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AfD-Parteitag in MagdeburgMauerwitze und Europapläne

Zum Auftakt ihres Parteitags beschließt die extrem rechte Partei den Schulterschluss in Europa. Die aktuelle Debatte um die CDU sorgt für Häme.

Stimmung und Umfragewerte der AfD sind gut: Die Parteivorsitzenden beim Bundesparteitag in Magdeburg Foto: Carsten Koall/dpa

Magdeburg taz | Die 600 Delegierten des Parteitags der extrem rechten AfD in Magdeburg mussten an einem Spalier von Omas, Opas und jüngeren Ge­gen­de­mons­tran­t*in­nen vorbei, die sich vor dem Haupteingang und der Zufahrtsstraße postiert hatten.

Die meisten Delegierten reisten per Auto an. Die „Nazis raus!“-Rufe dürften sie auch in ihren Fahrzeugen gehört haben, während die Initiative „Kein Bock auf Nazis“ ein Flugzeug organisieren wollte, das ein Spruchband mit der Aufschrift „Scheiß Nazis“ hinter sich her ziehen soll. Eine weitere, kleinere Demo, an deren Ende auch mehrere Omas und Opas mit Rollator gingen, zog am Messezentrum in Magdeburg vorbei, sang antifaschistische Lieder und rief: „Alerta, Alerta, Antifaschista!“

Das erste von zwei Parteitagswochenenden der AfD hat am Freitag in Magdeburg begonnen. Am ersten Tag, an dem nichts wirklich Wesentliches entschieden wird, ging es vor allem um eine Demonstration der Stärke nach den zwei kürzlichen Erfolgen in Kommunalwahlen in Thüringen und Sachsen-Anhalt. Die Stimmung der Delegierten wirkte gemäß den Umfragewerten gut. Im Höhenflug ist die AfD nach geschürten Abstiegsängsten, angesichts der multiplen Krisen und der Legitimation von rassistischen und rechten Kulturkampfthemen durch Konservative. Es könnte derzeit kaum besser laufen für die AfD.

Entsprechend wirkte der Co-Parteivorsitzende Tino Chrupalla so, als könne er vor Kraft kaum laufen: Er stichelte in seiner Begrüßungsrede gegen den CDU-Chef Friedrich Merz, der die Union zuletzt als „Alternative mit Substanz“ bezeichnet hatte und die kommunal ohnehin stellenweise fehlende Brandmauer gegen die extrem rechte AfD legitimierte, indem er eine Zusammenarbeit nicht mehr grundsätzlich ausschloss – entgegen der Beschlusslage der Partei.

Häme gegen Schwarz und Grün

Chrupalla sagte dazu: „Wir sind das Original und niemand anders“. Anschließend hetzte er im Stile eines Schulhof-Bullys gegen die Grünen: „Grünen-Chefin Ricarda Lang stemmt sich mit vollem Gewicht allen Versuchen entgegen, die Brandmauer umzuwerfen“ – der Saal quittierte das stillose Mobbing mit Lachen, woraufhin Chrupalla forderte: „Reißt die schwarz-grüne Mauer nieder!“

Vor der Tür antifaschistischer Protest der Omas gegen Rechts Foto: Annegret Hilse/reuters

Ein wenig kontrovers wurde es kurz am frühen Nachmittag, als es um den Beitritt in die ID-Partei ging, in der sich verschiedene rechtsradikale europäische Parteien wie die französischen Rassemblement National, die FPÖ und die Lega Nord zusammen geschlossen haben. Im aktuellen EU-Parlament ist die AfD bereits Teil der ID-Fraktion.

Der Bundesvorstand brachte seinen Antrag auf Eintritt in die Partei, der auch mit Geld verbunden ist, nach kürzerer Debatte durch, musste aber ein paar Federn nach schmissigen Wortbeiträgen von Parteiradikalen lassen: Karsten Hilse nannte den Antrag die „Aufweichung“ der in Dresden 2021 beschlossenen Dexit-Forderung, Martin Sichert, dem auch Ambitionen auf einen Spitzenplatz der Europaliste nachgesagt werden, sagte: „Wir wollen geradlinig und nicht käuflich sein und jetzt sollen wir unseren Markenkern aufgeben, damit jemand in Brüssel mit dem Scheckbuch winkt.“ Man sei schließlich nicht die Alternative für Europa.

Obwohl der Saal kurz in Wallung und die Kräfteverhältnisse kurz ausgeglichen schienen, fand der ID-Beitritt am Enden eine deutliche Mehrheit – auch nach einem ersten Machtwort von Alice Weidel an diesem Wochenende, die einer Vertagung widersprach und ins Mikro rief: „Wir brauchen in Europa starke Partner, wir wollen keine randständige Partei sein.“ Man brauche Mehrheiten gegen die Parteien, die sich angeblich „Europa zur Beute“ gemacht hätten.

Streitpunkt Russlandkurs

Ein Knackpunkt im Verhältnis zu anderen rechten Parteien Europas dürfte vor allem der Russlandkurs der AfD sein. Chrupalla, nicht erst durch seinen Besuch in der russischen Botschaft am Tag der Befreiung in diesem Jahr für seinen putinfreundlichen Kurs bekannt, sagte in seiner Begrüßungsrede, dass er Respekt für die Ukraine „ebenso wie für Russland“ fordere – ganz so als habe Russland die Ukraine nicht überfallen und den Krieg vom Zaun gebrochen, von dem auch die AfD durch die steigenden Energiepreise profitiert.

Chrupalla forderte die Aufhebung von Russland-Sanktionen und den Import von günstigem Putin-Gas. Dabei nutzte er auch Worte des NS-Vordenkers Carl Schmitt, als er von Multipolarität sprach: „Multipolarität bedeutet nicht mehr: Eine einzige Weltmacht beherrscht die Welt, sondern mehrere gleichberechtigte Mächte setzen in ihren Regionen ihre Vorstellungen von Recht und Ordnung durch.“ Übersetzt: Chrupalla will die Ukraine Russland zum Fraß vorwerfen für günstiges Gas – so viel zum Respekt vor der Ukraine. Er bestärkte diesen eingeschlagenen Kurs des Bundesvorstands, der auch intern umstritten ist.

Apropos Streit: Vom Parteitag forderte Chrupalla „Disziplin, Einigkeit und Harmonie“ – „so wie letztes Jahr“. Das jedoch konnte er nur so halb ernst gemeint haben. Kurze Erinnerung: Vor einem Jahr im sächsischen Riesa endete der Parteitag vorzeitig im Streit und wurde wegen Differenzen bei der Europapolitik zwischen dem frisch gewählten Bundesvorstand um Chrupalla und Alice Weidel und dem Höcke-Lager abgebrochen.

Tatsächlich aber hat der jetzige Bundesvorstand die Partei danach deutlich geräuschloser geführt als zuvor Meuthen – was aber vor allem daran liegt, dass die extrem rechte Strömung im Vorstand und Partei mittlerweile Mainstream ist. Am Freitag blieb der Stress jedenfalls vorerst aus: Ein Antrag zur Befassung mit Spendenskandalen im Zusammenhang mit den Parteifinanzen scheiterte ebenso wie ein Antrag aus Thüringen, die Presse für den Haushaltsteil auszuschließen.

Streit am Samstag

Mit Blick auf die am Folgetag stattfindende Aufstellung für die Europawahl warb Chrupalla dafür, die bisherige Europadelegation auszutauschen, die 2019 noch unter dem ausgetretenen Ex-Parteichef Jörg Meuthen einzog. Die Fraktion sei zu lange dem Meuthen-Kurs verhaftetet gewesen – Chrupalla forderte einen „Generationenwechsel“.

Zur Erinnerung: Der Meuthen-Kurs mündetet gegen Ende darin, sich von Rechtsextremen abzugrenzen und die AfD zu verharmlosen – aus Angst vor der mittlerweile erfolgten Einstufung als rechtsextremer Verdachtsfall für den Verfassungsschutz. Diese Zeiten sind vorbei: Für die Europaliste will der offen rechtsradikale Maximilian Krah antreten, der seit einem Jahr im Bundesvorstand sitzt. Krah wiederum ist in der ID-Fraktion im Europaparlament derzeit wegen Betrugsvorwürfen suspendiert und eine solche Reizfigur, dass es spätestens am Samstag auch zu offenem Streit kommen dürfte.

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12 Kommentare

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  • Man kann natürlich mit süffisantem Sarkasmus über den Parteitag der AFD berichten, vollkommen richtig und höchst legitim. ABER, AFD hin oder her, es reicht ja bei denen schon für 22% in den Umfragen. Die Grünen stürzen ab, die SPD auch, die AFD steht nunmehr als zweitstärkste Partei da. Das hat ja irgendwelche Gründe, sonst wäre es ja nicht so. Ich vermisse immer wieder die Ursachenforschung und das Anbieten von Lösungen. Ohne eine dialektische Betrachtungsweise, dazu gehört auch Distanz zu dem Geschehen, um es zu analysieren, bleibt es, wie es ist und wird von Tag zu Tag gefährlicher. Dazu ist das Ganze zu sehr eingefahren, d.h. der Karren ist bereits bis zur Hälfte im Schlamm versunken.

  • Der Rechtstrend in Deutschland hat zum Glück nichts mit eigenener Stärke zu tun, sondern mit der Schwäche der anderen Parteien zu tun.



    Mittelfristig könnte man vermutlich dem Rechtstrend mit folgenden Punkten am besten begegnenen:

    - Inflation senken ( u. a. Überarbeitung des Sanktionspaketes vs Russland)



    - Entlastungspakete für einkommensschwache Personen



    - Ängste vor Überfremdung ernst nehmen ohne rechte Propaganda zu übernehmen



    - Stellenwert von "Wokethemen" verringern (ohne rechte Propaganda zu übernehmen, sondern lediglich die Prioritätisierung verändern)

    Aber vermutlich wird sich mittelfristig nicht viel ändern und man wird sich weiterhin "wundern" warum die rechte AFD immer stärker wird, obwohl man die Gründe doch eigentlich gut kennt.

    • @Alexander Schulz:

      "Stellenwert von "Wokethemen" verringern"



      Wenn ich mir die Bedeutung des Begriffs 'woke' ansehe, der Sensibiliät bzw. Wachheit für Themen wie soziale Ungerechtigkeit und Rassismus fordert, dann seh ich darin eine der Kernaufgaben von Regierungen.



      Und heißt gegen diese Dinge zu sein nicht letztlich, gegen das Grundgesetz zu sein?



      Aber wahrscheinlich nehm ich einfach wieder die Bedeutung von Sprache als Instrument der Verständigung zu ernst, anstatt manche Begriffe als Instrument zur Machtpolitik akzeptieren zu wollen...

    • @Alexander Schulz:

      „Wokethemen“ haben doch noch nie Priorität gehabt, auch jetzt nicht. Darüber wird doch vergleichsweise selten und nicht gerade engagiert debattiert. Es ist doch ein extrem rechtes Narrativ dies zu behaupten, welches mittlerweile salonfähig geworden ist. Außerdem bekennen wir uns im GG zu den AEMR 1948 und sind daher dazu angehalten Diskrimierungen zu bekämpfen. Dies als Wokethemen zu diffamieren ist letztendlich außerdem brandgefährlich!

      • @Hannah Remark:

        In der BILD sind die Themen vorne dran. Und der ganzen SpringerStiefel-Presse. Falls man die liest stimmt die Aussage. Gegenmittel ist, solche Zeitungen lediglich zum Verpacken von Biomüll zu nehmen.

      • @Hannah Remark:

        Ich verstehe Ihren Unmut, denke aber das es sehr gefährlich ist (weiterhin) die Ursachen (auch wenn sie teilweise absurd erscheinen mögen) für den Erfolg der AFD zu ignorieren. Politik ist oft nicht fair oder gerecht. Natürlich können wir auch weiterhin die Gründe ignorieren, sollten uns dann aber nicht über die Wahlergebnisse wundern.



        Ich halte dieses aber für sehr gefährlich, da rechte Parteien mittelfristig die Demokratie gefährden.

        • @Alexander Schulz:

          Die Ursachen ignoriere ich nicht. Nur den Umgang damit. Rechte Narrative zu übernehmen ist brandgefährlich und ein extremer Irrweg! Wir können Artikel 2 der Menschenrechte und die Menschenrechte und unser daran ausgerichtetes Grundgesetz insgesamt nicht für die AfD abschaffen. Das wäre so dämlich wie damals in der Krolloper, als Liberale und Konservative zusammen mit der NSDAP dem Ermächtigungsgesetz zugestimmt haben… Das ist noch viel gefährlicher als sich für Menschenrechte einzusetzen und auch den abdriftenden Gesellschaftsschichten deren Notwendigkeit zu erklären. Ich finde die Tatsache, dass immer größer werdende Teile der deutschen Gesellschaft eigentlich nie wirklich die Menschenrechtsgeschichte verinnerlicht haben und im Geschichtsunterricht dies kein zentraler Bestandteil ist, enorm fatal. Das Land des Holocausts sollte es eigentlich besser wissen! Zeigt sich auch wieder deutlich in Brandenburg, Sachsen und Thüringen!

          www.spiegel.de/pan...-8612-3be5e012fa7b

  • Omas und Opas, teils mit Rollator?



    Kommt jetzt die verachtende Sprache auch zur Taz?



    DAS GEHT GAR NICHT!



    Ist abwertend und beleidigend oder sind das alle Ihre Omas und Opas Herr Autor?

    • @H.L:

      Richtig! Gerade die TAZ sollte diese Form der Sprachfindung eigentlich verachten, statt selbst zu präsentieren. Bin enttäuscht.

    • @H.L:

      An "Omas und Opas, teils mit Rollator" ist überhaupt nichts Negatives, ganz im Gegenteil: Als ich das las, war mein spontaner Gedanke: Alte Leute, deren gesundheitlicher Zustand schon einen Rollator erfordert, machen sich die Mühe und laufen zu einer Demo - RESPEKT!

    • @H.L:

      Die "Omas gegen Rechts" haben sich ihren Namen aber schon selbst gegeben.

      • @Axel Schäfer:

        Dann kann man sie auch so benennen. Aber nur sie!