Aberkennung der Gemeinnützigkeit: Attac möchte Klärung in Karlsruhe
Die NGO Attac will vor dem Verfassungsgericht gegen die Aberkennung der Gemeinnützigkeit klagen. Sie fürchtet, dass die Zivilgesellschaft schrumpft.
Der Bundesfinanzhof hat entschieden, dass Attac nicht gemeinnützig ist. Das bedeutet unter anderem, dass Spenden nicht steuerlich absetzbar sind und es schwer ist, an öffentliche Mittel oder Stiftungsgelder zu kommen. Die Begründung des Bundesfinanzhofs: Die Beeinflussung der öffentlichen Meinung und der politischen Willensbildung dürfen von den Finanzämtern nicht als gemeinnützige Ziele gewertet werden. Diese Einschätzung muss vom Hessischen Finanzgericht noch in ein Urteil umgesetzt werden. Dann kann Attac vor das Bundesverfassungsgericht ziehen. Über welchen Weg genau das erfolgen soll, wollen VertreterInnen der Organisation in den kommenden Wochen mit JuristInnen beraten, sagt Eibl.
Unabhängig von der Klage fordert Attac, dass der Bundestag die gesetzliche Grundlage des Gemeinnützigkeitsrechts, die Abgabenordnung, erweitert. Außerdem müsse der Satzungszweck „Förderung des demokratischen Staatswesens“ – wie der Umweltschutz – als gemeinnütziger Zweck anerkannt werden.
Bei der Entscheidung des Bundesfinanzhofs gehe es nicht nur um Attac, sagt Eibl. „Wir sehen bereits einen Dominoeffekt.“ Die Kampagnenorganisation Campact zum Beispiel stellt keine Spendenbescheinigungen mehr aus. Sie fürchtet, den Status der Gemeinnützigkeit ebenfalls entzogen zu bekommen.
Der drohende Verlust der Gemeinnützigkeit mache Organisationen „mundtot“, fürchtet Eibl. Einige würden sich bereits nicht mehr an Aktionen und Kampagnen mit allgemeinpolitischem Charakter beteiligen. Namen und Beispiele wollte er nicht nennen.
In vielen Nichtregierungsorganisationen (NGOs) herrscht große Unruhe, sagt auch Anne Dänner von „Mehr Demokratie“. „Wir haben keine akuten Sorgen“, sagt sie. „Aber wir schauen uns das sehr genau an.“ Unabhängig von der eigenen Betroffenheit gehe es um eine Grundsatzfrage für die Gesellschaft.
Am Dienstag berieten in Berlin VertreterInnen der rund 80 Organisationen in der „Allianz für Rechtssicherheit und für politische Willensbildung“ über die Entscheidung des Bundesfinanzhofs. In den vergangenen 30 Jahren sei auch durch die Arbeit vieler NGOs ein neuer Typus von Zivilgesellschaft entstanden, sagt Tim Weber von „Mehr Demokratie“: „Wenn jetzt die finanziellen Spielräume für diese Organisationen schrumpfen, schrumpft auch die Zivilgesellschaft.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken