Abschaffung der Prioritätenliste: Wie viel Impfstoff geliefert wird
Die Priorisierung ist aufgehoben – und tatsächlich liefert gerade Biontech im Juni und Juli viel Impfstoff. Doch vorerst haben Zweitimpfungen Vorrang.
Rein rechnerisch würden die Lieferungen im Juni ziemlich genau für eine Erstimpfung aller verbleibenden impfwilligen Erwachsenen reichen. Doch tatsächlich wird nur eine Minderheit der Ungeimpften zum Zuge kommen. Denn es stehen nach großzügigen Lieferungen von Biontech und Moderna im Mai besonders viele Zweitimpfungen mit mRNA-Wirkstoffen an. Der positive Effekt: viele Bürger werden Ende des Monats doppelt geimpft und damit auch weitgehend vor Mutationen geschützt sein. Als Nachteil müssen sich Anwärter auf eine Erstimpfung noch gedulden.
Ein Grund für die hohe Verfügbarkeit von Impfstoff im Juni sind verschobene Lieferungen von Biontech, die nun in der zweiten Hälfte des Monats eintreffen sollen. Ein großer Unsicherheitsfaktor bleibt derweil der Anbieter AstraZeneca. Für die kommenden Wochen hat er dem Bundesgesundheitsministerium vorsichtshalber gar keine Prognosen mehr übermittelt. Das Unternehmen hat ohnehin durchweg nur ein Drittel der versprochenen Mengen herbeigeschafft. Die EU lässt die Verträge nun ab Juli auslaufen. Zugleich stehen aber noch 40 Millionen zugesagte Dosen für Deutschland bis Jahresende aus.
Wie viel genau im Juli zu Verfügung steht, ist indessen noch unsicher. Keiner der Hersteller lehnt sich weit aus dem Fenster. In der letzten Juniwoche stehen jedoch bereits gesicherte 6,6 Millionen Dosen zur Verfügung. Ein positives Signal für die Zeit danach sendet Moderna. Der US-Anbieter kündigt 730.000 Dosen im Juli pro Woche an, mehr als je zuvor.
Der Juli könnte gut einen neuen Rekord für die Zahl der bewältigten Impfungen bringen. Johnson & Johnson hat für diesen Zeitraum noch keine Prognose abgegeben. Gerade dieser Impfstoff treibt die Zahl der Durchgeimpften jedoch besonders schnell hoch, weil nur eine Dosis erforderlich ist. Ökonomen des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung der Hans-Böckler-Stiftung erwarten, dass Mitte Juli die Impfquote unter Erwachsenen 75 Prozent erreicht. Trotz der anstehenden Zweitimpfungen.
Prioritätengruppen nicht durchgeimpft
Sorge bereitet Experten, dass zahlreiche Mitglieder von gefährdeten Altersgruppen noch gar nicht zum Zuge gekommen sind. „Viele, die noch nicht geimpft sind, sind eigentlich in einer Prioritätsgruppe, und die, die nicht in Prioritätsgruppen sind, haben jetzt den Eindruck, dass sie sofort geimpft werden können“, sagte SPD-Politiker Karl Lauterbach gegenüber dem Sender n-tv. In Bayern, Schleswig-Holstein, Bremen, Hamburg und dem Saarland haben die Risikogruppen daher weiterhin Vorrang in den Impfzentren. Die übrigen Länder öffnen auch die Impfzentren für alle.
Lauterbach spricht sich unterdessen auch für eine zügige Impfung von Kindern aus. „Wenn wir Kindern keine Impfung anbieten, kann dies im Herbst ein Problem werden“, twitterte er. Immerhin 0,2 Prozent aller 12- bis 16-Jährigen seien britischen Studien zufolge von Long Covid betroffen, also einem monatelangen Verlauf mit Symptomen wie großer Schlappheit. Die Ständige Impfkommission (Stiko) wird ihre Empfehlung für die Impfung von Kindern und Jugendlichen am Donnerstag bekannt geben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Netzgebühren für Unternehmen
Habeck will Stromkosten senken