AfD wählt Krah zum EU-Spitzenkandidaten: Radikaler geht immer
Der rechtsradikale Maximilian Krah führt nun die AfD-Liste für die Europawahl an. Auf dem Parteitag stellte Höcke die Machtfrage – und behielt die Oberhand.
Denn Krah hat in seiner Antrittsrede schon in den ersten Sätzen keinen Zweifel gelassen, wofür er steht: „Wir wollen ganz Deutschland zu einem großen Sonneberg machen. Damit wir das schaffen, müssen wir den Kurs halten, den wir in Riesa begonnen haben“, sagte er. Im sächsischen Riesa wurde vor einem Jahr ein Bundesvorstand ganz nach dem Geschmack des Rechtsextremisten Björn Höcke gewählt, in Sonneberg kürzlich der erste AfD-Landrat.
Dann wiederholte Krah das, was er schon auf dem Sommerfest des als rechtsextrem eingestuften Instituts für Staatspolitik in Schnellroda gesagt hat: „Wir sind mittlerweile die spannendste Rechtspartei in Europa, überall hat man den Leuten erzählt, man muss sich anpassen, man müsse eine Art Werteunion sein.“ Krah plädiert auch in seinem jüngsten Buch, in dem er sich am NS-Vordenker Carl Schmitt orientiert, für einen klar rechten Kurs. In der Vergangenheit nutzte er auch gern Neonazi-Vokabular wie „Umvolkung“.
In seiner Vorstellungsrede giftete er in Richtung seiner innerparteilichen Gegner*innen, die ihn in den vergangenen Wochen angegriffen hatten wegen seines guten Verhältnisses nach Russland, Katar und zu chinesischen Konzernen. Jeder solle sich überlegen, ob es nicht auch sie selbst treffen könne, drohte er schon fast. Dann rief er: „Ist es nicht an der Zeit, den Dreckwerfern endlich mal die Rote Karte zu zeigen?!“ Tosender Applaus war die Folge, am Ende gab es nach viel Deutschtümelei und nationalistisch gefärbter Sozialrhetorik Standing Ovations.
Sein Gegenkandidat Andreas Otti, Typ zackiger Luftwaffenoffizier, aus dem Landesverband Berlin bekam zwar Achtungsapplaus, aber unterlag am Ende deutlich – er hatte sich gegen einen putinfreundlichen Kurs ausgesprochen.
Das von vielen für Samstag erwartete Hauen und Stechen ließ danach nicht lang auf sich warten: Schon beim Kampf um Platz 3 der Europaliste stellte Höcke offen die Machtfrage. Er stellte sich ans Saalmikro und sagte: „Ich bin Björn Höcke aus Thüringen und schlage René Aust vor.“ Das war eine Kampfansage an die übrigen Länderchefs, deren Liste nach Länderproporz den Höcke-Gehilfen Aust aus dem Thüringer Landesvorstand nur für die Position 10 vorsah. Die Messer waren gewetzt: Direkt danach schlug Sachsens Landeschef Jörg Urban die noch kürzlich mit einem Parteiausschlussverfahren belegte Martina Böswald aus Baden-Württemberg als Gegenkandidatin vor.
Das zeigte: Das völkische Lager streitet in Magdeburg erstmals auf offener Bühne. Die Machtfragen stellt Höcke auch gegen ehemals Verbündete. Gleichzeitig ist die Lage komplex, weil sich die innerparteilichen Bündnisse und Gräben neu sortieren. Denn Unterstützung für Aust soll es auch aus dem Lager um Co-Parteichefin Alice Weidel geben, die Böswald in inniger Feindschaft ergeben ist.
Die erste Machtprobe entschied Höcke für sich: Nach einer zutiefst rassistischen Rede zwischen „Festung Europa“ und beschworenen Ängsten vor Migration erhielt Höckes Emporkömmling Aust Standing Ovations. Böswald, die Corona-Impfungen „Giftspritzen“ nannte, wirkte demgegenüber blass, bekam deutlich weniger Applaus. Entsprechend wurde Aust am Ende gewählt, mit 67 Prozent. Höckes Gegner konnten ihm trotz einer relativ schwachen Kandidatin also immerhin rund ein Drittel der Stimmen abnehmen.
Dass wiederum Krah trotz seiner Suspendierung und viel interner Kritik für die Spitzenposition durchkam, zeigt auch die prekäre Personallage der AfD. Besonders vielsagend war Alice Weidels Mimik während der Rede von Krah: Sie saß dort mit versteinertem Blick, als der neue Spitzenkandidat den innerparteilichen Gegner*innen den Kampf ansagte und von deutschem Liedgut schwärmte. Die anschließenden Kampfkandidaturen wiederum zeugten davon, dass es mit der vortags beschworenen „Harmonie“ nicht allzu weit her ist.
An zweiter Stelle wurde im Übrigen der Bundestagsabgeordnete Petr Bystron gewählt, der unter anderem dafür bekannt ist, dass er Schießtraining mit Rassisten in Südafrika absolviert hat. In seiner Antrittsrede schlug er auch antisemitische Töne an, als er verschwörungsideologisch gegen Schwab, Soros und Gates hetzte, und „Knast für Carola Rackete“, die ehemalige Seenotretterin und Spitzenkandidatin der Linken für die Europawahl, forderte.
Höcke war schon vor der ersten Machtprobe gut gelaunt: „Diese EU muss sterben, damit das wahre Europa leben kann“, sagte er im Interview mit Phoenix – und stellte sich mit der Forderung nach einer Abschaffung der EU auch gegen das bisherige Narrativ der Parteiführung zum Europa-Leitantrag.
Nachdem sich in dem Antrag die „Auflösung der EU“ wiederfand, hatte es von der Parteiführung geheißen, dass dies ein „redaktioneller Fehler“ gewesen sei. Höcke aber fordert genau das weiter ganz offen. Seine Worte kann man durchaus als Neuinterpretation einer Durchhalteparole der Nationalsozialisten nach Stalingrad verstehen: „Sie starben, damit Deutschland lebe“, was wiederum wohl eine Abwandlung des Kriegslyrikers Heinrich Lersch aus dem Ersten Weltkrieg ist: „Deutschland muss leben, und wenn wir sterben müssen“. Höcke, der immer wieder mit Anspielungen auf den Nationalsozialismus auffällt, ist derzeit auch wegen der Verwendung einer SA-Losung angeklagt.
Passend dazu riefen Gegendemonstrant*innen vom Bündnis „Solidarisches Magdeburg“ während ihrer Demo „Höcke ist – ein Faschist“. Laut Bündnis zogen 3.500 Menschen gegen die extrem rechte AfD durch die Stadt. Die Polizei sprach von 2.000 Demonstrierenden. Am Himmel zog ein von der Initiative „Kein Bock auf Nazis“ organisiertes Kleinflugzeug Kreise mit einem riesigen „Scheiß AfD“-Banner.
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