AfD-Besuch beim NDR: Keine Gastfreundschaft für Rechte
AfD-Mitglieder wollen den NDR besuchen und sich durchs Haus führen lassen. Und die NDR-Leitung? Stimmt zu. Das ist ein völlig falsches Signal.
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K eine andere Partei im Bundestag und in den Landesparlamenten greift die Medien so pauschal und so massiv an wie die AfD. „Lügen“- oder „Systempresse“ gehört zu ihrem Jargon. Dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ÖRR) möchte die vermeintliche Alternative nicht nur endlich die Finanzen streichen, sie will am liebsten auch die gesamte Struktur auflösen.
In Hamburg möchten sich die Feinde des ÖRR am Freitag dennoch beim Norddeutschen Rundfunk (NDR) in Lokstedt als Besucher durchs Haus führen lassen. Die NDR-Leitung sah darin kein Problem, der Personalrat dagegen schon. Er fordert die Ausladung der Partei.
Eine gebotene Maßnahme gegen eine bedrohliche Partei. Der Geschäftsführer der AfD-Bürgerschaftsfraktion hatte beim NDR um zwei Besuchstermine für die Mitglieder der Fraktion und der Desiderius-Erasmus-Stiftung gebeten. Dieser Bitte kam der NDR nach, da der Sender zu „seiner Verantwortung“ stünde, im „Austausch mit allen Teilen der Gesellschaft“ zu stehen. Daher müsse die Anfrage genauso wie die von allen anderen in der Bürgerschaft vertreten Partei gehandelt werden, erklärte die Pressesprecherin Lara Louwien.
Der NDR ist nicht das einzige Medium, das just ausblendet, dass die AfD nicht wie andere Parteien ist. Die SPD, CDU, CSU, FDP, auch die Grünen und die Linke dürften nicht selten mit der Berichterstattung über ihre Politik unzufrieden sein. Doch sie laden deswegen nicht gleich die Presse aus oder verheimlichen Parteitermine vor ihnen.
Die AfD Thüringen um den Fraktions- und Landesvorsitzenden Björn Höcke hat gerade dem ARD-Politikmagazin „Monitor“ die Akkreditierung für den anstehenden Landesparteitag verweigert. Denn „von einer journalistischen Berichterstattung“ könne „überhaupt nicht mehr“ die „Rede sein“. Kurz: Eine kritische Berichterstattung ist nicht erwünscht.
Keine Lust auf Kritik
Jene, die stets das freie Wort fordern, eine Meinungs- und Cancel-Kultur beklagen, wollen keine freie Presse, die selbst bestimmt, wie sie berichtet und bewertet. Die AfD Hamburg möchte moderater erscheinen als die Kollegen aus Thüringen. Da wird bei einer Veranstaltung zu Medien im Jahr 2016 einfach ein Fragezeichen im Titel gesetzt: „Manipulationen: Was ist dran am Lügenpresse-Vorwurf?“
Dass der Referent, Dieter Stein von der neurechten Wochenzeitung Junge Freiheit, zu moderaten Tönen mahnte und sich gegen den Begriff „Lügenpresse“ aussprach, gefiel dem Publikum aber gar nicht. Es verweigerte dem wohl nicht radikal genug argumentierenden Stein erst einmal den Applaus. Aus der Fraktion wird dagegen auch mal bei Presseanfragen indirekt mit Konsequenzen gedroht. AfD, ganz normal.
Vor dieser Normalität warnt jetzt der NDR-Personalrat und erinnert daran, dass „Journalist*innen und Produktionsmitarbeitende“ bei Veranstaltungen der AfD „verbal und auch körperlich angegriffen werden“. Zu Recht weist er darauf hin, dass feste oder freie Beschäftigte, die schon Angriffe erlebten, nun auf Personen treffen könnten, die an Übergriffen beteiligt waren oder billigten. Er warnt außerdem davor, dass durch den Besuch Redaktion und Beschäftigte geoutet werden könnten.
Die Debatten um den Besuch stieß das „Hamburger Bündnis gegen Rechts“ an. Das Bündnis betonte, dass die AfD mittlerweile in zwei Bundesländern als gesichert rechtsextremistisch eingestuft wurde. Dieses Argument offenbart das Dilemma. Die AfD muss dringend bundesweit einheitlich klassifiziert werden als das, was sie ist: eine rechtsextremistische Partei, die Menschenrechte und die Verfassung verachtet. Diesen Feinden – warnte schon 1931 ohne Erfolg Kurt Tucholsky – dürfen keine „Rosen auf den Weg gestreut“ werden.
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