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Abschluss der WHO-GeneralversammlungDie Blockade der Kritiker

Andreas Zumach
Kommentar von Andreas Zumach

Zu viel Einfluss privater Geldgeber, zu wenig Kontrollen vor Ort – doch ausgerechnet die schärfsten Kritiker der WHO blockieren Reformen.

Tedros Adhanom Ghebreyesus, Generaldirektor der WHO, spricht auf der 73. Generalversammlung Foto: WHO/XinHua/dpa

D ie Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist eine Marionette Chinas. Beide gemeinsam sind verantwortlich für die weltweite Verbreitung des Coronavirus, das in einem chinesischen Labor gezüchtet wurde. Mit diesen Falschbehauptungen rechtfertigt US-Präsident Donald Trump seine finanziellen Boykottmaßnahmen und Austrittsdrohungen gegenüber der WHO und versucht von seinen eigenen gravierenden Fehlern im Umgang mit der Pandemie abzulenken. Denn diese Fehler könnten ihn durchaus die Wiederwahl im November kosten.

Das Coronavirus wurde von US-Milliardär Bill Gates gezüchtet. Er kontrolliert die Weltgesundheitsorganisation und will im Interesse der Pharmakonzerne einen weltweiten Impfzwang durchsetzen. Diese Falschbehauptungen verbreiten Verschwörungstheoretiker und Rechtsextremisten, um ihre Ablehnung von Maßnahmen zum Schutz vor dem Virus zu rechtertigen und ihre Verachtung des demokratischen Staates zu demonstrieren.

Gemeinsamer Nährboden für all diese höchst widersprüchlichen Falschbehauptungen sind zwei zentrale, sehr kritikwürdige und reformbedürftige Mängel der WHO. Zum einen hat die Organisation bislang keinerlei Handhabe, um in einem Mitgliedsland eigenständige Nachforschungen über Gesundheitskrisen anzustellen, wenn die Regierung – so wie in den ersten Monaten der Coronakrise die chinesische Führung – falsche oder unvollständige Informationen liefert. Notwendig wären neue, rechtsverbindliche Befugnisse für die WHO, die der Präsident Südkoreas Moon Jea In am Dienstag bei der Generalversammlung der Organisation gefordert hat. Etwa die Stationierung ständiger WHO-Beobachter*innen in allen 194 Mitgliedsländern mit uneingeschränkten Kompetenzen zur Informationsbeschaffung bei Regierungsbehörden wie bei nichtstaatlichen Akteuren.

Doch würde die lautstark nach Reformen der WHO rufende Trump-Administration die dauerhafte Anwesenheit von internationalen Beobachter*innen im eigenen Land akzeptieren? Auf die Gefahr hin, dass diese dann möglicherweise Informationen über die krankheits- und epidemiefördernden Mängel im US-Gesundheitssystem sammeln würden? Wahrscheinlich nicht. Bereits gegen die Formulierung in der am Dienstag von der WHO-Generalversammlung verabschiedeten Forderung nach einer „unparteiischen, unabhängigen und umfassenden Evaluierung“ der Reaktion auf die Corona-Pandemie nicht nur in China, sondern „weltweit“ – und damit auch in den USA – hatte Washington Bedenken.

Problematische Abhängigkeit

Zum Zweiten ist die WHO in den letzten 30 Jahren tatsächlich in eine höchst problematische finanzielle und damit auch gesundheitspolitische Abhängigkeit von der Gates-Stiftung, von Pharma- und Lebensmittelkonzernen sowie anderen privaten Akteuren geraten. Infolge dieses Einflusses hat die WHO ihr ursprüngliches Kernanliegen, die Unterstützung von Gesundheitssystemen in armen Ländern, zunehmend vernachlässigt. Diese problematische Entwicklung lässt sich nur wieder korrigieren, wenn die Mitgliedstaaten ihre seit 1993 eingefrorenen Pflichtbeiträge an die WHO endlich wieder deutlich hochfahren und den Einfluss privatwirtschaftlicher Akteure auf die Organisation reduzieren.

Aktuell ist aber zunächst einmal sicherzustellen, dass ein künftiger Impfstoff gegen Covid-19 unter der Koordination der WHO allen Menschen dieser Erde schnell und zu erschwinglichen Preisen zur Verfügung gestellt wird. Vorausetzung dafür ist, dass die Patenschutzrechte der großen Pharmakonzerne für diesen Fall außer Kraft gesetzt werden, damit dann schnell in möglichst vielen Ländern preiswerte Generika hergestellt werden können. Die entsprechende Forderung in der am Dienstag von der WHO-Generalversammlung verabschiedeten Resolution stieß jedoch auf Ablehnung der USA. Washington möchte die Gewinninteressen des weltgrößten US-Pharmakonzerns Pfizer schützen. Das macht Trumps Kritik an der WHO über all seine Falschbehauptungen hinaus zusätzlich unglaubwürdig.

Bundeskanzlerin Angela Merkel, Präsident Emmanuel Macron und andere europäische Politike*innen haben die maßlose Kritik und Drohungen Trumps gegen die WHO zwar zurückgewiesen. Aber noch ist keineswegs sicher, dass sich die Regierungen der Staaten, in denen die großen europäischen Pharmakonzerne und Pfizer-Konkurrenten Roche und Novartis (beide Schweiz), Sanofi (Frankreich) und GlaxoSmithKline (Großbritannien) ihren Sitz haben, auch gegen die Patentschutzinteressen dieser Konzerne für eine gerechte und schnelle globale Verteilung eines Covid-19-Impfstoffs zu bezahlbaren Preisen unter Koordination der WHO engagieren.

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Andreas Zumach
Autor
Journalist und Buchautor, Experte für internationale Beziehungen und Konflikte. Von 1988-2020 UNO- und Schweizkorrespondent der taz mit Sitz in Genf und freier Korrespondent für andere Printmedien, Rundfunk-und Fernsehanstalten in Deutschland, Schweiz,Österreich, USA und Großbritannien; zudem tätig als Vortragsreferent, Diskutant und Moderator zu zahlreichen Themen der internationalen Politik, insbesondere:UNO, Menschenrechte, Rüstung und Abrüstung, Kriege, Nahost, Ressourcenkonflikte (Energie, Wasser, Nahrung), Afghanistan... BÜCHER: Reform oder Blockade-welche Zukunft hat die UNO? (2021); Globales Chaos-Machtlose UNO-ist die Weltorganisation überflüssig geworden? (2015), Die kommenden Kriege (2005), Irak-Chronik eines gewollten Krieges (2003); Vereinte Nationen (1995) AUSZEICHNUNGEN: 2009: Göttinger Friedenspreis 2004:Kant-Weltbürgerpreis, Freiburg 1997:Goldpreis "Excellenz im Journalismus" des Verbandes der UNO-KorrespondentInnen in New York (UNCA) für DLF-Radiofeature "UNO: Reform oder Kollaps" geb. 1954 in Köln, nach zweijährigem Zivildienst in den USA 1975-1979 Studium der Sozialarbeit, Volkswirtschaft und Journalismus in Köln; 1979-81 Redakteur bei der 1978 parallel zur taz gegründeten Westberliner Zeitung "Die Neue"; 1981-87 Referent bei der Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste, verantwortlich für die Organisation der Bonner Friedensdemonstrationen 1981 ff.; Sprecher des Bonner Koordinationsausschuss der bundesweiten Friedensbewegung.
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8 Kommentare

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  • Die WHO kann mit den sagen wir 400 Mio. aus den USA und den 40 Mio. aus China machen was sie will, bzw. diese Beitragszahler beschließen. Wenn aber z.B. Herr Gates der WHO 100 Mio. gibt um in Afrika eine oder 5 Krankheiten auszurotten, was soll daran falsch sein? Sie muß das Geld ja nicht nehmen und diese Krankheiten ausrotten. Mit der Spende gewinnt Gates doch keine Gewalt über die Staatsgelder. Man kann Regierungen kritisieren, dass sie zuwenig geben. Aber Gates dafür zu kritisieren, dass er sein Geld für Krankheitsbekämpfung ausgibt, statt es einfach zu vererben ist einfach nur blöd. Ich konnte den nie leiden wegen seiner teuren Betriebssysteme. Aber ich hätte ja auch mit Unix arbeiten können. Letztlich hat er mein Geld ehrlich verdient. Ich freue mich, wenn er damit und dem Millionen anderer Nutzer auch nur eine Krankheit ausrottet.

  • Hintergründe, Strukturen, Interessen zu beleuchten ist nämlich Journalismus und keine Verschwörungstheorie. Nach Wochen von Abwehr und Kampagne endlich wieder mal systemkritische journalistische Arbeit. Vielen Dank.

    Die WHO zu stärken, unabhängig von Interessen einzelner Geldgeber aus Pharmakontexten wäre eine wichtige Lehre aus dieser Geschichte. Globale Gesundheitspolitk wieder als Aufbau von lokalen Gesundheitssystemen und gesunden Lebensgrundlagen bottom up zu begreifen wäre eine wichtige Sache, statt wie in den letzten zehn oder zwanzig Jahren fast nur noch auf top down Impfprogramme zu setzen, die lokal gar nichts bewirken. Diese "Gesundheitspolitik" ist viel zu einseitig und nicht nachhaltig.

  • RS
    Ria Sauter

    Sehr guter Artikel!



    Aus diesen Zusammenhängen, um nicht zu sagen Filz, bei der WHO entstehen die Verschwörungstheorien.



    Diese Organisation müßte völlig unabhängig sein.

    • 8G
      82286 (Profil gelöscht)
      @Ria Sauter:

      "Diese Organisation müßte völlig unabhängig sein."



      Was soll daß denn heißen? Sollen die Angestellten einen zweiten Job machen um in der WHO arbeiten zu dürfen? Die Hauptaufgabe dürfte doch sein, daß alle Mitgliedsstaaten entsprechend ihrer Wirtschaftskraft die Beiträge auch wirklich zahlen. Und ihre Kompetenzen einbringen.



      Wenn darüber hinaus jemand/und/oder Stiftungen privat spenden wollen, OK, dürfen sie. Mitspracherecht liegt aber ausschließlich bei den Mitgliedsstaaten.



      Eine Frage: haben sich Bill Gates und seine Frau schon mal zu den Vorwürfen geäußert, die ihnen gemacht werden?

  • Wow, man mag es kaum glauben, so ein Abschnitt in der taz?!

    "Zum Zweiten ist die WHO in den letzten 30 Jahren tatsächlich in eine höchst problematische finanzielle und damit auch gesundheitspolitische Abhängigkeit von der Gates-Stiftung, von Pharma- und Lebensmittelkonzernen sowie anderen privaten Akteuren geraten. Infolge dieses Einflusses hat die WHO ihr ursprüngliches Kernanliegen, die Unterstützung von Gesundheitssystemen in armen Ländern, zunehmend vernachlässigt."

  • Interessanter finde ich, welche Kräfte mit welchen Motivationen solche Verschwörungstheorien anheizen.

    Ich habe mir mal die Nase zugehalten und bei EIKE vorbeigeschaut. Ja, auch die sind gegen Corona, wie sie immer gegen Klima waren.

  • Und ich dachte, die problematische finanzielle und inhaltliche Abhängigkeit von der Gates-Stiftung sei bloß eine fixe Idee von Verschwörungstheoretikern.

    Wikipedia weiß hier auch nicht viel: "... Die Beiträge werden nach einem Schlüssel bemessen [was für ein Schlüssel?], wobei sich die Höhe des Beitrags nach der Zahlungsfähigkeit des jeweiligen Landes richtet. Die freiwilligen Beiträge in der Höhe von 2,745 Milliarden US-Dollar wurden zu 52 % von den WHO-Mitgliedstaaten, vor allem den USA, China, Japan, Deutschland und Großbritannien entrichtet. Der Rest der freiwilligen Beiträge stammte hauptsächlich von Stiftungen (21 %), ... WHO-Projekte werden teilweise als öffentlich-private Partnerschaft finanziert. Darunter fallen: die Globale Allianz für Impfstoffe und Immunisierung (Global Alliance for Vaccines and Immunization; GAVI), welche teilweise (17 % 2015-2020) von der Bill and Melinda Gates Foundation finanziert wird; ..."

    • RS
      Ria Sauter
      @Chutriella:

      Danke für diese wichtigen Infos!