piwik no script img

Afrika-Gipfel „Compact for Africa“Was sind die Zusagen diesmal wert?

Afrikanische Staaten sollen an der Produktion von Corona-Impfstoffen beteiligt werden. Das stellt Kanzlerin Merkel zumindest in Aussicht.

Südafrika und Indien fordern schon länger die eigene Produktion von Impfstoffen Foto: reuters/Zohra Bensemra

Endlich ein Durchbruch? Seit Monaten fordern Länder des globalen Südens, darunter Südafrika und Indien, eine Freigabe der Patente für Corona-Impfstoffproduktionen, um so zu eigenen Bedingungen herstellen zu können. Eine Forderung, die inzwischen von mehr als 65 Nichtregierungsorganisationen unterstützt wird, darunter Ärzte ohne Grenzen, die People’s Vaccine Alliance, medico international, Oxfam, Brot für die Welt und Amnesty International. Mehrere europäische Regierungen, darunter Deutschland, haben sich wiederholt dagegen ausgesprochen.

Auf dem jüngsten Afrika-Gipfel „Compact for Africa“, der auf Initiative der G20-Staaten am vergangenen Freitag in Berlin zum vierten Mal stattfand, vermeidet Bundeskanzlerin Angela Merkel diese Kontroverse, indem sie einen neuen Plan bestätigt. Der südafrikanischen Pharmafirma Biovac in Kapstadt soll als letztes Glied in einer globalen Produktionskette ermöglicht werden, den Impfstoff von Biontech/Pfizer abzufüllen und zu verpacken.

Der Technologietransfer habe bereits begonnen, und die ersten Impfdosen sollen ab Anfang 2022 ausgeliefert werden – pro Jahr insgesamt 100 Millionen Dosen ausschließlich für die 55 Staaten der Afrikanischen Union (AU). Zudem ist die Rede von einer zukünftigen Biontech-Impfstoffproduktion in einer neuen Pharmafabrik in Ruanda, eventuell auch in Senegal, mit günstigen Krediten in „dreistelliger Euro-Millionenhöhe“.

Von Klima bis Corona

Aber wie zuverlässig sind diese Zusagen? Die erste Lizenzproduktion des US-amerikanischen Johnson-&-Johnson-Impfstoffs, die mit großen Hoffnungen im März bei der südafrikanischen Pharma-Firma Aspen begann, war jüngst in Verruf gekommen, weil 32 Millionen der produzierten Dosen nach Europa exportiert worden waren und nur zwei Millionen in Südafrika blieben.

Regierungschefs von 13 afrikanischen Ländern waren der Einladung nach Berlin gefolgt – aus so verschiedenen Staaten wie Ägypten, Äthiopien, Benin, der Elfenbeinküste, Burkina Faso, Ghana, Guinea, Marokko, Ruanda, Senegal, Südafrika, Togo und Tunesien.

Wie auch bei früheren Treffen wurden viele Themen korrekt beim Namen genannt. Von Klima bis Corona scheinen Lösungen ohne partnerschaftliche Kooperation mit dem Nachbarkontinent Afrika unmöglich: Nirgendwo sonst gibt es bei einer wesentlich jüngeren Bevölkerung als in Europa und aufstrebenden Volkswirtschaften, denen vor allem die Infrastruktur für eine eigene Produktion fehlt, einen so großen potentiellen Markt für erneuerbare Energien. „Ihr Ausbau“, so Angela Merkel, „ist von enormer Bedeutung dafür, dass wir unsere globalen Klimaziele auch wirklich erreichen können.“

Impfunterschiede erschweren Kampf gegen Pandemie

Italiens Ministerpräsident Mario Draghi, derzeit G20-Vorsitzender, wies darauf hin, dass in den meisten reichen Ländern inzwischen gut 60 Prozent gegen Corona geimpft seien, bei den ärmeren Ländern oft jedoch nur 1,4 Prozent. „Diese Unterschiede verstärken die globale Ungleichheit und erschweren es für uns alle, die Pandemie zu einem Ende zu bringen.“

Aber warum geht es so langsam voran? Die deutsche Wirtschaft teilt mit, dass allein von 2017 bis 2019 mehr als 1,57 Milliarden Euro zusätzlich an Investitionen nach Afrika geflossen seien. Dieser Anstieg wird von der Tatsache relativiert, dass der gesamte Kontinent nicht mehr als ein Prozent aller deutschen Auslandsinvestitionen erhält.

„Die nächste Bundesregierung täte gut daran, Afrika stärker ins Zentrum ihrer Politik zu rücken“, merkte der Vorsitzende des „Afrika Vereins der deutschen Wirtschaft“, Stefan Liebing, dazu kritisch an. „Keine Region der Welt hat sich in den vergangenen Jahren dynamischer verändert. Unser Afrikabild hinkt den neuen Realitäten weit hinterher.“

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare