piwik no script img

ADAC-Analyse zu NachhaltigkeitTreibhausgas und lahme Züge

Seit Jahren soll der Verkehr in Deutschland nachhaltiger werden. Ausgerechnet der ADAC hat nun analysiert, inwieweit das Ziel erreicht wurde.

Linienbusse und On-Demand-Verkehr zu kombinieren, könnte eine realistische Auto-Alternative sein Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa

Berlin taz | Nachhaltigkeit – das ist das große Wort in der Klimapolitik, in der Verkehrswende – und dort nun auch für den Allgemeinen Deutschen Automobil-Club, den ADAC. In Zusammenarbeit mit dem Analyse- und Beratungsunternehmen Prognos AG hat der Verein den ADAC Mobilitätsindex entwickelt: eine ausführliche Analyse des Verkehrs in Deutschland auf seine Nachhaltigkeit in den Jahren 2015 bis 2019. Also den Jahren, bevor die Pandemie das Mobilitätsverhalten vorübergehend veränderte.

Das Ergebnis stellte der ADAC am Montag vor: Der Index hat sich in diesem Zeitraum nicht verändert. Die Mobilität ist im Großen und Ganzen nicht nachhaltiger geworden.

Bewertet wurden viele einzelne, unterschiedlich gewichtete Faktoren wie Unfallzahlen, CO₂-Ausstoß oder ÖPNV-Angebot, die den deutschen Stand auf dem Weg zur nachhaltigen Mobilität aufzeigen sollen. Nachhaltig bedeutet hier „unter sozialen, ökologischen und ökonomischen Gesichtspunkten zugänglich und verträglich“.

Untersucht wurden dabei fünf Dimensionen der Mobilität: Verkehrssicherheit, Klima und Umwelt, Verfügbarkeit, Zuverlässigkeit, Bezahlbarkeit. Besonders schlecht schnitt dabei die Zuverlässigkeit ab. Sowohl Schienen wie auch Straßen seien überlastet, so die Studie. So kamen 2019 nur zwei Drittel der Fernzüge pünktlich ans Ziel. Staus auf den Autobahnen mit entsprechenden Verspätungen hätten stark zugenommen. Besser schnitt „Klima und Umwelt“ ab. Luftschadstoffe wie Feinstaub nehmen seit 2018 stark ab. Allerdings steigen die Treibhausgasemissionen und der Energieverbrauch im Verkehr weiter.

Ziel: Prenzlauer Berg für alle

Die Daten- und Faktenlage biete nun endlich die Möglichkeit, wissenschaftsbasiert zu arbeiten und nicht „aus dem Bauch heraus“ zu entscheiden, lobte ADAC-Verkehrspräsident Gerhard Hillebrand den Mobilitätsindex. Sein Fazit: „Schon, um die erforderlichen Minderungen der CO₂-Emissionen zu erzielen, muss sich der Wandel des Verkehrssystems erheblich beschleunigen. Und die Verbraucher müssen ihr Mobilitätsverhalten ändern.“

Wie das funktionieren soll, diskutierte er nach der Vorstellung der Ergebnisse mit NRW-Verkehrsministerin Ina Brandes, Berthold Huber, dem Vorstand für Personenverkehr bei der Deutsche Bahn AG, und Michael Theurer, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Digitales und Verkehr. Hillebrand betonte dabei, es sei wichtig, offen für neue Technologie zu bleiben, vor allem was E-Fuels und Wasserstoff angeht.

„Laden muss so einfach werden wie tanken“, forderte er. Auch für Theurer hatte eine verbesserte Ladeinfrastruktur für E-Autos erhöhte Priorität. Schließlich müsse der Markt dafür sorgen, dass nachhaltige Mobilität auch attraktiv für die Verbraucher werde, damit diese auch genutzt werde. Außerdem sei es sehr wichtig, die Schienenkapazität zu erhöhen. Brandes ergänzte, dass die Beschleunigung von Bau- und Planungsgenehmigungen hier eine große Rolle spiele. Und mahnte außerdem, die Rolle des Fahrrads bei der Mobilitätswende nicht zu vergessen. Hier müsse noch viel mehr in Sicherheit und Infrastruktur investiert werden.

„Der Prenzlauer Berg ist nicht die Lebensrealität der meisten Menschen in Deutschland“, erklärte Huber. Deswegen sei es wichtig, Linienbusse und On-Demand-Verkehr zu kombinieren, um Menschen auf dem Land möglich viel Mobilität und Flexibilität und somit auch eine realistische Alternative zum Auto zu bieten. Für den ADAC-Mobilitätsindex waren auch die einzelnen Bundesländer näher untersucht worden.

Der ADAC hat vor, seinen Mobilitätsindex nun jährlich zu aktualisieren und weiter auch längerfristige Projekte in der Verkehrspolitik zu verfolgen und zu bewerten.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • 4G
    47202 (Profil gelöscht)

    Schönes Foto mit dem richtigen Spruch "Endlich zuhause ankommen".



    Ja, das dauert halt mit den Öffis.

    • @47202 (Profil gelöscht):

      Was im Grunde zwei Ursachen hat, bei beiden die Schuld am Individualverkehr liegt:



      1 Noch immer müssen zuviele Linienbusse den Platz mit anderen Verkehrsteilnehmern teilen. Damit büßt man Zeit ein.



      2. Straßenzüge sind historisch bedingt oftmals verwinkelt und kurvenreich. Ein PKW kommt physikalisch gesehen zügiger um die Kurven, der schwere Bus würde beim selben Versuch in der Kurve umkippen.

      Lösung:



      Individualverkehr abschaffen



      Straßenzüge bus- und straßenbahngerecht statt autogerecht.

      • @Troll Eulenspiegel:

        Nein, weil der ÖPNV dort am längsten dauert, wo die Straßen besonders leer sind: in den ländlichen Gebieten.

        In den Zentren der Großstädte geht es mit der U-Bahn recht flott, unabhängig vom Individualverkehr.

        Übrigens würde die Abschaffung des Individualverkehrs bereits bei Ihrem Punkt 2 überhaupt nichts ändern.

        • @rero:

          In ländlichen Gebieten ist der Haltestellenabstand weitaus größer und die durchschnittliche Reisegeschwindigkeit ebenfalls.

          30-40km können in einer Stunde gut bewältigt werden. Im Gegensatz zu 5-10km in der Stadt.

          Und für verwinkelte Schulbuslinien, die innerhalb der Gemeinde kreuz und quer fahren und so fürs nächste Dorf 30 Minuten brauchen, weil erstmal 5 andere Dörfer bedient werden: Erfahrungsgemäß eine Randerscheinung. Hinzu kommt: Man nehme das Fahrrad zum nächsten Dorf.

          • @Troll Eulenspiegel:

            Da haben wir unterschiedliche Erfahrungen. :-)

            Diese verwinkelten Buslinien sind nach meiner Erfahrung keine Randerscheinung, sondern Standard.

            Und abgesehen von Schulzeiten fahren die Busse auch kaum.

            Wenn Ihr Arzttermin zu Ende ist und Sie sich dann 2 oder 3 Stunden die Zeit vertreiben müssen, bis der nächste Bus kommt, ist es logisch,, dass Sie auf Individualverkehr nicht verzichten wollen.

            Das ist Zeit, die Sie miteinrechnen müssen, wenn Sie ihren Arztbesuch planen.

            Darum gieren Dorfjugendliche oft danach, möglichst schnell wenigstens einen Moped-Führerschein zu machen.

            Weil der ÖPNV eben Mist ist.

            In Großstädten sind Moped-Führerscheine ab 16 eine totale Nische.

            Die Leute sind doch nicht blöd.

            Es hat doch seinen Grund, dass in Berlin die Anzahl von Pkws pro 1000 Einwohner am niedrigsten ist und in ländlichen Gebieten am höchsten.

  • „Laden muss so einfach werden wie tanken“, forderte er. Auch für Theurer hatte eine verbesserte Ladeinfrastruktur für E-Autos erhöhte Priorität.

    Klar, Hauptsache das Automobil wird weiter gefördert. Dann ist der ADAC glücklich.

  • Ja wenn die Grünen kein Interesse an Verkehrsanalysen haben, machts eben der ADAC. Vielleicht können die Grünen ja was lernen.