Wahlen und ChinaSpektakuläre Persönlichkeit

„How dare you?“ – Greta Thunbergs emotionale Rede spaltet die Gemüter. Das gilt auch für andere Themen in dieser Woche.

Motiviert viele, muss aber auch viel einstecken: Greta Thunberg Foto: reuters

t az: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche?

Friedrich Küppersbusch: Google Maps warnt jetzt auch vor Naturkatastrophen.

Und was wird besser in dieser?

AfD fährt nach Karte.

Der frühere SPD-Chef Sigmar Gabriel legt sein Bundestagsmandat zum 1. November nieder. Kommt er nochmal zurück ins Hohe Haus?

Klar, das ist dünn und passt also nicht zu Gabriel: die Begründung, er könne nicht zugleich Chef der „Atlantik-Brücke“, Lehrbeauftragter und Abgeordneter sein. Er konnte SPD-Chef, Vizekanzler, Umwelt-, Wirtschafts- oder Außenminister gleichzeitig. Er kann vor allem nicht nichts tun. Das jedoch scheint in Sigmardimensionen ein einfacher Abgeordneter zu tun. Aus seiner Zeit führt die Öffnung der SPD zu R2G-Koalitionen.

Der Verzicht auf eine Kanzlerkandidatur zugunsten Martin Schulz hatte Größe. Kurz: Tolle Bilanz, wenn nicht ein gewisser Sigmar Gabriel, bollerig, ungebeten, belehrend ihm immer wieder das Image versauen würde. Zur Vorsitzwahl nicht anzutreten und dann lieber ganz hinzuschmeißen: Er zieht in den Kyffhäuser, sein Bart wächst durch den Marmortisch, und wartet, bis Deutschland ihn ruft.

Österreich hat gewählt: Siegt die Gemeinheit immer weiter?

Kurz merkelt. Eine Groko und eine Rechtsko hat er bereits überlebt – jeweils mit erheblich beschädigtem Koalitionspartner. Nun kann sich drittens eine ÖVP-Grün-Neos-Koalition ergeben. Nach Wiener Farben „Dirndl-Koalition“: türkis, grün, pink. Neben schlimm Augenkaries eine Option auf Neues in der Umwelt- und Migrationspolitik. Jedenfalls wird Kurz nicht der jüngste Altkanzler ever, sondern bleibt die teflonbeschichtete Skandalnudel an der Regierungsspitze.

Der Rechtsausschuss des Europaparlaments hat zwei umstrittene Bewerber der Kommission von Ursula von der Leyen gar nicht erst zur Anhörung zugelassen. Braucht Frau von der Leyen vielleicht ein paar externe Berater?

Das Parlament erspart es von der Leyen, den Ungarn und die Rumänin auf offener Bühne zu zerlegen. Beide haben Amts- und Privatgeschäfte verquickt. So kann die Kommissions­chefin gen Herkunftsländer auf das böse Parlament zeigen und gen Parlament auf die verpeilten Herkunftsländer. Dann gibt’s neue KandidatInnen und irgendwann eine Kommission. Nicht schlecht beraten.

„How dare you?“ – Greta Thunbergs emotionale Rede spaltet die Gemüter. Manche waren gerührt, andere genervt. Hatten Sie ein Tränchen in den Augen?

Um ein Thema zu setzen, ist eine spektakuläre Persönlichkeit wie Thunberg notwendig. Um es zu überdecken – auch. Wir sind am Scheitelpunkt.

Innenminister Horst Seehofer bietet Italien an, jeden vierten auf See geretteten Flüchtling aufzunehmen. Und die anderen drei?

Frankreich, das frisch tapezierte Italien. Seehofer schwenkt auf den Merkel-Juncker-Kurs eines europäischen Verteilmechanismus. Da mag Revanche mitschweben: Sein rassistischer Kurs wurde ihm nach der Landtagswahl verübelt. Jetzt kann er halt auch linksgrünversifft.

Künftig soll das Bundesarchiv die Stasiakten aufbewahren. Kritiker fürchten nun das Ende der derzeitigen Stasiaktenbehörde. Warum wäre das schlimm?

Technisch mag es eine zweckmäßige Rationalisierung sein. Gestisch ist es zwiespältig: „Jetzt muss auch mal gut sein mit dem ewigen Stasi-Opfer-Ding“ versus „Linke sollen ewig Schulddebatten führen müssen“. Das könnte man ja auch als deutsches Gesamtkunstwerk so stehen lassen und die Akten geräuschloser wegsortieren. Also die Behörde dem Namen nach erhalten und ihre Arbeit ganz einfach ins Bundesarchiv integrieren.

Post aus China ist zu billig. Das findet zumindest Donald Trump und hat angekündigt, aus dem Weltpostverein auszutreten. Welche internationale Beziehung beenden die USA als Nächstes?

China zahlte im internationalen Porto-Ausgleich lange den Schnäppchen-Tarif eines Entwicklungslandes. Daran hatte sich auch die andere Weltmacht, Markus Söders Bayern, gestört. Er versuchte es mit einer schamhaften Bundesrats-Initiative. Vor diesen Titanen gab der Weltpostverein nun nach; Trump und Söder bleiben.

Und was machen die Borussen?

Dahoud: Hacke, Spitze, Ballverlust. Oder in lupenreinem Lucienfavrisch: „ßoufiehl gedribelled“. Voriges Unentschieden wies Kapitän Reus Fragen nach „Mentalitätsscheiße“ zurück. Entertainmentmäßig stramm auf Meisterkurs, der BVB.

Fragen: Lisa Winter, Ambros Waibel

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Friedrich Küppersbusch
Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".
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7 Kommentare

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  • "... die andere Weltmacht, Markus Söders Bayern."



    Endlich hat einer den wahren Wert Bayern erkannt.



    Und des auch noch als Preiß ;-).

  • Thema Greta: Ich habe immer noch nicht begriffen, was denn all die Greta-Kritiker so antreibt. Da wird persönlich geschossen, pseudo-analisiert und kritisiert , sogar vor Fakeinfos wird nicht halt gemacht und und und. Was bewegt diese negative Einstellung zu einem mutigen Mädchen (ich datf das sagen - bin 66!) welches nur eine Zukunft haben will und das anspricht, was wirklich wahr ist: Industrie und Lobby und Politik machen allen was vor - aus niederen Gründen, nämlich Geld- und Machtgier. Wollen diese Menschen keine Zukunft? Ist es Neid weil sie selber - und davon schliesse ich mich nicht aus - nicht wirklich etwas wie Greta machen? Oder geht es denen nur darum, ihren dicken BMW, Audi oder so weiterfahren zu können? Ich kapiere es einfach nicht.

    • @joaquim:

      Naja, es ist weniger eine Kritik an Greta als Person, sondern eine an dem unkritischen, dychotomen („wer nicht unkritisch für sie ist ist den Klimawandelleugner“) und spalterischen Personenkult um sie herum. Das ganze hat zunehmend etwas unangenehm religiöses, wie die FFF-Bewegung allgemein.



      Kritik an Greta und FFF wird zunehmend mit dem Totschlagargument „Hass und Neid“ abgewehrt, auch wenn sie sachlich begründet ist.



      Und nochmal: Als Pragmatiker sind mir populäre (an der Grenze zum populistischen) Massenbewegungen und singuläre Führungspersönlichkeiten einfach generell suspekt - sie überdecken schnell mal den Blick auf nackte Tatsachen und rationales handeln. Emotionen sind oft schlechte Ratgeber für gute Politik - und Greta als Phänomen ist konstruierte Emotion im Quadrat. Greta als reale Person ist ok, aber eben vom Phänomen nicht mehr trennbar - unangenehm sind vor allem ihre treuen Fans. Mit denen zu diskutieren ist wie mit den Zeugen Jehovas zu reden.



      Und die praktischen Klimaschutzthemen treten hinter diese sinnlose Personendiskussion zurück - in dem Sinn war Greta vielleicht ein guter Aufmerksamkeitsgeber (right place, right time), entwickelt sich aber inzwischen in der Sache immer mehr selbst zum ablenkenden Störfaktor.

      Ich kann den Mensch am Strand da sehr gut verstehen, aus meiner Sicht ist nichts an seinem Verhalten merkwürdig. Es ist sinnlos sich an der Person Thunberg abzuarbeiten - lasst uns über pragmatischen Klimaschutz sprechen, nicht über den Fanclub und die Starauftritte einer sechzehnjährigen medial konstruierten Ikone.

      • 9G
        90946 (Profil gelöscht)
        @hup:

        Ich hoffe auch, dass die "Ikone" und die Emotionen gegen und für sie nun nicht notwendige Diskussionen, Entscheidungen und Maßnahmen überlagern!



        Personenkult ist ein - für manche nützliches - Ablenkungsmanöver.



        GT als Person gebührt Respekt und Dank für die Hartnäckigkeit und Rücksichtslosigkeit, mit der sie ihre Sorge geäußert und ihr Anliegen zu unserem zu machen versucht und ins öffentliche Bewusstsein gehieft hat.



        Welche stürmischen Emotionen sie bei Anhängern und Abwieglern auslöst, ist schon erstaunlich, aber m.E. nicht ihr anzulasten.



        Ich frage mich auch, ob wir diese medialen Hypes und großen Emotionen nicht tatsächlich brauchen? Denn obwohl die Fakten mehr oder weniger seit Jahrzehnten bekannt sind, kamen sie nie gegen die Abwehr und Bräsigkeit der gesellschaftlichen Mehrheit und die Interessen der Wirtschaft an.

    • @joaquim:

      Um der Unverständlichkeit noch eins drauf zu setzen: ich traf unlängst an der Nordseeküste jemanden, der eifrig mit der Platiktüte in der Hand Plastikmüll und anderen Kram sammelte. Der Mann war sehr aufgeregt und engagiert. Er sagte "was fällt denen eigentlich ein, hier ihren Dreck hinzuwerfen. Es braucht nur ein paar Leute, um das wieder aufzuheben. Wenn jeder ...". Der spannende Part: er meinte "... da brauche ich kein 16jähriges Mädchen, mir sagen zu lassen, was ich zu tun habe".



      Also er war eigentlich auf ihrer Seite, aber doch irgendwie genervt von ihr. Ich meinte "sie will ja das Übel an der Wurzel anpacken und dafür sorgen, dass nicht noch mehr Deppen ihren Dreck in die Nordsee werfen", aber er war irgendwie nicht zu überzeugen.



      Merkwürdig.

      • 9G
        90946 (Profil gelöscht)
        @Jalella:

        Solche Reaktionen fallen mir auch auf, gerade bei älteren Leuten, denen Umwelterhalt ebenfalls ein Anliegen ist. Wahrscheinlich Scham? Dass man in Jahrzehnten nicht geschafft, dem Thema das notwendige Gewicht zu geben? Und dann provoziert die absolute Gewissheit und die Vorwurfshaltung der Jüngeren auch, die noch nicht sehen, aus welchen Vorgängern sich ihre Bewegung speist. Die eigenen Bemühungen werden als ungenügend abgestempelt, das kann kränkend sein.



        Denken wir an das Ziel einer nachhaltigeren Lebens- und Wirtschaftsordnung - was dem nützt, ist unterstützendswert, jaulendes Ego hin oder her ;-)

    • 7G
      75064 (Profil gelöscht)
      @joaquim:

      Ich verstehe es sehr gut - ad hominem eben.



      Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Thematik ist von den Befürwortern des "weiter so" nicht zu gewinnen, also versuchen sie, die vermeintliche Protagonistin in Misskredit zu bringen. In Ihrem vorletzten Satz steckt m.E. die Motivation dafür.