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Abschiebung im Flugzeug verhindernVersuch gescheitert

In Helsinki versucht eine weitere Frau, durch eine Abflugblockade eine Zwangsabschiebung zu verhindern. Doch die Polizei führt sie ab.

Aino Pennanen versuchte, eine Abschiebung zu verhindern – erfolglos Foto: Branden Tate/Unsplash

Stockholm taz | Vergangene Woche hatte es die 21-jährige Studentin Elin Ersson am Flughafen Göteborg vorgemacht. Am Dienstag versuchte Aino Pennanen in Helsinki eine ähnliche Aktion, um die Abschiebung eines Asylbewerbers zu verhindern. Sie weigerte sich ihren Platz einzunehmen, nachdem sie einen Mitreisenden mit Polizeieskorte entdeckt und eine Flugbegleiterin ihr bestätigt hatte, dass es sich um eine zwangsweise Abschiebung handelte.

Pennanen ist juristische Mitarbeiterin der Parlamentsfraktion von „Vihreät“, den finnischen Grünen. Mit ihrer Familie hatte sie für Dienstag Tickets für die Mittagsmaschine der „Finnair“ von Helsinki nach Berlin-Tegel gebucht. Durchs Fenster fielen ihr Polizeifahrzeuge und ein Mann in Handfesseln auf, der von vier Zivilbeamten ins Flugzeug gebracht wurde. In eine Sitzreihe bugsiert drückte ihm ein Beamter den Kopf nach unten, so dass man sein Gesicht nicht sehen konnte.

„Ich sah es als meine mitbürgerliche Pflicht an, da zu reagieren“, erklärte Aino Pennanen später gegenüber der Presse. Sie teilte der Besatzung mit, erst dann ihren Platz einnehmen zu wollen, wenn der Flugkapitän diese Abschiebeaktion stoppen würde und der für sie unbekannte Mann das Flugzeug verlassen dürfe.

Ihre Protestaktion filmte und verbreitete sie über Livestream auf ihrem Facebookaccount und setzte sie auch fort, nachdem der Flugkapitän wissen liess, er werde die Abschiebung nicht stoppen. Begründung: Von der Polizei seien ja ordnungsgemäss Flugtickets gelöst worden.

Nach einiger Zeit erschienen mehrere Polizeibeamte an Bord und forderten Pennanen auf, sich entweder zu setzen oder mit ihnen zusammen das Flugzeug zu verlassen. „Diese Person soll zwangsweise abgeschoben werden und ist möglicherweise in Lebensgefahr“, sagt sie und fordert Mitpassagiere auf, ihre Solidarität zu zeigen und ebenfalls nicht ihre Plätze einzunehmen. Das sind die letzten Worte, die man hört, bevor die Polizisten ihr das Telefon, mit dem sie gefilmt hatte, aus der Hand reissen und die Übertragung abbricht.

Ich sah es als meine mitbürgerliche Pflicht an, da zu reagieren

Aino Pennanen

Anschließend wurde sie von Bord geführt und in einem Polizeifahrzeug zurück zum Terminal gebracht. Oder in den Worten von Polizeisprecher Jan Lindström: Man habe sie „aus dem Flugzeug entfernen müssen, weil sie den Anweisungen der Besatzung nicht Folge leistete“. Der „Finnair“-Flugkapitän habe die Entscheidung getroffen und den Polizeieinsatz angefordert. Das Flugzeug startete dann mit 18-minütiger Verspätung ohne sie nach Berlin.

Gegenüber der Tageszeitung Helsingin Sanomat berichtet Pennanen, sie habe die ungeplante Aktion unternommen, „weil ich das Bedürfnis hatte, dieser Person zu helfen“ und „ich grosse Probleme in unserem Asylsystem sehe“. Dessen mangelnde Rechtssicherheit und die Zwangsabschiebungen würden von Experten seit langem kritisiert. Die Möglichkeit juristisch gegen Behördenentscheidungen vorzugehen sei massiv eingeschränkt, Prozesskostenhilfe ganz abgeschafft worden.

Sie habe im Internet das Video von Elin Ersson gesehen und sich spontan entschlossen, auch ihre Aktion zu filmen, „weil ich mir davon eine Debatte über die Schwächen unseres Asylsystems erhoffe und ein Verständnis dafür, warum Menschen dagegen protestieren“. Leider hätten die anderen Flugpassagiere nicht reagiert und sie habe dem Mann dann doch nicht helfen können.

Respektbekundungen und Beschimpfungen

Die Reaktionen auf Pennanens Facebook-Account reichen von Glückwünschen und Respektbekundungen für ihre Aktion über Boykottaufrufe gegen „Finnair“ und Kritik, sie könne anderen Reisenden nicht ihren Willen aufzwingen, bis hin zu groben Beschimpfungen. Solche Aktionen seien „eine Bedrohung der Werte unserer westlichen Gesellschaftsordnungen“ kommentiert der konservative Parlamentsabgeordnete Wille Rydman.

Touko Aalto, der Vorsitzende der finnischen Grünen zollt „der mutigen Aino“ Respekt, versichert ihr Unterstützung und twittert: „Es reicht aber nicht, wenn wir die Verteidigung von Menschenrechten der Zivilcourage Einzelner überlassen.“

Gegen Elin Ersson hat die Staatsanwaltschaft in Göteborg mittlerweile ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, in dem geprüft wird, ob sie durch ihrer Blockadeaktion Straftatbestände erfüllt hat. Ihr drohen auch Schadensersatzansprüche seitens der Fluggesellschaft und der Luftfahrtbehörde aufgrund der wegen der Flugverspätung möglicherweise verursachten Zusatzkosten. Aino Pennanen muss vermutlich mit ähnlichen rechtlichen Folgen rechnen.

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13 Kommentare

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  • Mir geht es gar nicht um eine Bewertung der Aktion, aber den angelegten Maßstab von Gerechtigkeit könnte man ja einmal hinterfragen.



    Scheinbar genügt es nicht, für die Verbesserung der Situation von allen Armen, vor Ort, ob Einheimischer oder Fremder, oder in der Welt, aufmerksamkeitswirksam einzutreten.



    Also ich lobe mir da ein Stück weit die Kirchen, auch mit Kirchenasyl, denn die behandeln idR jedes Unrecht gleich und ihnen erscheint wenigstens irdische Ideologiebefriedigungssucht unbekannt.

  • Der Asylbewerber ist nach Berlin abgeschoben worden??? Ein Berliner hat in Finnland Asyl beantragt? Warum wird in dem Artikel nichts über den Asylbewerber gesagt und dem Umstand, dass er in einer Maschine nach Berlin saß? Also: Woher kam der Abgeschobene, wohin wurde er abgeschoben, warum wurde sein Antrag abgelehnt? Spielt das alles keine Rolle, wenn man über eine "heldenhafte" Aktivistin berichtet?

  • Ich freue mich über die Courage von Aino Pennanen! In Zeiten, in denen Unrecht zu Recht wird, sind solche Aktionen legitim! Und seit einer Weile bereits wird u.a. das Asylrecht ausgehöhlt.

    Pilot*innen haben das Hoheitsrecht darüber, unter welchen Bedingungen sie fliegen. Bei Gefährdung wie durch eine erzwungene Abschiebung(=Gewalt) können sie die Mitnahme einer abgeschobenen Person verweigern. Siehe auch:



    merkurist.de/frank...ungen-ablehnen_BB7



    Solidarisieren sich noch dazu Passagiere und nehmen nicht ihren Platz ein, so erzeugt das Druck auf die Polizist*innen, die Abschiebung abzubrechen und Druck auf Pilot*innen daraufhin zu wirken.

    Ansonsten gilt für die Cops: Niemensch muss Bulle sein! Kein Mensch hat das Recht zu gehorchen (zweiteres gilt auch für Pilot*innen).

    • @Uranus:

      "Ich freue mich über die Courage von Aino Pennanen!"

      Und ich hätte mich gefreut, in diesem Artikel mehr Hintergrundinformationen zu finden, warum der Asylbewerber aus Finnland abgeschoben wurde und in einer Maschine nach Berlin saß.

      "In Zeiten, in denen Unrecht zu Recht wird..."

      Ich habe eher das Gefühl, dass Sie in solchen Zeiten leben möchten.

    • @Uranus:

      Richtig! Von Freital lernen heißt siegen lernen.

  • 8G
    88181 (Profil gelöscht)

    Finstere Kommentare hier wieder mal.

    Pünktlichkeit ist in Deutschland wichtiger als ein möglicherweise in Gefahr geratendes Menschenleben.

    Zur Not muss der Wohlstand eben auch mit der Waffe in der Hand verteidigt werden.

    • 8G
      83492 (Profil gelöscht)
      @88181 (Profil gelöscht):

      Ja, wirklich unmenschlich jemanden in einen "Failed State" abzuschieben.



      www.youtube.com/watch?v=RhlfIx7t46o

  • Glückwunsch an den Piloten. Klappt doch alles ganz wunderbar.

    • 8G
      88181 (Profil gelöscht)
      @DiMa:

      Na das ist schon das Seehofer-69-Kaliber.

      Späße über das Elend und über Menschenleben.

      Hauptsache auf der guten deutschen Terrasse ist alles klar.

    • @DiMa:

      Glückwunsch an den Piloten und die einschreitende Polizei.

    • @DiMa:

      Ich beglückwünsche die mutigen Frauen. An deren Rechtsschutzkosten werde ich mich gerne beteiligen, weil ihre Taten mein Herz erwärmen.

      • @Reimar Menne:

        Hören sie nicht auf ihr Herz sondern ihren Verstand. Dann kommen sie vielleicht auch zu der Erkenntnis, das es Ersson und Pennanen hauptsächlich um den Ruhm in den sozialen Medien geht. Dafür sind sie bereit den Rechtsstaat ad absurdum zu führen und letztlich auch Hunderte Menschenleben zu gefährden. (Man stelle sich vor es kommt wegen eines verspäteten Abflugs zu einen Unfall).



        Ich hoffe sehr, die beiden "mutigen" und "moralisch integren" Frauen eine hohe Geldstrafe aufgebrummt kommen. Damit so ein Quatsch ja nicht erst in Mode kommt.

    • @DiMa:

      Etwas provokant formuliert, aber ich stimme zu. Es kann nicht sein, dass sich Einzelne über das Rechtssystem stellen und Selbstjustiz üben. Müsste man im Übrigen auch jedem anderen zugestehen, was dann wiederum nicht gewollt wird...