Abkommen zwischen EU und Lateinamerika: Es geht um Rohstoffe
Die Nachfrage an Lithium in Europa steigt. Der Abbau zerstört in Lateinamerika Lebensgrundlagen. Zum Freihandelsabkommen kam es (noch) nicht.
U nsere Leichen leben noch! So lautet das Fazit des zweitägigen EU-Lateinamerika-Gipfels in Sachen Freihandelsabkommen, der gerade in Brüssel zu Ende gegangen ist. Weder bei den Verhandlungen mit der südamerikanischen Wirtschaftsgemeinschaft Mercosur (Brasilien, Argentinien, Uruguay, Paraguay) noch bei denen mit Mexiko oder Chile gab es substanzielle Fortschritte, die über diplomatische Erklärungen hinausgingen.
Aber sind sie wirklich noch am Leben? Brasiliens Präsident Lula da Silva erklärte noch, das Freihandelsabkommen bis Ende des Jahres endlich abschließen zu wollen. Doch seinen vor Monaten angekündigten Verhandlungsvorschlag hat er bis heute nicht vorgelegt. Es schleichen sich berechtigte Zweifel ein, ob Südamerikas wirtschaftliches Schwergewicht seinen Markt wirklich für europäische Industriegüter öffnen will.
Geräuschloses Rohstoffabkommen mit Chile
Der EU geht es gegenwärtig vor allem darum, an Rohstoffe wie Lithium und Kupfer heranzukommen. Der Auftritt von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei ihrem Besuch in Brasilien, Argentinien, Kolumbien und Mexiko vor einem Monat hat die letzten Zweifel daran ausgeräumt. Und wie es auch ohne Freihandelsabkommen geht, wurde gerade in Brüssel demonstriert. Dort hat die EU relativ geräuschlos ein Rohstoffabkommen mit Chile auf den Weg gebracht, bei dem es vor allem um den Zugang zu Lithium geht.
Der Vorgang ist auch ein Wink mit dem Zaunpfahl. Statt weiter ausgefeilte Szenarien vorzustellen, wer von welchem Freihandelsabkommen wie profitiert und wer nicht, sollte die Kritik auf solche Rohstoffabkommen ausgerichtet werden. Seit die Mobilitätswende in den Industriestaaten die Nachfrage nach Batterien in die Höhe treibt, wächst der Druck auf den Abbau von Lithium, das in den vor Kurzem noch abgeschiedenen Salzseen Chiles, Argentiniens und Boliviens lagert. Um das Klima zu retten, werden die Lebensgrundlagen der dort lebenden indigenen Völker zerstört. Den europäischen Umweltschutz- und Klimagruppen sollte klar sein, was in den Anden passiert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland