Afghan*innen nach Deutschland geflogen: Klägliches Ende der Evakuierungs-Pläne
Rechte Medien skandalisieren, dass afghanische Menschenrechtler*innen eingeflogen werden. Dabei steht das Aufnahmeprogramm ohnehin vor dem Ende.

Wer da kommt, das lässt sich gut zeigen am Beispiel eines Fliegers, der am Mittwoch in Deutschland landete: Von den 132 Menschen an Bord hatten 74 eine Aufnahmezusage über das Bundesaufnahmeprogramm für Menschenrechtler*innen und andere besonders bedrohte Gruppen. Dazu kamen 52 Personen, deren Aufnahmezusage noch über die Verfahren gelaufen war, die 2022 von eben diesem Bundesaufnahmeprogramm abgelöst wurden. Außerdem waren noch eine ehemalige Ortskraft der Bundeswehr mit fünf Familienangehörigen an Bord.
Obwohl noch Flieger landen, hat die Bundesregierung eigentlich alle Aufnahmebemühungen bereits beendet. Es werden bloß noch alte Fälle abgearbeitet, um das Kapitel ganz abzuschließen: Von insgesamt 50.000 Afghan*innen, die eine Aufnahmezusage haben, sind bisher nur etwa 36.000 nach Deutschland gekommen. Neue Zusagen vergibt die Bundesregierung schon seit einigen Monaten nicht mehr.
Während ein Großteil der Ortskräfte wohl in Sicherheit gebracht wurde, ist das Bundesaufnahmeprogramm für besonders gefährdete Gruppen komplett gescheitert. Versprochen waren jeden Monat 1.000 Aufnahmezusagen. Tatsächlich wurden es in den rund 27 Monaten Laufzeit aber gerade einmal 3.000 insgesamt.
Kaum Hoffnung auf neue Bundesregierung
Das liegt nicht daran, dass es nicht genug Menschenrechtler*innen, Frauen, Journalist*innen oder Homosexuelle gibt, die unter den Taliban um ihr Leben fürchten müssen. Stattdessen hat das federführende Bundesinnenministerium unter Nancy Faeser (SPD) die Umsetzung des Programms systematisch verschleppt und verzögert.
Wegen Sicherheitsbedenken, für die nie echte Belege auftauchten, waren die Evakuierungsbemühungen über mehrere Monate sogar ganz ausgesetzt. Dabei waren die Sicherheitsprüfungen durchgehend sehr streng. Immer wieder wurden zudem Menschen mit Aufnahmezusage aus Sicherheitsgründen doch noch an der Einreise nach Deutschland gehindert. Auch beim Flug, der am Mittwoch landete, wurden rund 20 Personen kurzfristig mit dieser Begründung am Einsteigen gehindert.
Dazu kommen all jene, die wohl schutzbedürftig wären, aber nun kaum noch auf Hilfe hoffen können. Den 3.000 Aufnahmezusagen stehen 17.000 Menschen gegenüber, die die deutschen Behörden bereits für eine Evakuierung kontaktiert hatten, deren Fälle dann aber nie abgeschlossen wurden. Weil es in Afghanistan keine deutsche Botschaft mehr gibt, haben diese Menschen sich teils massiv verschuldet und große Entbehrungen auf sich genommen, um nach Pakistan zu gelangen. Nun lässt Deutschland sie im Stich.
Dass sich jetzt so viele Unionspolitiker*innen, Medien und rechte Interessensgruppen über die Flüge echauffieren, dürfte wohl mit der sich anbahnenden Regierungsbildung zu tun haben. Schließlich landeten in den letzten Jahren dutzende solcher Flüge, ohne dass dies größeres Aufsehen erregte. In den Sondierungsgesprächen zwischen SPD und Union dürfte es in den nächsten Tagen auch darum gehen, wie scharf die künftige Migrationspolitik ausfällt.
Dass eine neue Bundesregierung – mutmaßlich unter einem CDU-Kanzler Friedrich Merz – neue Evakuierung von gefährdeten Afghan*innen beschließt, ist aber praktisch ausgeschlossen. Die Union hat in den vergangenen Monaten immer wieder gefordert, jegliche Aufnahmeprogramme sofort einzustellen.
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