AfD als Verdachtsfall: Neuer Eilantrag wegen Haldenwang

Noch wird geprüft, ob die AfD Extremismus-Verdachtsfall ist. Wegen des Verfassungsschutzpräsidenten hat die Partei nun einen neuen Antrag gestellt.

AfD Führung Tino Chrupalla und Alice Weidel.

Solange das Verfahren läuft, dürfen sie vom Verfassungsschutz als Verdachtsfall bezeichnet werden Foto: Sebastian Willnow/dpa

FREIBURG taz | Die AfD hat am 11. Juli 2023 einen neuen Eilantrag gestellt, mit dem sie wieder erreichen will, dass der Verfassungsschutz die AfD nicht als Verdachtsfall bezeichnen darf. Nach taz-Informationen beruft sich die AfD darauf, dass BfV-Präsident Thomas Haldenwang inzwischen offen eingeräumt habe, dass er seine Aufgabe darin sieht, die Umfragewerte der AfD zu senken. Dies zeige, dass er politisch agiere und das Amt seine Kompetenzen überschreite.

Tatsächlich hat Haldenwang am 20. Juni 2023 nach der Vorstellung des aktuellen Verfassungsschutzberichts im heute-Journal gesagt, „Nicht allein der verfassungsschutz ist zuständig dafür, die Umfragewerte der AfD zu senken, aber wir können die Bevölkerung wachrütteln, wir können Politiker wachrütteln.“

Der Hintergrund des neuen Eilantrags ist komplex: Im Januar 2021 wurde bekannt, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz beabsichtigte, die AfD als „Verdachtsfall“ einer extremistischen Bestrebung einzustufen. Dagegen klagte die AfD auf Unterlassung. Zugleich stellte die AfD schon damals einen ersten Eilantrag, dass sie bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht als „Verdachtsfall“ bezeichnet werden darf. Dieser Eilantrag hatte teilweise Erfolg. Am 5. März 2021 entschied das Verwaltungsgericht (VG) Köln in einem so genannten Hängebeschluss, dass die AfD bis zur Entscheidung über den Eilantrag nicht als Verdachtsfall bezeichnet werden darf.

Allerdings entschied das VG Köln dann am 8. März 2022, dass die Einstufung der AfD als Verdachtsfall rechtmäßig ist. Zwei Tage später lehnte das VG auch den parallelen Eilantrag der AfD ab. Seitdem kann die AfD vom Bundesamt für Verfassungsschutz öffentlich als Verdachtsfall bezeichnet werden.

Urteil noch nicht rechtskräftig

Das Kölner Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig. Die AfD hat dagegen Berufung eingelegt. Zuständig ist das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster. Auf den Ausgang dieses Verfahrens warten AfD, Verfassungsschutz und die anderen Parteien mit großer Spannung.

Allerdings lässt dieses Berufungsurteil noch lange auf sich warten. Das OVG will noch keinen Termin für ein Urteil nennen. Die Berufungsbegründung der AfD war erst Ende 2022 eingegangen, nachdem die entsprechende Frist auf Antrag der Partei verlängert wurde. Erst im Juli 2023 war die Erwiderung des Bundesamts fertig. Nun hat die AfD wieder Zeit bis September, um zu antworten. Anschließend will der zuständige OVG-Senat mit der „vertieften Bearbeitung“ beginnen, teilte Gerichtssprecherin Gudrun Dahme auf Nachfrage der taz mit. „Die Gerichtsakten umfassen derzeit cirka 10.000 Seiten“, so Dahme, „Hinzu kommen mehrere hundert Beiakten, die im Oberverwaltungsgericht einen ganzen Raum füllen.“

Solange das Verfahren läuft, darf der Verfassungsschutz die AfD weiter als „Verdachtsfall“ bezeichnen. Die Berufung hat keine aufschiebende Wirkung. Die AfD hatte auch die Ablehnung des ursprünglichen Eilantrags durch das VG Köln nicht angegriffen, sondern rechtskräftig werden lassen.

Endgültige Entscheidung wohl erst nächstes Jahr

Nun, nach Haldenwangs neuen Äußerungen versucht es die AfD also erneut. Das OVG will sich mit diesem neuen Eilantrag direkt befassen und vielleicht noch im August eine Entscheidung treffen.

Das Gericht hat im wesentlichen drei Möglichkeiten: Es kann Haldenwangs Äußerung für zulässig halten, dann ist der AfD-Eil-Antrag abgelehnt. Oder es hält Haldenwangs Äußerung zwar für unzulässig, aber für irrelevant für die Einstufung der AfD als Verdachtsfall, auch dann wäre der AfD-Antrag abgelehnt. Erfolg hätte der AfD-Antrag nur, wenn die Richter den Schluss der AfD mitvollziehen, dass der Verfassungsschutz als parteipolitisches Instrument enttarnt wurde. Das ist eher unwahrscheinlich.

Umso wichtiger ist die Entscheidung des OVGs in der Hauptsache, mit der aber wohl erst 2024 zu rechnen ist. Da die AfD eine Unterlassung der Einstufung beantragt hat, kommt es bei der Entscheidung über das Wesen der AfD auf den Zeitpunkt des Urteils an. Oder anders gesagt: Jede weitere Radikalisierung schadet der Partei im Berufungsverfahren und macht die Einstufung als Verdachtsfall nachvollziehbarer.

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