piwik no script img

80. „Tatort“ mit Lena OdenthalFrauen ganz oben, ganz unten und das Verbrechen mittendrin

Viele Themen werden in diesen Ludwigshafener Jubiläumstatort reingepackt – und die Frage nach Anstand und Moral? Wird wenigstens mal gestellt!

Viel los in diesem „Tatort“ Foto: dpa

Wie die Zeit vergeht! Schon der 80. „Tatort“ mit Kommissarin Lena Odenthal (gewohnt stabil: Ulrike Folkerts) aus dem gar nicht so friedlichen Ludwigshafen.

Dieses Mal wird der Juraprofessor Jasper Unel (Mohamed Achour) im Büro seiner gut situierten, undurchsichtigen Anwalts-Gattin Patricia Prinz (gekonnt vielschichtig verkörpert von Sandra Borgmann) erschossen. Aufgelöst und sichtlich neben der Spur setzt die Juristin einen Notruf ab, der zuerst Odenthal erreicht. Die Kommissarin muss aber schnell feststellen, dass sich der oder die Tä­te­r*in durch ein Fenster abgesetzt hat und gerät kurzzeitig selbst in Erklärungsnot vor den später eintreffenden Streifenpolizisten, die sie nicht sofort als Polizeiangehörige identifizieren können.

Schon am nächsten Morgen hat sich die Anwältin wieder gefangen und verkündet mit Pokerface bei ihrer Vernehmung durch Odenthal und deren Kollegin Johanna Stern (Lisa Bitter), dass sie nur eingeschränkt bei den Ermittlungen helfen möchte. Die Liste ihrer Kli­en­t*in­nen bleibt tabu. Das hindert Stern aber nicht, ein Foto des aufgeschlagenen Terminkalenders von Prinz zu machen.

Und so stellt sich heraus: Es sollte an diesem Tag einen Arbeitsgerichtsprozess gegen Piet Sievert (Matthias Lier), den Betreiber eines Callcenters geben. Marie Polat (Emma Nova), eine junge, aufgrund von Schwarzfahren vorbestrafte Frau, die im Sorgerechtsstreit mit ihrem gewalttätigen und alkoholabhängigen Exfreund steht, klagt gegen eine von Sievert erlassene fristlose Kündigung. Denn ohne Job sind ihre Chancen, ihren Sohn Luca auf Dauer zu sich nehmen zu können, sehr gering. Ein kurzer Besuch beim Callcenter-Chef streut in Odenthal erste Zweifel, denn ganz so ein Gutmensch und Empath, wie er versucht darzustellen, ist der vermeintliche Retter von Frauen aus prekären Situationen dann doch nicht.

Ludwigshafen-„Tatort“

„Dein gutes Recht“, So., 20.15 Uhr, ARD

Schmierig bis in die letzte Pore

Damit auch bloß keine Langeweile aufkommt, gibt es noch weitere Handlungsstränge, die die Ermittlungen immer wieder durchkreuzen. Zum einen gibt es wirklich unterhaltsame Be­wer­be­r*in­nen­ge­sprä­che auf eine ausgeschriebene Stelle als Assistenz der Kommissarinnen Odenthal und Stern, die von einem Fachkräftemangel auf allen Ebenen zeugen und noch mal sehr deutlich machen, dass eine gute Work-Life-Balance (mit Betonung auf „Life“) mittlerweile fast das Wichtigste ist.

Nicht minder spannend sind die Szenen, in denen Odenthal sich dann auch noch gegenüber dem absolut unsympathischen internen LKA-Ermittler Kurt Breising (schmierig bis in die letzte Pore: Bernd Hölscher) stellen muss, da sie im Laufe des Falles ihre Dienstwaffe benutzen musste. Ein spannender Kontrast zu den Bewerbungsgesprächen, denn hier liegt der Fokus eindeutig auf Machterhalt mit allen Mitteln.

Es werden also viele Themen in diesen „Tatort“ verpackt. Gelungen ist dabei vor allem die Darstellung von Frauen, die sich am unteren Rand der Gesellschaft abrackern müssen. Einmal drin in dieser Spirale, ist es schwer, wieder herauszukommen und sich Recht zu verschaffen. Im heftigen Gegensatz dazu steht die privilegierte und eiskalt im Sinne ihrer Man­dan­t*in­nen agierende Anwältin Prinz, die nicht davor zurückscheut, die Gegenseite auf ekelhafte Weise zu diskreditieren.

Und so stellt Lena Odenthal ganz zu Recht die auch im aktuellen Zeitgeschehen oft sehr passende Frage: „Was ist eigentlich mit Anstand und Moral?“

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!