Aktionstag für Abtreibung in Argentinien: „Die Freiheit gehört uns!“
Bei einem Wahlsieg des Favoriten Javier Milei könnte es wieder zum Abtreibungsverbot in Argentinien kommen. Zehntausende Frauen bieten ihm die Stirn.
Buenos Aires taz | Am Aktionstag für einen sicheren und legalen Schwangerschaftsabbruch haben Frauengruppen und feministische Organisationen in Lateinamerika und der Karibik für das Recht auf Abtreibung demonstriert. Auch dieses Mal waren vor allem in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires Tausende auf die Straße gegangen und mit ihren grünen Halstüchern zum Kongressgebäude gezogen.
Die Marea Verde – die grüne Welle – für die Legalisierung und Entkriminalisierung von Abtreibungen war vor Jahren von Argentinien ausgegangen, nachdem Zehntausende von Frauen mit dem grünen Symbol auf die Straße gegangen waren, um ihre Rechte einzufordern. In Argentinien ist seit 2021 ein freiwilliger Schwangerschaftsabbruch bis zur 12. Woche erlaubt.
Allerdings war der diesjährige Marsch von den in drei Wochen anstehenden Präsidentschafts- und Kongresswahlen geprägt. „Wir müssen den rechten Kandidaten die Stirn bieten und dem gesamten politischen Spektrum klarmachen, dass wir eine Rücknahme unserer erkämpften Rechte nicht hinnehmen werden“, erklärte Lucía Cavallero vom Frauenkollektiv Ni Una Menos.
Bei den Vorwahlen im August hatten rechte und konservative Kandidat*innen mehr als zwei Drittel der Stimmen errungen. Die meisten erhielt der selbsterklärte Anarcho-Kapitalist Javier Milei. Ihm werden inzwischen gute Chancen auf einen Sieg bei der Präsidentschaftswahl eingeräumt.
Argentinien droht die Abschaffung des Frauenministeriums
Milei hat sich klar gegen das Recht auf Abtreibung ausgesprochen und bei einem Wahlsieg ein Referendum über das bestehende Abtreibungsgesetz versprochen. Auch kündigte er die Abschaffung des Ministeriums für Frauen, Gender und Diversität an.
Für einen möglichen Triumph des 52-Jährigen werden jedoch auch die Stimmen der weiblichen Wahlberechtigten entscheidend sein, da seine bisherige Anhängerschaft hauptsächlich männlich ist.
„Wir gehen auf die Straße, um unsere Rechte zu verteidigen. Die derzeitige Situation bedeutet, dass sie in Gefahr sind, und das werden wir nicht zulassen“, erklärte Nina Brugo, Anwältin und Mitverfasserinnen des Abtreibungsgesetzes.
Der Aktionstag ist für viele Länder wichtig
Ein zentrales Motto des Marsches lautete denn auch „La Libertad es nuestra“ (Die Freiheit gehört uns), eine klare Anspielung auf Mileis rechte Partei „La Libertad Avanza“ (Fortschritt der Freiheit).
„Dennoch ist der heutige Tag ein Aktionstag für eine sichere und legale Abtreibung in Lateinamerika und in der ganzen Welt, denn es gibt viele Länder, in denen es sie nicht gibt“, so Brugo. Erst Anfang September hatte der Oberste Gerichtshof Mexikos eine Bestrafung von Frauen wegen eines Schwangerschaftsabbruchs in ganz Mexiko für ungültig erklärt.
Dabei war Mexiko-Stadt der erste lateinamerikanische Verwaltungsbezirk, der im Jahr 2007 einen Schwangerschaftsabbruch erlaubte.
Brasiliens Frauen können hoffen
Brasilien könnte das nächste Land sein, das von der „grünen Welle“ erfasst wird. Vor einigen Tagen begann der Oberste Gerichtshof mit der Prüfung eines Antrags, der die Abtreibung zumindest entkriminalisieren würde. Derzeit ist eine Abtreibung in Brasilien nur in Fällen von Vergewaltigung, Lebensgefahr für die Mutter oder schweren Missbildungen des Fötus erlaubt.
Dagegen lehnen Honduras, Nicaragua, El Salvador, die Dominikanische Republik, Haiti, Surinam und Jamaika nach wie vor jede Lockerung ihrer Gesetze ab, die in einigen Fällen hohe Haftstrafen vorsehen.
Der globale Aktionstag geht auf ein Treffen lateinamerikanischer und karibischer Frauen im November 1990 im argentinischen Küstenort San Bernardo zurück. In ihrer damaligen Erklärung forderten sie die Legalisierung der Abtreibung und bestimmten den 28. September zum „Tag für das Recht auf Abtreibung von Frauen in Lateinamerika und der Karibik“.
Das Datum war ein Vorschlag brasilianischer Frauengruppen. Am 28. September 1871 war in Brasilien das sogenannte Gesetz der „freien Bäuche“ verabschiedet worden, das allen von versklavten Frauen zur Welt gebrachten Neugeborenen die Freiheit zusicherte.