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Abschiebung mit RücknahmeabkommenIn der Praxis gar nicht so einfach

Trotz Rücknahmeabkommen gelingen Abschiebungen nach Algerien und Marokko selten. Oft weigern sich die Heimatländer, ihre Landsleute aufzunehmen.

Stempel im Pass eines abgelehnten Asylbewerbers. Foto: dpa

Freiburg taz | Die SPD will Abschiebungen nach Nordafrika mithilfe von „Rücknahmeabkommen“ erleichtern. Das erklärte am Montag SPD-Generalsekretärin Katarina Barley. Mit Marokko soll ein derartiges Abkommen geschlossen werden, mit Algerien will Barley neu verhandeln. Konkret geht es um Asylbewerber, deren Antrag abgelehnt wurde, und Straftäter, die aus Deutschland ausgewiesen wurden.

Da es bei Algeriern und Marokkanern in der Regel keine humanitären Abschiebehindernisse gibt, könnten diese nun in ihr Heimatland zurückgebracht werden. Allerdings: Das Heimatland muss bereit sein, sie wieder aufzunehmen. Das ist bei diesen Ländern eher die Ausnahme.

Im ersten Halbjahr 2015 sollten rund zweitausend mutmaßliche Algerier abgeschoben werden, nur 24 Personen nahm Algerien zurück, wie der Spiegel berichtete. Von 2.300 ausreisepflichtigen angeblichen Marokkanern nahm Marokko nur 23 Personen auf.

Tatsächlich sind zwar alle Staaten völkerrechtlich zur Aufnahme ihrer eigenen Staatsbürger verpflichtet. Aber wer ist Algerier, wer ist Marokkaner? Rückübernahmeabkommen regeln, welche Beweise Deutschland anbringen kann, wenn der Ausländer keinen Pass und keinen Ausweis bei sich hat. Deutschland hat mit 30 Staaten solche Abkommen geschlossen, unter anderem mit Algerien (1997) und auch – hallo SPD! – mit Marokko (1998).

Ersatz für Pass: Laissez-passez-Papier

Die EU hat weitere 17 Rückübernahme-Abkommen ausgehandelt, teilweise mit den gleichen Staaten. Ziel ist, dass das Land ein Heimreisedokument als Passersatz ausstellt, ein sogenanntes Laissez-passer-Papier.

Deutschland hat mit 30 Staaten Rücknahmeabkommen abgeschlossen

Im deutschen Abkommen mit Algerien ist zum Beispiel geregelt, dass als Beweis der algerischen Staatsangehörigkeit auch ein algerischer Führerschein akzeptiert wird oder auch Aussagen des Ausländers vor einer deutschen Behörde oder einem Gericht. Wenn es keine Beweise gibt, führen algerische Diplomaten mit der Person eine „Anhörung“ durch.

Für die Ausstellung des Passersatzes genügt, dass die Diplomaten die „nachhaltige Vermutung“ haben, die Person sei algerischer Staatsbürger. Wenn sich später herausstellt, dass es doch kein Algerier war, „nimmt die deutsche Seite diese Person unverzüglich und ohne Formalitäten wieder zurück“, heißt es in dem Abkommen.

Gabriel will Entwicklungshilfe kürzen

Falls es aber keine stichhaltigen Beweise gibt und der mutmaßliche Algerier nicht mit den Diplomaten redet, hat es die algerische Botschaft leicht, die Rücknahme abzulehnen. Dann liegt auch kein Verstoß gegen das Abkommen vor. Wenn es doch eindeutige Beweise gab, wäre die Verweigerung der Rücknahme zwar unzulässig, aber die Abkommen sehen keine Sanktionen vor. Bei ertappten Straftätern ist die Bereitschaft zur Aufnahme vermutlich häufig gering.

SPD-Chef Sigmar Gabriel hat deshalb Kürzungen bei der Entwicklungshilfe als Druckmittel ins Spiel gebracht. Das lehnt allerdings Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) ab. „Entwicklungsgelder zu kürzen halte ich für nicht zielführend, das führt nur zu mehr Flüchtlingen“, sagte Müller, „wer Berufsbildungsprojekte stoppt, schafft neue Hoffnungslosigkeit.“

Unterdessen fordert die CDU, Marokko, Algerien und Tunesien im Asylrecht zu „sicheren Herkunftsstaaten“ zu erklären. Derzeit steigen die Flüchtlingszahlen aus diesen Ländern, während die Anerkennungsquoten jetzt schon nahe null sind.

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10 Kommentare

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  • Wen wundert es noch? Es ist doch klar, daß jedwede Regierung froh darüber ist, die Armen im Land und auch die Unbequemen elegant loszuwerden. Da gibt es keine Motivation, diese wieder zurück zu nehmen.

    Doch läßt man ein wenig die Fantasie spielen, dann drängt sich zwangsläufig auch der Verdacht auf, daß es da diverse Länder gibt, die eine neue Quelle zur Sanierung ihrer Staatsfinanzen entdeckt haben, alles unter der Mantisse "die Frau Merkel muß man sich warm halten".

    • @wxyz:

      Die sind eher untere Mittelschicht, nur teilweise arm. Mindestens das Flugticket nach Istanbul oder Ankara müssen sie bezahlen können, was echte Arme eigentlich schon ausschließt.

  • Algerien und Marokko wollen solche Menschen nicht zurück nehmen. Wir teilen ihnen ja auch mit: Hier sind Eure Verbrecher - die können hier nicht bleiben, los, nehmt die mal auf. Wo ist mein Recht auf Rückgabe für Unrat? Du bist doch dran, dahinten in Rabat und Algiers?

     

    Und so kommt die Ladung auch bei der Botschaft an - die wollen solche Menschen nicht als ihre Landsleute sehen, geschweige denn anerkennen. Für die gilt Exklusion - für Immer.

     

    Und diese Menschen belegen auch, wie schlecht die soziale Situation in Marokko und Algerien ist. Dort gibt es trotz eines gewissen Wohlstands eine hohe Jugendarbeitslosigkeit und eine atemberaubende Perspektivlosigkeit.

     

    Nur: Die Elite will sie nicht anerkennen, will davon nichts wissen.

    Und mit Entwicklungshilfe macht niemand bei Algerien Druck. Das Land ist im Prinzip sehr reich und außrt, dass der Wohlstand für viele Menschen folgenlos ist und bleibt.

     

    Es wirkt sehr arm und abgeschlagen dieses Land. Es kann nicht mal ausreichend Nahrung für seine Bevölkerung produzieren. Unter Druck wird man die scheintote algerische Elite nicht setzen können.

     

    Vielleicht wenn Merkel dem im Verborgenen dahinsiechenden Bouteflika ein Superangebot macht. Ohne das Plazet des todkranken Präsidenten wird gar nichts passieren. Das ist hier die Losung. Und die Abkommen stehen hübsch in den Regalen.

  • Vorschlag zur Güte: Als ehemalige Kolonialmacht in der Region wird Frankreich von der EU verpflichtet, die Menschen aus dem Maghreb, also dem früheren französischen Staatsgebiet, im Zweifel aufzunehmen. Das spart auch eine Menge Geld für Sprachkurse, denn die meisten sprechen ja ohnehin schon französisch.

    • @Rainer B.:

      Ich würde mich sehr wundern, wenn die EU das könnte, zumal Frankreich von genau diesen Leuten sicherlich nicht zuwenig hat. Andererseits, ein paar Tausend Nordafrikaner mehr würden in Frankreich gar nicht auffallen.

       

      Aber halt, viele von denen kommen ja aus Frankreich oder Italien, wo sie vorher waren. Frankreich ist wahrscheinlich genauso froh wie Marokko und Algerien, dass sie irgendwo anders sind anstatt zuhause.

       

      Bei aller Genervtheit muss ich immer wieder feststellen, dass ich diese Leute nicht beneide. Das sind schon arme Schweine. Die haben überhaupt nichts und keiner will sie. Wenn sie nur kriminell werden anstatt fanatisch religiös oder terroristisch, ehrt es sie schon fast wieder, das heißt wenigstens, dass sie für die Welt und für das Leben vor dem Tod noch nicht ganz verloren sind.

      • @Mustardman:

        Das führt sicherlich direkt zu der Frage, was die EU kann und was nicht. Jetzt zeigen sich die Konstruktionsfehler der EU und jetzt ist wahrscheinlich auch die letzte Chance da, diese noch zu korrigieren. Ansonsten wird man den Laden dann wohl auch auflösen können.

      • @Mustardman:

        -?-"Das sind schon arme Schweine. Die haben überhaupt nichts und keiner will sie."-?-

        -------------

        Neustes Studienergebnis:

         

        Die 62 reichsten Menschen haben so viel Vermögen wie die gesamte ärmere Hälfte der Weltbevölkerung, nämlich 3,6 Milliarden Menschen.

         

        Und jemand wie Schäuble plädierte dafür, mit z.B. deutschen Steuerhinterziehern in Steueroasen bitte schonlich umzugehen. Für "arme Schweine" hat er bis heute noch nicht gesprochen.- (Übrigens Ulli Hoeneß kommt nun nach einem Bruchteil des Strafabsitzens wieder frei.)

  • Was soll denn dann der ganze Hickhack?- Dann hat es eben zu heißen: Wer einer Tat gegen deutsche Strafgesetze überführt und rechtskräftig verurteilt wurde, sitzt seine Strafe in deutschen Gefängnissen ab. Falls im Strafgesetz so vorgesehen auch für mehre Jahre. Danach kommt er wieder raus ..., wie halt bei jedem Sowiesodeutschen auch. Wenn diese Leute denn im übrigen mit ihrem Aufenthalt im Land den deutschen Staat irgendwie ausgetrickst haben sollten, wäre das im Sinne einer allgemein zugrunde zu legenden Menschlichkeit auch kein so großer Schaden. - Mores lehren gegenüber den deutschen Strafgesetzen ist nunmal sowieso angesagt.

    • @H.G.S.:

      Und wenn eben das Folgende dabei herauskommt, dann ist das eben so:

       

      "Nach der Großrazzia im Düsseldorfer

      Maghreb-Viertel hat die Polizei alle

      40 Festgenommenen wieder freigelas

      sen. Es hätten keine Haftgründe vor

      gelegen, sagte ein Polizeisprecher.

      In 18 Cafes, Bars und Spielcasinos

      waren am Samstagabend fast 300 Nordafrikaner überprüft und 40 festgenommen worden. Gegen einen Verdächtigen werde wegen des Verdachts der Hehlerei ermittelt, weil bei ihm ein gestohlenes Laptop entdeckt worden sei. Gegen einen zur Abschiebung ausgeschriebenen Mann habe nach dem Asylrecht keine Möglichkeit bestanden, ihn weiter festzuhalten."

      • @H.G.S.:

        Dieses "Maghreb-Viertel" war übrigens hier in Düsseldorf bis vor kurzem gar nicht sonderlich verrufen (und noch nicht einmal unter diesem Namen bekannt, das hat die Presse letzte Woche erst erfunden), jedenfalls nicht mehr als die anderen ethnisch geprägten etwas zwielichtigen Gegenden, wie das Griechen-Viertel auf der anderen Seite des Hbf (wo auch die Gay-Bars sind) oder Little-Tokyo gleich daneben (wo auch der Babystrich ist) oder Klein-Istanbul in Oberbilk (wo meine Freundin sich immer ihre "Salafisten"-Zahnputzstäbchen und Teebecher kauft).

         

        Diese Leute, um die es hier geht, sind weniger ethnisch als kriminell geprägt und während ich völlig damit einverstanden bin, dass man dem einen oder anderen Taschendieb mit rechtsstaatlich gebundenen Händen ruhig Milde zukommen lassen kann, ist das in dieser Konzentration inzwischen einfach unerträglich. Vor ein paar Jahren noch war das Schlimmste, was einem hier passieren konnte, von einem Junkie um eine Zigarette angeschnorrt zu werden.

         

        Betteln tut keiner von denen. Wenn sie mit einem Schild und einem Becher an der Ecke sitzen oder durch die S-Bahn gehen würden, würden sie wahrscheinlich mehr Geld haben als so, aber sie tun es nicht. Inzwischen bettelt hier übrigens kaum jemand mehr, denn die bisherigen Bettler trauen sich nicht mehr. Wo die Junkies geblieben sind, weiß ich übrigens auch nicht, die sind auch weg.