ARD-Serie „Die Stadt und die Macht“: Die Sache mit der Komik
„Die Stadt und die Macht“ wurde von der ARD als das erste Serienhighlight des Jahres angekündigt. Dabei überzeugt vor allem eine.
Friedemann Fromm wirkt etwas deplatziert. Im Berliner Kempinski-Hotel, wo ältere, Kostüm tragende Damen ihr Kännchen Kaffee trinken, empfängt der Regisseur zum Hintergrundgespräch. In seinem Jack Wolfskin Fleece passt er genauso wenig an diesen Ort wie die strahlende Heldin seiner neuen Miniserie in den Berliner Politikbetrieb – die Rechtsanwältin Susanne Kröhmer, gespielt von Anna Loos. Fromm, der zuletzt „Weissensee“ gedreht hat, und sein dreiköpfiges Autorenteam inszenieren die Ära der Landowskys und Diepgens, in der Seilschaften und Banken- und Bauskandale nie zu Ende gegangen sind.
Das heißt, eigentlich sollte der Bauskandal dank der Serienheldin zu Ende gehen – „eine Frau, die Bürgermeisterin von Berlin werden will und auf diesem Weg einen sehr hohen Preis zahlt“, sagt Fromm, der Anna Loos für die perfekte Besetzung hält. „Als ich das Konzept gelesen habe, war für mich klar, das ist eine Rolle für sie.“ Und er behält recht: Loos spielt diese Susanne Kröhmer so patent, so tapfer, so positiv, dass sie nach den sechs Folgen „Die Stadt und die Macht“ endgültig in der Liga Ferres/Furtwängler angekommen sein wird.
Friedemann Fromm sagt, er habe keine realen Politiker, sondern „bestimmte Typen, die es im politischen Betrieb gibt“, im Kopf gehabt, spricht dann aber minutenlang über Franz Josef Strauß. „Mit Strauß haben wir uns viel beschäftigt – das war eine hochgradig interessante Persönlichkeit. Auch wenn man politisch nicht auf seiner Seite stand, war er jemand, der etwas verkörperte, was es in der Politik immer weniger gibt, nämlich absolute Leidenschaft“.
Der Strauß in der Serie heißt Karl-Heinz Kröhmer, genannt „KK“. Manipulativer Strippenzieher, polternder Choleriker, barocker Koloss, jovialer Patriarch. Übervater der Berliner C-Partei, Vater der Heldin. Sie schmeißt Handys auf den Boden, er Gläser an die Wand. Eine Rolle, wie sie Thomas Thieme seit „Der Mann aus der Pfalz“ (2009) gefühlte zwanzig Mal gegeben hat. Das hat er sich draufgeschafft, das spielt er so runter. Die distanzierende Ironie zu dem TV-Spektakel, an dem der „Schauspieler des Jahres“ 2000 hier mal wieder teilhat – sie könnte auch Einbildung sein. Mit der Komik ist es nämlich so eine Sache hier.
Vorbild: „Borgen“
Die logische Referenz für „Die Stadt und die Macht“ kommt aus Dänemark. „Natürlich haben wir uns ,Borgen‘ angeguckt“, sagt Fromm. In der Erfolgsserie wird eine idealistische Politikerin dänische Premierministerin – und regiert damit auch nur über ein paar Leute mehr als der Bürgermeister von Berlin.
Die Premierministerin verdankt ihren Erfolg maßgeblich ihrem smarten Spin Doctor. Seine Berliner Entsprechung nun ist ein sehr schmieriger Wahlkampfmanager mit Dauerwellenlöckchen und Jürgen-von-der-Lippe-Hemden, der, wenn er emotional wird, in seinen schwäbischen Heimatdialekt zurückfällt. In diese Idee war der im Schwäbischen gebürtige Fromm offenbar so verliebt, dass er nicht gemerkt hat, wie dem gebürtigen Dresdener Martin Brambach der ihm fremde Dialekt überhaupt nicht gelingt.
Sechsteilige Miniserie „Die Stadt und die Macht“, ab 12. Januar um 20.15 Uhr. Jeweils zwei Doppelfolgen an drei aufeinanderfolgenden Tagen: 12., 13., 14. Januar, jeweils um 20.15 Uhr und 21.00 Uhr, ARD
Auch wenn Fromm über den fiktiven Wahlkampfmanager meint: „Es gibt keinen einzigen Satz, den der sagt, den ich nicht von einem echten Wahlkampfberater gehört hätte“, ist seine Figur bewusst überzeichnet. Die Öffentlichkeit ist in den letzten zehn Jahren wieder eindeutig spießiger geworden – „Stehst du auf Dildos?“, fragt er zum Beispiel die OB-Kandidatin. Sie findet das genauso daneben wie seine Idee, mit ihrer Schwangerschaft Kampagne zu machen: „Da krieg ich alle Sender!“ „Auf keinen Fall!“, sagt sie und wird gleich in der nächsten Talkshow auf ihre „Doppelbelastung“ angesprochen – der Wahlkampfmanager hat dem Moderator die Schwangerschaft gesteckt.
Ein guter Wahlkampfmanager muss rücksichtslos sein, auch gegenüber der eigenen Kandidatin. „Eigentlich ist das meine Privatsache, und ich hätte mir auch gewünscht, dass das so bleibt“, rügt sie, indigniert in die Kamera guckend. Dann plötzlich ein Leuchten in ihren Augen: „Aber wissen Sie was? Da draußen gibt es unzählige Frauen, die Großartiges in ihrem Beruf leisten und gleichzeitig Mütter werden oder Mutter sind. Ich bin stolz, eine dieser Frauen sein zu dürfen!“
Bei Loos kommt – anders als bei Thieme – in keinem Moment der Verdacht auf, sie könnte das nicht ganz ernst meinen. Nicht mal, wenn sie ihre Rhetorik bei den beiden Über-Berlinern Ernst Reuter und John F. Kennedy klaut. Wie gesagt: Liga Ferres/Furtwängler.
Unfreiwillige Komik
Nun wirkt das, was Politiker in echt, bei Plasberg und anderswo, im Ernst so sagen – ihre Slogans, Worthülsen, Plattitüden – oft wie Realsatire. Wenn nun Schauspieler diese Slogans, Worthülsen, Plattitüden in der verdichteten Form einer TV-Serie ganz ernst meinend aufsagen, wird daraus schnell unfreiwillige Komik. Sächsisches Schwäbeln.
Da hilft dann auch kein möglicherweise innerlich ironischer Großschauspieler Thieme mehr. Auch dass seine männlichen Politiker-Alphatiere buchstäblich eine Leiche – nein, nicht im Keller, sondern, viel passender (Bauskandal) – in das Fundament einer Justizvollzugsanstalt haben eingießen lassen, mit der fachkompetenten Hilfe von nach der Wende gewissermaßen übernommenem Stasi-Personal, will Friedemann Fromm nicht komisch meinen. Seiner Meinung nach ist „Die Stadt und die Macht“ vieles: „Ein Genremix aus Politthriller und Melodram und der Coming-of-Age-Geschichte einer Frau.“
In die Aufzählung gehört aber unbedingt auch: die Groteske.
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