Affenpocken in Medienberichten: Vorsicht vor Vorurteilen
Wegen Corona liegen die Nerven blank – und nun auch noch Affenpocken. Doch Medien müssen aufpassen, dass sie nicht in die Ressentiment-Falle tappen.
Ausgerechnet jetzt, wo die gemeldeten Coronazahlen sinken und kaum noch staatliche Infektionsschutzmaßnahmen den Alltag beschränken, genau da breitet sich offenbar die nächste Krankheit aus: die Affenpocken. Das Bundesministerium für Gesundheit meldete am Montag den vierten Fall in Deutschland. Die Weltgesundheitsorganisation WHO berichtete am Wochenende, ihr seien 92 bestätigte Fälle und 28 Verdachtsfälle in 12 Staaten gemeldet worden.
Umso wichtiger, dass Journalist*innen angemessen über die Affenpocken berichten. Denn im deutschen Kontext der Covid-19-Pandemie, der Hunderttausenden Long-Covid-Betroffenen, der Tausenden Toten und der psychisch belastenden Coronamaßnahmen ist Angst vor der nächsten Pandemie verständlich. Aber nach aktuellem Wissenstand ist sie unbegründet. Die Krankheit verläuft milder als Corona und ist weniger ansteckend.
Es gilt, die Krankheit medial ernst zu nehmen, ohne Panik zu verbreiten und vor allem: ohne Vorurteile gegen Gruppen zu bedienen. Das ist während Corona passiert. Interessenverbände wie das UN-Programm gegen Aids oder der Verband der Afrikanischen Auslandspresse FPA warnen zu Recht vor rassistischen und homophoben Stereotypen in der Berichterstattung.
Ein paar Fakten
Aktuell ist das Interesse an den Affenpocken groß, denn so viele Fälle außerhalb des afrikanischen Kontinents gab es bisher noch nie. Es ist zwar keine neuartige Krankheit, aber sie ist selten, es gibt noch wenige Daten. Was wir aktuell für richtig oder gesichert halten, kann sich noch ändern. Das hat es bereits. Dass sich Menschen gegenseitig in diesem Ausmaß infizieren, war auch überraschend. Daher mal ein paar beruhigende Fakten:
Die Affenpocken wurden 1970 zum ersten Mal im Kongo nachgewiesen. In west- und zentralafrikanischen Ländern kam es seitdem immer wieder zu Ansteckungen – vermutlich übertragen vom Tier auf den Menschen. Das kann passieren, wenn Menschen mit dem Blut, Gewebe oder den Ausscheidungen von Tieren in Kontakt kommen. Bis zu drei Wochen können zwischen der Ansteckung und dem Ausbruch der Symptome vergehen. Zu denen gehören dann Fieber, Kopf-, Muskel- und Rückenschmerzen und geschwollene Lymphknoten. Ein paar Tage nach dem Fieber entstehen der Hautausschlag und die Pocken. Meist breiten sie sich vom Gesicht auf Mundschleimhäute, Hände und Füße aus. Laut ersten Berichten sollen sie auch im Genitalbereich auftreten.
Die Affenpocken verlaufen meistens mild und heilen in drei bis vier Wochen von selbst ab. Völlig komplikationsfrei sind sie aber nicht: Offene Hautläsionen können sich entzünden und mit Bakterien superinfizieren, wie zum Beispiel die bekannte Virologin Sandra Ciesek auf Twitter warnt.
Dem ersten Patienten in Deutschland geht es den Umständen entsprechend gut. Am Montag bestätigte die Münchener Klinik, in der er sich kuriert, sein Zustand sei unverändert: „Der Mann hat mit leichten Schluckstörungen und erhöhter Temperatur geringfügige Symptome. Die für die Erkrankung typischen Pusteln lösen einen entsprechenden Juckreiz aus.“ Neue Medikamente gibt es noch keine, allerdings wirkt die normale Pockenimpfung zu 85 Prozent vorbeugend. Ob Kontaktpersonen sich nun diese Impfung holen sollten, das debattieren Expert*innen noch.
Um sich bei anderen Menschen anzustecken, ist nach derzeitigen Erkenntnissen ein direkter Kontakt mit Körperflüssigkeiten oder dem Schorf der Affenpocken nötig. Auch über Atemwegssekrete ist eine Übertragung möglich. Das RKI verweist zudem darauf, dass sich Menschen „auch im Rahmen von sexuellen Handlungen“ infizieren können. „Aktuell scheinen die Risikoexpositionen vorwiegend sexuelle Kontakte unter Männern zu sein“, hieß es vom BMG. „Expositionsorte der in Deutschland bislang bekannt gewordenen Fälle waren Partyveranstaltungen, unter anderem auf Gran Canaria (Spanien) und in Berlin, bei denen es zu sexuellen Handlungen kam.“
Vorsicht in der Berichterstattung
Journalist*innen sollten aber vorsichtig sein, wenn sie platt darüber berichten, Sex unter Männern mit Affenpocken in Verbindung zu bringen. Der stellvertretende Direktor des UN-Aids-Projekts UNAIDS warnt davor, dass das schnell in stigmatisierende Rhetorik umschlagen könnte. Neben den generellen diskriminierenden Effekten könnte das die Betroffenen auch davon abhalten, sich im Gesundheitssystem Hilfe zu suchen.
Dass Medien negative Vorurteile schüren können, verdeutlichte die Coronapandemie. Rassismus gegenüber Menschen, die als asiatisch gelesen werden, den gab es auch schon vorher. Aber mit dem Beginn der Pandemie wurde es noch mal schlimmer. Ähnliches befürchtet die Vereinigung afrikanischer Auslandspresse (FPA) nun für Schwarze Menschen. Denn Medien nutzen aktuell Fotos von Schwarzen Menschen, um Affenpockenfälle in Europa und Nordamerika zu bebildern. Das bediene Vorurteile, nach denen Schwarze Unheil über andere bringen würden. „Wir verurteilen die Aufrechterhaltung dieses negativen Klischees“, heißt es in der Mitteilung der FPA. Ihr Gegenvorschlag: Krankenhäuser in den Regionen zeigen oder Mikroaufnahmen des Virus selbst.
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