Aktionsplan für EU-Asylreform: Neustart gefordert
21 Organisationen aus EU-Ländern wollen, dass die neue EU-Kommission die Blockade in der Asylpolitik löst. Dafür haben sie jetzt Ideen veröffentlicht.
Am Montag stellt in Berlin eine Koalition aus der Zivilgesellschaft dazu einen Aktionsplan vor. Ähnliche Appelle für eine humanere Asylpolitik gab es in der Vergangenheit einige, doch keiner wurde von NGOs aus West-, Süd- und Osteuropa gemeinsam verfasst.
Die nun von 21 Organisationen aus Frankreich, Deutschland, Tschechien, Polen, Italien und Griechenland, darunter die Diakonie Deutschland und Terre d'Asile aus Frankreich, unterzeichnete „Berliner Erklärung“ fordert einen „Neustart“ in der Asylpolitik. Als ersten Schritt dazu schlägt sie vor, dem EU-Recht überhaupt wieder Geltung zu verschaffen: Die neue Kommission solle die massenhaften, rechtswidrigen Zurückweisungen etwa aus Kroatien oder Griechenland ebenso beenden wie „den Nahrungsentzug und die unmenschlichen Behandlung in den ungarischen Grenzgebieten.“
Kern aber ist die Idee eines einheitlichen EU-Asylstatus. Dabei sollen alle Mitgliedstaaten Asylentscheidungen gegenseitig anerkennen. Die Folge wäre, dass anerkannte Flüchtlinge sofort Freizügigkeit genießen würden, statt wie bisher bis zu fünf Jahre nur im Land des Asylverfahrens leben und arbeiten zu dürfen. So könnten sie sich rasch europaweit auf Arbeitssuche begeben. Eine Folge wäre, dass auch ohne eine Reform der Dublin-Richtlinie die überproportionale Belastung der Außengrenzen-Staaten gemildert würde.
Eine scheinbar unauflösbare Blockade
Die alte Kommission hat seit 2015 versucht, die Asyl-Architektur der EU neu zu regeln. Unter anderem ging es bei den Verhandlungen darum, den Staaten an den EU-Außengrenzen nicht länger die alleinige Verantwortung für die Aufnahme aller Ankommenden aufzubürden. Dies hatte vor allem in Italien maßgeblich zum Aufstieg der rechten Lega beigetragen. Doch unter anderem die osteuropäischen Staaten sperren sich bis heute gegen jeden aus Brüssel angedachten Verteilungsschlüssel. Das Ergebnis: Eine scheinbar unauflösbare Blockade.
Das Innenministerium hatte Mitte November in einem internen Schreiben seine Überlegungen dazu ausgebreitet, wie es trotzdem weitergehen soll. Dabei hatten die Beamten auf die enorme Unwucht innerhalb der EU hingewiesen: „Relativ bemessen (Schutzsuchende/Einwohner) unterscheiden sich die Belastungen in den Mitgliedstaaten teils um mehr als das 300-Fache.“
Dem BMI schwebt deshalb vor, Asylvorverfahren schon an den Außengrenzen durchzuführen. Dazu sollen offenbar Asylbeamte etwa aus dem BAMF in entsprechende Einrichtungen zum Beispiel in Griechenland entsandt werden. Anträge, die „offensichtlich unzulässig“ oder „unbegründet“ sind, sollen unmittelbar an der Außengrenze abgelehnt werden. Personen, die etwa wirtschaftliche Gründe geltend machen, aber auch solche, die durch vermeintlich „sichere Drittstaaten“ gereist sind, sollen so direkt zurückgewiesen werden können. Die wenigen Flüchtlinge, die diese „Vorprüfung“ bestehen, sollen dann nach einem auf Bevölkerungszahl und Wirtschaftskraft basierenden Schlüssel unter den EU-Staaten aufgeteilt werden.
In dem Berliner „Aktionsplan“ warnen die Unterzeichner vor allem vor der verpflichtenden Prüfung, ob die Flüchtlinge durch „sichere Drittstaaten“ gereist sind. „Dies würde ein falsches Signal an diejenigen Länder senden, die viel größere Zahlen von Flüchtlingen aufnehmen als die EU“, und das Recht auf Schutz insgesamt gefährden, etwa wenn Flüchtlinge dann massenhaft in Drittstaaten wie die Türkei zurückgeschoben werden, die sie am Ende weiter abschieben.
„Schlüsselrolle für deutsch-französisches Tandem“
„Ein ‚Weiter-so‘ darf es nicht geben“, sagte Ellen Ueberschär von der Heinrich-Böll-Stiftung, die die Erklärung initiiert hatte. „Wir erwarten von der Kommission, dass sie als Hüterin der EU-Verträge die verheerende Situation für Asylsuchende an den Außengrenzen abstellt“, sagt Diakonie-Präsident Ulrich Lilie. „Insbesondere dem deutsch-französischen Tandem kommt eine Schlüsselrolle dabei zu, dass die neue Kommission eine gemeinsame Europäische Asyl- und Migrationspolitik voranbringen kann“, sagt Thierry Le Roy, Präsident von France terre d'asile.
Tatsächlich dürften alle Reformansätze, die in Richtung Verteilung oder verbesserte Aufnahmebedingunen zielen, nur dann eine Chance haben, wenn sie nach dem Prinzip der „zwei Geschwindigkeiten“ zuerst von einer Kerngruppe von Staaten umgesetzt werden – ohne, wie bislang zu versuchen, rechts regierte Staaten wie Ungarn oder Polen zur Beteiligung zu zwingen. Dass die „zwei Geschwindigkeiten“ die bessere Strategie sind, hatte erst der am Sonntag erstmals aktivierte Verteilmechanismus für schiffbrüchige Flüchtlinge, auch bekannt als „Malta-Plan“, gezeigt – eine deutsch-französische Initiative.
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