Abtreibungsrecht in den USA: Die USA auf dem Weg 50 Jahre zurück

Backlash für Frauenrechte: Der Gouverneur von Texas unterschreibt ein Verbot von Abtreibungen nach der 6. Schwangerschaftswoche.

Menschen mit Transparenten bei Demonstration.

Umkämpfte Rechte in den USA: Pro-Abtreibungs-Demo in New York 2019 Foto: Gina M. Randazzo/Zuma Press/imago

BERLIN taz | Es ist eine Horrorwoche für das Recht auf Schwangerschaftsabbruch in den USA. Am Montag erklärte der Oberste Gerichtshof, er werde sich nach der Sommerpause mit der Rechtmäßigkeit eines radikalen Antiabtreibungsgesetzes in Mississippi beschäftigen, statt es einfach zurückzuweisen.

Das wurde von Be­für­wor­te­r*in­nen wie Geg­ne­r*in­nen von Abtreibungen als Zeichen gewertet, dass der Gerichtshof bereit ist, das 48 Jahre alte Roe v. Wade-Urteil zu kippen. Das Urteil von 1973 ist die Grundlage für legale Abtreibungen in allen US-Bundesstaaten.

Und am Mittwoch unterzeichnete der republikanische Gouverneur von Texas ein Gesetz, das Abtreibungen nach der 6. Schwangerschaftswoche unter Strafe stellt – einem Zeitpunkt, an dem viele Frauen ihre Schwangerschaft noch nicht einmal bemerkt haben. Das sogenannte Herzschlaggesetz – so benannt wegen der ersten wahrnehmbaren Herztöne eines sich entwickelnden Fötus – kommt einem absoluten Abtreibungsverbot gleich.

Pro-Choice-Organisationen erklärten unmittelbar, gegen das Gesetz vor Gericht vorzugehen. Der texanische Bürgerrechtsanwalt Christian D. Menefee sagte der New York Times, das Gesetz sei „moralisch verwerflich, verfassungswidrig und nichts anderes als ein unverhohlener Versuch, den Zugang von Frauen zu Gesundheitsversorgung einzuschränken.“

Abtreibungsrecht in fast der Hälfte der Bundesstaaten bedroht

Vor wenigen Tagen erst hatten die Familienplanungsorganisation Planned Parenthood und die Bürgerrechtsorganisation ACLU die texanische Stadt Lubbock verklagt. In der 260.000-Einwohner*innenstadt hatten die Bür­ge­r*in­nen per Referendum entschieden, sich zum „sicheren Hafen ungeborenen Lebens“ (Sanctuary for the unborn) zu erklären und alle Abtreibungen innerhalb der Stadtgrenzen zu untersagen.

Fast die Hälfte der US-Bundesstaaten haben in den letzten Jahren mehr oder weniger strikte Antiabtreibungsmaßnahmen verabschiedet, etwa indem die Fristen stark verkürzt wurden, Druck auf Kliniken ausgeübt wurde oder die Bedingungen, unter denen eine legale Abtreibung vorgenommen werden darf, eingeschränkt wurden. Die meisten dieser Gesetze scheiterten vor Gericht – eben weil jenes Roe v. Wade-Grundsatzurteil von 1973 Bestand hatte. Wenn der Oberste Gerichtshof jetzt tatsächlich daran gehen sollte, das Urteil über den Haufen zu werfen, werden Abtreibungen für Frauen in republikanisch regierten Bundesstaaten schwierig bis unmöglich.

Genau darum ging es den konservativen und evangelikalen Kräften ja auch, die Expräsident Donald Trump lobpreisten, als er noch kurz vor der Wahl nach dem Tod der liberalen Rich­te­r*in­nen­iko­ne Ruth Bader Ginsburg die Berufung der konservativen Antiabtreibungsaktivistin Amy Coney Barret durch den Senat peitschte. Damit hat der Oberste Gerichtshof zum ersten Mal seit vielen Jahren eine 6:3-Mehrheit konservativer Rich­te­r*in­nen – und das, so die Befürchtung, könnte genügen, um auch das eher moderate und frühere Präzedenzfälle achtende Verhalten des Obersten Richters John Roberts auszuhebeln.

Auf Seiten der De­mo­kra­t*in­nen mehren sich jetzt die Stimmen, die von Präsident Joe Biden fordern, noch vor den nächsten Kongresswahlen im November 2022 das grundsätzliche Recht auf Abtreibung endlich auf eine bundesgesetzliche Grundlage zu stellen. Das ist politisch heikel: Für die Konservativen im ganzen Land ist jetzt schon klar, dass Abtreibung erneut eines der zentralen Mobilisierungsthemen bei den Wahlen werden wird.

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